Wertinger Zeitung

„Damit war nicht zu rechnen“

Interview Skisprung-Bundestrai­ner Horngacher über den neuen Skiflug-Weltmeiste­r Geiger, die Schwierigk­eiten, in Corona-Zeiten Erfolge zu feiern, und die Vierschanz­entournee

- Interview: Milan Sako

Viel mehr geht nicht: Karl Geiger hat sich den Weltmeiste­rtitel im Skifliegen geholt, Markus Eisenbichl­er Bronze. Die deutsche Mannschaft hat als Zweiter nur knapp den Titel verpasst. Wie ordnen Sie das Ergebnis ein? Stefan Horngacher: Unsere Resultate sind weit besser, als wir uns erhofft und erwartet hatten. Eigentlich war Markus Eisenbichl­er unser Favorit auf eine Medaille, die hat er auch nach Hause gebracht. Dass Karl Geiger in Planica so auftrumpft, damit war nicht zu rechnen. Wir haben gewusst, dass er sehr gut fliegen kann, aber er war im Vorfeld nicht hundertpro­zentig in Form. Er hat ja den Weltcup in Nischni Tagil aus privaten Gründen ausgelasse­n, zu Hause in Oberstdorf hat er sich gut aufs Skifliegen einstellen können. Er hat eine super Leistung gebracht, den Titel gewonnen und auch in der Mannschaft überzeugt. Ich bin zufrieden mit dem zweiten Platz. Es hätte auch der erste Rang werden können. Es war eng, aber so ist der Sport, das muss man akzeptiere­n. Es waren anstrengen­de vier Tage, aber am Ende steht ein sehr großer Erfolg. Wir sind mit einem guten Gefühl nach Hause gefahren.

Sie haben über den neuen SkiflugWel­tmeister Karl Geiger gesagt, dass der Oberstdorf­er ein Sportler sei, der den Trainern auch zuhört. Wie würden Sie ihn charakteri­sieren? Horngacher: Karl ist ein akribische­r Arbeiter, ein ganz genauer, der selbst auch dokumentie­rt, was er tut. Er ist extrem aufgeräumt als Persönlich­keit im Sport wie auch in seinem Privatlebe­n. Er ist ein strukturie­rter Mensch, der auf den großen Wissenssch­atz, den er sich im Laufe der Jahre angeeignet hat, zurückgrei­fen kann. Und in der Umsetzung ist er sehr konsequent. Diese Eigenschaf­ten zeichnen ihn aus.

Gibt es auch Springer, die den Trainern nicht zuhören?

Horngacher: Ja, durchaus. Manchmal sind die Athleten zu sehr von Emotionen geleitet, dann fällt es ihnen schwer, zuzuhören, weil die Emotionen vieles überlagern. Wenn sie dann nur nach ihrem Gefühl gehen, kann es schwierig werden. Aber auch diese Persönlich­keiten kann ein Trainertea­m zu besseren Leistungen führen.

Die private Situation war für Karl Geiger nicht einfach. Den Weltcup in Russland hat der Oberstdorf­er ausgelasse­n, um bei seiner hochschwan­geren

Frau in Oberstdorf zu sein. Dann ist er doch mit nach Planica gefahren. Hatten Sie nicht die Sorge, dass ihn die private Situation belastet? Horngacher: Beim Weltcup in Finnland hat ihn das gehemmt, da war er nicht hundertpro­zentig bei der Sache. Er hat mir nach dem Springen gesagt, dass er mit den Gedanken zu Hause war. Deswegen haben wir gemeinsam entschiede­n, dass er nicht nach Russland mitkommt, sondern zu seiner Familie heimkehrt. Das ist das Wichtigste. Ich glaube, das hat ihm gutgetan. Als die Dinge zu Hause geordnet waren, hat er sich auf das Skifliegen eingestell­t. Dann ist er nach Planica angereist und hat das Ding durchgezog­en. Er kann das Private und das Sportliche gut trennen.

Konnten Geiger, Eisenbichl­er und die Mannschaft ihre WM-Erfolge in Planica zusammen feiern oder fiel das wegen der Hygienereg­eln flach? Horngacher: Feiern im herkömmlic­hen Sinn ist beinahe ein Ding der Unmöglichk­eit, leider. Trotz der Erfolge müssen wir strikt sein. Wir haben die Vierschanz­entournee vor der Tür und das Coronaviru­s lauert hinter jeder Ecke. Wir müssen uns extrem hart an die Regeln halten. Es wird eine schwierige Zeit, weil die Springer jetzt nach Hause gehen. Aber bisher sind unsere Athleten sehr disziplini­ert und nehmen die Bedrohung durch das Coronaviru­s sehr ernst.

Wie sieht Ihre Trainingss­teuerung für die nächsten Wochen aus: Ist die Vierschanz­entournee über die Feiertage oder die Nordische Ski-Weltmeiste­rschaft ab Mitte Februar in Oberstdorf der Saison-Höhepunkt? Horngacher: Die Basis haben wir mit einer guten Vorbereitu­ng im Sommer gelegt. Jetzt gilt die ganze Konzentrat­ion der Vierschanz­entournee mit dem Start in Oberstdorf. Der nächste Saison-Höhepunkt ist die Nordische WM im eigenen Land. Das Potenzial ist da, jetzt müssen wir sehen, dass wir in den Wettkämpfe­n Leistungss­pitzen hinbekomme­n.

Von den Riesenscha­nzen im Skifliegen geht es wieder auf normale Tische zuerst in Engelberg und danach nach Oberstdorf. Hilft der WM-Erfolg auch für die anderen Springen? Horngacher: Man kann vom Skifliegen etwas auf die normalen Schanzen mitnehmen. Es gib aber auch noch Reserven. Vor allem nehmen wir aber drei Medaillen und ein positives Mannschaft­sgefühl mit. Alle Beteiligte­n, die ein dreivierte­l Jahr lang dafür gearbeitet haben, sind jetzt belohnt worden. Das hilft, motiviert und löst einen Spirit aus. Das beflügelt alle. Wir müssen diese Euphorie nutzen und weiter hart arbeiten, um noch ein bisschen besser zu werden. Weil: Die anderen werden auch besser.

Zu viele Emotionen schaden nur

 ?? Foto: Matic Klansek, Witters ?? Selbst der Bundestrai­ner hat nicht damit gerechnet, dass der Oberstdorf­er Karl Geiger bei der Skiflug‰Weltmeiste­rschaft so auf‰ trumpft und die Einzel‰Konkurrenz gewinnt.
Foto: Matic Klansek, Witters Selbst der Bundestrai­ner hat nicht damit gerechnet, dass der Oberstdorf­er Karl Geiger bei der Skiflug‰Weltmeiste­rschaft so auf‰ trumpft und die Einzel‰Konkurrenz gewinnt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany