„Ich bin ein zäher Hund“
Haustiere Fressnapf-Gründer Torsten Toeller erklärt, wie er es geschafft hat, mit Heimtier-Zubehör 2,5 Milliarden Euro umzusetzen – und warum sich in Corona-Zeiten viele Menschen erstmals eine Katze oder einen Hund anschaffen
Herr Toeller, wie wird man erfolgreich?
Torsten Toeller: Alles fing zu Hause an. Meine Eltern hatten zwei Supermärkte. Ich habe mir dort mein Taschengeld verdient. Ich habe Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten, und ich habe von klein auf mit Freude im Handel gearbeitet, auch wenn diese Tätigkeit früher kaum Wertschätzung erfuhr.
Wie haben Ihre Mitschüler reagiert, als Sie sich nach dem Abitur für eine Lehre im Handel entschieden haben? Toeller: Mitschüler von mir wurden Apotheker oder Banker, ergriffen also Jobs, die anerkannter waren. Ich musste ja auch am Samstag arbeiten, und das bei schlechter Bezahlung. Das verstanden viele nicht.
Wie wurden Sie erfolgreich?
Toeller: Mein damaliger Arbeitgeber beauftragte mich als jungen Mann, in die USA zu fliegen und neue Handelskonzepte zu studieren. Dort habe ich einen Supermarkt für Tiere entdeckt, was mich als Hundefreund fasziniert hat. So etwas gab es in Deutschland noch nicht. Mir war schnell klar, dass auch hierzulande ein solches Ladenkonzept funktioniert. Ich wollte auch so ein Geschäft aufziehen.
Wie reagierte Ihr Chef darauf? Toeller: Er glaubte nicht, dass der Markt groß genug für eine solche Heimtierkette ist, und hielt meine Idee für abwegig. Ich bin eben enthusiastisch, habe Power und kann mich durchsetzen. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich meine Ideen auch umsetzen, ich bin ein zäher Hund und gebe nicht so schnell auf. Ich habe mit 23 Jahren an die Fressnapf-Vision unendlich stark geglaubt. Da war sicher auch jugendlicher Leichtsinn dabei. So habe ich mich selbstständig gemacht.
War aller Anfang auch für Sie schwer? Toeller: Das war ein Knochenjob. Aber ich kannte das von meinen Eltern, die um 6 Uhr morgens schon die Gemüsetheke eingeräumt haben, samstags arbeiten mussten und am Sonntag noch die Bestellungen erledigt haben. Am Anfang wurde ich wegen meiner Fressnapf-Idee belächelt. Viele hielten mich für verrückt.
Auch Ihre Eltern?
Toeller: Meine Eltern standen hinter mir. Für meinen ersten FressnapfLaden haben sie mir 50 000 D-Mark gegeben. Und ich fand einen tollen Banker, der sich traute, mir als 24-Jährigen einen Kredit über 150000 DM zu genehmigen. Das wäre heute schwer. In der ersten
Zeit machte meine Mutter für mich die Buchhaltung. Mein Vater half mir mit den Regalen und hat als gelernter Elektriker für die Elektrik und Beleuchtung gesorgt. Ich war nah an der Ware und den Kunden. Vor allem aber hatte ich Glück.
Dennoch wären Sie beinahe gescheitert. Wie haben Sie die Kurve gekriegt? Toeller: Ich hatte am Anfang Fehler gemacht. Der Name „Fressnapf“war zwar witzig und gut, auch die Verkaufsflächen in einem Gewerbegebiet neben einem Baumarkt passten. Aber mein Marketing- und Warenkonzept war nicht gut. Ich hatte unterschätzt, wie preissensibel die Kunden in Deutschland sind. Und der Laden war nicht bekannt genug. Die Umsätze in den ersten Monaten waren hundsmiserabel. Eigentlich war ich pleite.
Und wie haben Sie den Hals aus der Schlinge gezogen?
Toeller: Dann habe ich meinen gebrauchten 3er-BMW verkauft und die gut 20 000 D-Mark in den Laden gesteckt. Ich habe dann die Preise und das Marketing aggressiver gestaltet. So kamen mehr Leute. Im Laden konnte ich sie durch nette Ansprache, Beratung und die Emotionen für ihre Tiere abholen. Kunden fragten mich nach speziellen Produkten und Marken wie Vitaminen für Hunde. So habe ich das Sortiment verdoppelt. Erfolg stellte sich ein. Nach eineinhalb Jahren konnte ich den zweiten Markt aufmachen, obwohl ich nach einem halben Jahr eigentlich pleite war.
Es wirkt so, als ob sich Menschen in der Corona-Zeit mehr Tiere anschaffen. Spüren Sie das?
Toeller: Es gibt ganz klar einen Trend zu mehr Haustieren. Es schaffen sich aber nicht nur Tierbesitzer einen zusätzlichen Hund oder eine weitere Katze an. Es gibt auch viele Menschen, die sich jetzt zum ersten Mal ein Tier holen.
Warum wollen die Menschen in der Krise mehr Haustiere?
Toeller: Der Trend geht darauf zurück, dass viele mehr von zu Hause aus arbeiten. Und viele Menschen sind auch allein zu Hause. Wer aber mehr Zeit in den eigenen Wänden verbringt, tut sich leichter, ein Tier zu halten. Die Corona-Zeit lässt Mensch und Tier enger zusammenwachsen. Gerade Menschen, die durch die Pandemie vereinsamen, finden eine noch innigere Beziehung zu ihrem Tier. So nehmen Tiere eine enorme gesellschaftliche Funktion in schwierigen Zeiten wahr.
Mit dem angenehmen monetären Nebeneffekt für Fressnapf, dass der Umsatz steigt. Wann knacken Sie die angepeilte Erlös-Marke von 2,5 Milliarden Euro?
Toeller: Unser Geschäft ist generell krisenresistent. Wir mussten keinen Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken. Schon dieses Jahr knacken wir daher die 2,5-Milliarden-Umsatzschwelle. Wir wachsen in den Läden, aber auch online stark. Die Heimtierbranche ist nach wie vor eine Wachstumsbranche, die in den vergangenen Jahren konstant regelmäßig um zwei bis vier Prozent zugelegt hat. Wir wachsen dieses Jahr deutlich über zehn Prozent, während wir 7,5 Prozent geplant hatten. Viele Menschen geben mehr Geld für ihre Tiere aus. Der Trend geht zu gutem, hochwertigem Futter.
Und was sind gerade die heißesten Produkte für Vierbeiner?
Toeller: Die Nachfrage nach Belohnungshäppchen für Katzen und Hunde, aber auch nach Tierspielzeug ist etwa spürbar gestiegen. Aber auch Outdoor-Produkte für Hunde wie längere Leinen sind begehrt. In Pandemie-Zeiten verschönern die Menschen ihr Zuhause. So kaufen sie nicht nur neue Sofas, sondern auch neue Hundebetten oder Katzen-Kratzbäume. Interessant wird auch digitales Hundespielzeug.
Gibt es jetzt auch Computerspiele für Hunde?
Toeller: Nein, hier kann man etwa im Büro sitzen und digital ein Hundespielzeug in der Wohnung steuern und das Ganze mit einer Kamera überwachen. Oder man kann einen Hundesnack durch die Gegend schießen und das Tier läuft hinterher. Mit einer App lässt sich dann auch noch ein Futterapparat aus der Ferne programmieren.
In CoronaZeiten sind Haustiere beliebter.
Die Digitalisierung macht vor nichts Halt. Wie können Sie vom Tier-Boom noch stärker profitieren?
Toeller: Indem wir um unsere Angebote im Laden oder Onlineshop eine Art Öko-System bauen.
Was heißt das konkret?
Toeller: Nur ein Beispiel: Gerade habe ich mit einem Mann gesprochen, der in Deutschland Hutas aufbauen will.
Hutas, was ist das denn?
Toeller: Das sind Hundetagesstätten analog zu Kitas für Kinder. Wir können für unsere Kunden den Kontakt zu solchen Einrichtungen herstellen, also etwa auch zu Dogsittern, die mal auf ihre Hunde aufpassen. Und wir haben selbst Tierärzte eingestellt, die unsere Kunden beraten. Gerade bauen wir die FressnapfApp. Mit der App sieht man, wo andere Hundehalter in der Nähe mit ihrem Tier spazieren gehen. Und man kann ablesen, wie die Hunde heißen.
Betreiben Sie auch noch eine Partnervermittlung für Hundebesitzer? Toeller: So weit wollen wir nicht gehen. Aber mit unserer App kann man sich mit anderen Hundehaltern zum Gassigehen verabreden. Hundebesitzer können sich über die App kennenlernen. Die Position hat noch keiner im Markt besetzt. So erfinden wir Fressnapf noch einmal neu.
Wie viele Hunde haben Sie?
Toeller: Das ist eine traurige Geschichte vor Weihnachten. Meine Frau nimmt Straßenhunde bei uns auf, die sonst getötet würden. Ein Hund von uns ist vor sechs Wochen mit 13 Jahren an Krebs gestorben, der andere ist neun Jahre alt, hat auch Krebs und stirbt in den nächsten Wochen. Wir haben aber schon zwei neue Hunde, die sonst getötet würden. Sie sind noch sehr schüchtern, aber es ist schön, zu sehen, wie sie den ersten Ausflug durch unser Haus gemacht haben und Zutrauen gewinnen.
Torsten Toeller hat mit Fressnapf in 30 Jah ren aus dem Nichts he raus den europäi schen Marktführer für Heimtierbedarf mit rund 14 000 Mitarbeitern geschaffen. Rein optisch könnte der 54Jährige auch Sänger einer Rockband sein. To eller ist Inhaber des Unternehmens, die überwiegende Anzahl der Märkte in Deutschland wird von selbstständi gen Franchisepartnern betrieben.