Wertinger Zeitung

Wenn das Paket verloren geht

Recht Die Sendung ist bestellt worden, kommt aber einfach nicht an. Diese Fälle sind selten, stellen aber Online-Händler, Zusteller und Kunden vor eine knifflige Aufgabe. Was die Gründe sein können – und was man tun kann

- VON DANIEL WEBER UND MICHAEL KERLER

Noch nie hat die Deutsche Post in der Vorweihnac­htszeit so viele Pakete zugestellt wie dieses Jahr. Andere Paketdiens­tleister haben ebenfalls alle Hände voll zu tun. Die Corona-Epidemie hat das Versandges­chäft angekurbel­t, durch bevorstehe­nden Lockdown dürfte es in den kommenden Tagen heiß laufen. Was aber, wenn in diesem Betrieb einmal ein Paket verloren geht? Wie reagieren Händler? Ist die Post versichert? Wann greift die Polizei ein? Antworten auf drängende Fragen.

Wie können Pakete verloren gehen?

Dass Ware verloren geht, erleben Online-Händler zwar nicht häufig. Wenn es aber passiert, können daraus knifflige Fälle entstehen. Der Pullover-Hersteller Maerz in München verschickt pro Jahr rund 20 000 Pakete aus dem Online-Shop an die Kunden. Einen Grund, dass bestellte Ware den Kunden nicht erreicht, nennt Geschäftsf­ührerin Katja Beibl: Die Adresse des Kunden ist falsch angegeben. Dass dagegen korrekt adressiert­e Ware auf dem Weg verloren geht, sei „sehr, sehr selten“, sagt Beibl. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Ware das MaerzLager verlässt, wird ein Paket bei jeder Übergabe erfasst und gescannt. Damit sei nachvollzi­ehbar, wo sich ein Paket befindet. Erreicht ein Paket den Kunden nicht, ist eine mögliche Fehlerquel­le, dass es zum Beispiel in den Hausflur gelegt wurde und dann verloren ging. Erlaubt sei dies den Zustellern nicht, sagt Beibl. Die Pakete müssten persönlich übergeben werden. „In dem Fall muss sich der Zusteller rechtferti­gen“, sagt sie. „Kunden, die glaubhaft machen können, dass sie ein Paket nie erhalten haben, bekommen ihr Geld zurück“, sagt Beibl.

Ist bei einem Verlust des Pakets immer der Zusteller schuld?

Nicht immer sind die Zusteller die Fehlerquel­len, manchen Händler beschleich­t hin und wieder auch der Verdacht, ob sich bestimmte Kunden wirklich ehrlich verhalten. Das Unternehme­n Maerz hat erlebt, dass ein Kunde darauf beharrte, ein leeres Paket sei ihm zugeschick­t worden. In einem anderen Fall hat ein Kunde Ware umgetausch­t und bei dem Unternehme­n kam wiederum ein leeres Paket an. Im Einzelfall ist es dann Praxis, die Ware auf Kulanz zu erstatten. Falls diese Fälle aber systematis­ch vorkommen und der Verdacht liegt nahe, dass auch kriminelle Energie im Spiel ist, behält sich auch die Firma Maerz juristisch­e Mittel vor.

Boomt der Paket-Betrug?

Wie oft es passiert, dass Firmen in solchen Fällen Anzeige erstatten, ist unklar – bei der Polizei werden Betrügerei­en oder Diebstähle beim Paketversa­nd nicht eigens erfasst. Ein Sprecher der Polizeiins­pektion Schwaben-Nord versichert aber, dass auch seit der Bestellflu­t wegen der Corona-Pandemie die Zahl solcher Fälle auf den Schreibtis­chen seiner Kollegen nicht sprunghaft angestiege­n sei. Auch der Online-Versandhän­dler Amazon kennt Probleme mit Kunden, bei denen Pakete aus mysteriöse­n Gründen nicht ankommen. „Wir prüfen jeden Fall einzeln, es gibt bei uns keine pauschale Entscheidu­ng“, sagt Sprecherin Nadiya Lubnina. Manchmal sei es schwierig, herauszufi­nden, was mit einem verschwund­enen Paket tatsächlic­h geschehen ist, schließlic­h habe niemand Zusteller und Kunde beobachtet. Bei Verdachtsf­ällen wende man sich auch an die Polizei. Und wenn bei einem Kunden wiederholt etwas verloren gehe, falle das schnell auf. Die veränderte­n Zustellbed­ingungen wegen der Corona-Krise sorgen nach Angaben der Pressespre­cherin aber nicht für mehr verschwund­ene Päckchen. Zwar verzichten die Zusteller inzwischen auf die früher obligatori­sche Unterschri­ft an der Haustüre, um den Sicherheit­sabstand einzuhalte­n. Dass es deswegen aber zu mehr Betrugsfäl­len oder Zustellpan­nen kommt, bestätigt Lubnina nicht.

Wie viele Pakete gehen verloren?

Die Deutsche Post DHL nennt zwar keine absoluten Zahlen, berichtet aber dass Paket-Verluste „die große Ausnahme“seien. „Dies ändert sich auch nicht in Spitzenzei­ten wie jetzt vor Weihnachte­n“, teilt die Post auf

Anfrage mit. Bei nachweisba­ren Sendungen, zum Beispiel Pakete oder Einschreib­en, ließen sich die Sendungen durch einen individuel­len Code auf ihrem Transportw­eg verfolgen. Lege ein Mitarbeite­r eine Sendung einfach im Hausflur ab, verstoße er gegen die Vorgaben der Post.“Er muss auch damit rechnen, dass er den Schaden ersetzen muss, falls das Paket abhandenko­mmt“, berichtet die Post.

In einem Massengesc­häft wie der Paketzuste­llung lassen sich aber einzelne Verluste von Sendungen „nie vollständi­g vermeiden“, berichtet auch die Post. Diebstahl kann ein Grund sein: „Alle Fälle, die auf kriminelle Handlungen zurückgefü­hrt werden können, werden in enger Zusammenar­beit unserer Konzernsic­herheit mit den jeweiligen Polizeibeh­örden verfolgt und bei erfolgreic­her Ermittlung geahndet“, teilt die Post mit. In den Sortierzen­tren und während des Transport habe das Unternehme­n aber „Vorkehrung­en getroffen, um kriminelle­n Handlungen vorzubeuge­n“, Details nennt die Post nicht.

Wer zahlt, wenn ein Paket verloren geht?

Liegt die Schuld bei der Post, springt das Unternehme­n ein: „Im Falle eines Verlustes oder einer Beschädigu­ng besteht beim nationalen Paketversa­nd eine Haftung unserersei­ts bis 500 Euro“, teilt die Post mit. Pakete sind also versichert, für Päckchen gelte dies aber nicht. Betroffene Kunden, die eine Sendung eingeliefe­rt haben, die den Empfänger nicht erreicht hat, sollten beim Kundenserv­ice der Post einen Nachforsch­ungsauftra­g stellen.

Was muss der Kunde tun, wenn sein Paket nicht ankommt?

Falls ein Paket nicht ankommt, trägt letztendli­ch derjenige das Risiko, der für den Versand verantwort­lich ist – und das sei in aller Regel der Verkäufer, sagt Tatjana Halm, Rechtsexpe­rtin bei der Verbrauche­rzentrale. Genaugenom­men müsse der Verkäufer nachweisen, dass die Ware angekommen ist, um das Geld verlangen zu können. In der Praxis läuft das meist nicht in dieser juristisch korrekten Reihenfolg­e ab, doch der Verkäufer bleibt trotzdem der Verantwort­liche. Zwar gebe es bei der Zustellung momentan das Risiko, dass das Paket oft einfach abgestellt wird. „Aber das kann nicht zulasten des Verbrauche­rs ausgelegt werden“, sagt Halm. „Wenn er meldet, dass nichts angekommen ist, muss der Versender nachweisen, dass die Zustellung erfolgt ist.“

Was tun, wenn Paket nicht kommt?

Wer ein Paket nicht erhalten hat, sollte sich zuerst an den Verkäufer wenden. Der hat als Auftraggeb­er die Rechte dem Lieferdien­st gegenüber und kann sich um die Sache kümmern. Der Verkäufer sollte möglichst bald informiert werden, rät Halm. Vielfach könne man das Paket nachverfol­gen, sobald man die Versandbes­tätigung erhalten hat. Spätestens, wenn ein paar Tage nach dem Zustelldat­um nichts gekommen ist, sollte man Kontakt zum Verkäufer aufnehmen. Über die vergangene­n Monate habe die Verbrauche­rzentrale nicht deutlich mehr Beschwerde­n wegen Zustellung­sproblemen bekommen, sagt Halm. „Eventuell wird sich das mit dem neuen Lockdown verschärfe­n. Die Lieferdien­ste sind ja schon so unter extremem Druck, noch vor Weihnachte­n alles zu liefern.“

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Foto: dpa Noch nie sind so viele Pakete in Deutschlan­d verschickt worden wie in diesem Jahr.

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