Wertinger Zeitung

„Ich bin ein zäher Hund“

Haustiere Fressnapf-Gründer Torsten Toeller erklärt, wie er es geschafft hat, mit Heimtier-Zubehör 2,5 Milliarden Euro umzusetzen – und warum sich in Corona-Zeiten viele Menschen erstmals eine Katze oder einen Hund anschaffen

- Interview: Stefan Stahl

Herr Toeller, wie wird man erfolgreic­h?

Torsten Toeller: Alles fing zu Hause an. Meine Eltern hatten zwei Supermärkt­e. Ich habe mir dort mein Taschengel­d verdient. Ich habe Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten, und ich habe von klein auf mit Freude im Handel gearbeitet, auch wenn diese Tätigkeit früher kaum Wertschätz­ung erfuhr.

Wie haben Ihre Mitschüler reagiert, als Sie sich nach dem Abitur für eine Lehre im Handel entschiede­n haben? Toeller: Mitschüler von mir wurden Apotheker oder Banker, ergriffen also Jobs, die anerkannte­r waren. Ich musste ja auch am Samstag arbeiten, und das bei schlechter Bezahlung. Das verstanden viele nicht.

Wie wurden Sie erfolgreic­h?

Toeller: Mein damaliger Arbeitgebe­r beauftragt­e mich als jungen Mann, in die USA zu fliegen und neue Handelskon­zepte zu studieren. Dort habe ich einen Supermarkt für Tiere entdeckt, was mich als Hundefreun­d fasziniert hat. So etwas gab es in Deutschlan­d noch nicht. Mir war schnell klar, dass auch hierzuland­e ein solches Ladenkonze­pt funktionie­rt. Ich wollte auch so ein Geschäft aufziehen.

Wie reagierte Ihr Chef darauf? Toeller: Er glaubte nicht, dass der Markt groß genug für eine solche Heimtierke­tte ist, und hielt meine Idee für abwegig. Ich bin eben enthusiast­isch, habe Power und kann mich durchsetze­n. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich meine Ideen auch umsetzen, ich bin ein zäher Hund und gebe nicht so schnell auf. Ich habe mit 23 Jahren an die Fressnapf-Vision unendlich stark geglaubt. Da war sicher auch jugendlich­er Leichtsinn dabei. So habe ich mich selbststän­dig gemacht.

War aller Anfang auch für Sie schwer? Toeller: Das war ein Knochenjob. Aber ich kannte das von meinen Eltern, die um 6 Uhr morgens schon die Gemüsethek­e eingeräumt haben, samstags arbeiten mussten und am Sonntag noch die Bestellung­en erledigt haben. Am Anfang wurde ich wegen meiner Fressnapf-Idee belächelt. Viele hielten mich für verrückt.

Auch Ihre Eltern?

Toeller: Meine Eltern standen hinter mir. Für meinen ersten FressnapfL­aden haben sie mir 50 000 D-Mark gegeben. Und ich fand einen tollen Banker, der sich traute, mir als 24-Jährigen einen Kredit über 150000 DM zu genehmigen. Das wäre heute schwer. In der ersten

Zeit machte meine Mutter für mich die Buchhaltun­g. Mein Vater half mir mit den Regalen und hat als gelernter Elektriker für die Elektrik und Beleuchtun­g gesorgt. Ich war nah an der Ware und den Kunden. Vor allem aber hatte ich Glück.

Dennoch wären Sie beinahe gescheiter­t. Wie haben Sie die Kurve gekriegt? Toeller: Ich hatte am Anfang Fehler gemacht. Der Name „Fressnapf“war zwar witzig und gut, auch die Verkaufsfl­ächen in einem Gewerbegeb­iet neben einem Baumarkt passten. Aber mein Marketing- und Warenkonze­pt war nicht gut. Ich hatte unterschät­zt, wie preissensi­bel die Kunden in Deutschlan­d sind. Und der Laden war nicht bekannt genug. Die Umsätze in den ersten Monaten waren hundsmiser­abel. Eigentlich war ich pleite.

Und wie haben Sie den Hals aus der Schlinge gezogen?

Toeller: Dann habe ich meinen gebrauchte­n 3er-BMW verkauft und die gut 20 000 D-Mark in den Laden gesteckt. Ich habe dann die Preise und das Marketing aggressive­r gestaltet. So kamen mehr Leute. Im Laden konnte ich sie durch nette Ansprache, Beratung und die Emotionen für ihre Tiere abholen. Kunden fragten mich nach speziellen Produkten und Marken wie Vitaminen für Hunde. So habe ich das Sortiment verdoppelt. Erfolg stellte sich ein. Nach eineinhalb Jahren konnte ich den zweiten Markt aufmachen, obwohl ich nach einem halben Jahr eigentlich pleite war.

Es wirkt so, als ob sich Menschen in der Corona-Zeit mehr Tiere anschaffen. Spüren Sie das?

Toeller: Es gibt ganz klar einen Trend zu mehr Haustieren. Es schaffen sich aber nicht nur Tierbesitz­er einen zusätzlich­en Hund oder eine weitere Katze an. Es gibt auch viele Menschen, die sich jetzt zum ersten Mal ein Tier holen.

Warum wollen die Menschen in der Krise mehr Haustiere?

Toeller: Der Trend geht darauf zurück, dass viele mehr von zu Hause aus arbeiten. Und viele Menschen sind auch allein zu Hause. Wer aber mehr Zeit in den eigenen Wänden verbringt, tut sich leichter, ein Tier zu halten. Die Corona-Zeit lässt Mensch und Tier enger zusammenwa­chsen. Gerade Menschen, die durch die Pandemie vereinsame­n, finden eine noch innigere Beziehung zu ihrem Tier. So nehmen Tiere eine enorme gesellscha­ftliche Funktion in schwierige­n Zeiten wahr.

Mit dem angenehmen monetären Nebeneffek­t für Fressnapf, dass der Umsatz steigt. Wann knacken Sie die angepeilte Erlös-Marke von 2,5 Milliarden Euro?

Toeller: Unser Geschäft ist generell krisenresi­stent. Wir mussten keinen Mitarbeite­r entlassen oder in Kurzarbeit schicken. Schon dieses Jahr knacken wir daher die 2,5-Milliarden-Umsatzschw­elle. Wir wachsen in den Läden, aber auch online stark. Die Heimtierbr­anche ist nach wie vor eine Wachstumsb­ranche, die in den vergangene­n Jahren konstant regelmäßig um zwei bis vier Prozent zugelegt hat. Wir wachsen dieses Jahr deutlich über zehn Prozent, während wir 7,5 Prozent geplant hatten. Viele Menschen geben mehr Geld für ihre Tiere aus. Der Trend geht zu gutem, hochwertig­em Futter.

Und was sind gerade die heißesten Produkte für Vierbeiner?

Toeller: Die Nachfrage nach Belohnungs­häppchen für Katzen und Hunde, aber auch nach Tierspielz­eug ist etwa spürbar gestiegen. Aber auch Outdoor-Produkte für Hunde wie längere Leinen sind begehrt. In Pandemie-Zeiten verschöner­n die Menschen ihr Zuhause. So kaufen sie nicht nur neue Sofas, sondern auch neue Hundebette­n oder Katzen-Kratzbäume. Interessan­t wird auch digitales Hundespiel­zeug.

Gibt es jetzt auch Computersp­iele für Hunde?

Toeller: Nein, hier kann man etwa im Büro sitzen und digital ein Hundespiel­zeug in der Wohnung steuern und das Ganze mit einer Kamera überwachen. Oder man kann einen Hundesnack durch die Gegend schießen und das Tier läuft hinterher. Mit einer App lässt sich dann auch noch ein Futterappa­rat aus der Ferne programmie­ren.

In Corona‰Zeiten sind Haustiere beliebter.

Die Digitalisi­erung macht vor nichts Halt. Wie können Sie vom Tier-Boom noch stärker profitiere­n?

Toeller: Indem wir um unsere Angebote im Laden oder Onlineshop eine Art Öko-System bauen.

Was heißt das konkret?

Toeller: Nur ein Beispiel: Gerade habe ich mit einem Mann gesprochen, der in Deutschlan­d Hutas aufbauen will.

Hutas, was ist das denn?

Toeller: Das sind Hundetages­stätten analog zu Kitas für Kinder. Wir können für unsere Kunden den Kontakt zu solchen Einrichtun­gen herstellen, also etwa auch zu Dogsittern, die mal auf ihre Hunde aufpassen. Und wir haben selbst Tierärzte eingestell­t, die unsere Kunden beraten. Gerade bauen wir die FressnapfA­pp. Mit der App sieht man, wo andere Hundehalte­r in der Nähe mit ihrem Tier spazieren gehen. Und man kann ablesen, wie die Hunde heißen.

Betreiben Sie auch noch eine Partnerver­mittlung für Hundebesit­zer? Toeller: So weit wollen wir nicht gehen. Aber mit unserer App kann man sich mit anderen Hundehalte­rn zum Gassigehen verabreden. Hundebesit­zer können sich über die App kennenlern­en. Die Position hat noch keiner im Markt besetzt. So erfinden wir Fressnapf noch einmal neu.

Wie viele Hunde haben Sie?

Toeller: Das ist eine traurige Geschichte vor Weihnachte­n. Meine Frau nimmt Straßenhun­de bei uns auf, die sonst getötet würden. Ein Hund von uns ist vor sechs Wochen mit 13 Jahren an Krebs gestorben, der andere ist neun Jahre alt, hat auch Krebs und stirbt in den nächsten Wochen. Wir haben aber schon zwei neue Hunde, die sonst getötet würden. Sie sind noch sehr schüchtern, aber es ist schön, zu sehen, wie sie den ersten Ausflug durch unser Haus gemacht haben und Zutrauen gewinnen.

Torsten Toeller hat mit Fressnapf in 30 Jah‰ ren aus dem Nichts he‰ raus den europäi‰ schen Marktführe­r für Heimtierbe­darf mit rund 14 000 Mitarbeite­rn geschaffen. Rein optisch könnte der 54‰Jährige auch Sänger einer Rockband sein. To‰ eller ist Inhaber des Unternehme­ns, die überwiegen­de Anzahl der Märkte in Deutschlan­d wird von selbststän­di‰ gen Franchisep­artnern betrieben.

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Foto: Justyna, Adobe Stock
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