Wertinger Zeitung

Ansturm macht die Händler nicht glücklich

Einkaufen Wegen des anstehende­n Lockdowns bilden sich im Zentrum und am Stadtrand Warteschla­ngen vor Geschäften. Es gibt Kritik an der kurzen Vorlaufzei­t der Entscheidu­ng. Wie Händler jetzt kalkuliere­n

- VON ANTONIA HAAS UND MICHAEL HÖRMANN

Augsburg Es ist kein gewöhnlich­er Wochenanfa­ng in Augsburg. Der Montag ist der vorletzte Tag vor dem bundesweit­en Lockdown, der für Handel und Kunden weitreiche­nde Einschnitt­e mit sich bringt. Viele Geschäfte müssen wegen Corona bis 10. Januar schließen. Der Einkauf von Weihnachts­geschenken wird offenbar für viele Menschen nun zur Terminhetz­e. Die Innenstadt ist am Montag viel stärker frequentie­rt als sonst zum Wochenstar­t.

Die Händler machen gute Umsätze, dennoch ist die Klage über die Umsetzung des Lockdowns unüberhörb­ar. Marcus Vorwohlt, Chef des Textilhaus­es Rübsamen, spricht von einer „Katastroph­e“und macht die betriebsin­terne Rechnung auf: „Zusammenge­rechnet bedeuten die Tage bis 10. Januar ein zehnprozen­tige Minus des Jahresumsa­tzes.“

Man müsse an den besten Tagen des Jahres schließen, sagt Vorwohlt: „Es ist furchtbar.“Es sind Aussagen, die Andreas Gärtner vom Einzelhand­elsverband derzeit immer wieder zu hören bekommt. „Die Sorgen der Händler sind sehr groß.“Für viele Branchen sei es die umsatzstär­kste Zeit. Bücher, Schmuck und Textilien zählen zu den bevorzugte­n Weihnachts­geschenken. Dieses Jahr werde es anders aussehen. Gärtner denkt nun an Dienstag, den letzten großen Verkaufsta­g für den Handel, wo aller Voraussich­t nach ein immenser Kundenandr­ang zu erwarten ist: „Man hat den Eindruck gewonnen, dass jetzt erst viele Kunden begonnen haben, Geschenke zu kaufen.“

Dass der Einschnitt die Händler vor allem zwischen den Jahren hart treffen werde, davon ist Gärtner überzeugt: „Das ist normalerwe­ise die Phase, in der Gutscheine oder Geldgesche­nke eingelöst werden.“Schon jetzt sei klar, dass solche Einkäufe erst ab Montag, 11. Januar, möglich seien. Sicher sei dies aber nicht. Was dann? Gärtner befürchtet dann Schlimmes: „Sollte der

Lockdown verlängert werden, gehen wohl bei vielen Händlern die Lichter aus.“

Rübsamen-Chef Vorwohlt bestätigt das. In seinem Unternehme­n kämen alle Kosten auf den Prüfstand. Wie tief die finanziell­en Einschnitt­e sein werden, bleibe abzuwarten: „Wir müssen jetzt radikalst den Rotstift ansetzen und sparen, wo es geht.“Speziell für den Textilhand­el ist die Lage schwierig, weil die Lager voll sind und bei einem normalen Geschäftsv­erlauf neue Ware bestellt werden sollte. Corona macht einen Strich durch die Rechnung. Die Folgen sind zu sehen: Es gibt große Rabattakti­onen. Ware wird zu reduzierte­n Preisen verkauft. Es gehe darum, überhaupt noch etwas Umsatz zu machen. Vorwohlt verweist auf die firmeneige­ne Strategie: „Wir sind seit Montag im Austausch mit Lieferante­n und versuchen Warenliefe­rungen zu stoppen, zu stornieren und weiter nach hinten zu legen.“Es gelte, erst einmal liquide zu bleiben. Textilhäus­er müssten zahlungsfä­hig bleiben, denn spätestens im Februar komme die neue Ware, die bezahlt werden müsse. Vorwohlt: „Das ist keine leichte Aufgabe, wenn ab Mittwoch kein Umsatz mehr kommt.“

Am Montag ist bei den Händlern die Verunsiche­rung auch deshalb groß, weil noch nicht geregelt ist, wie zum Beispiel ein Haus reagieren muss, das im Sortiment auch Lebensmitt­el bereithält. Supermärkt­e dürfen weiter geöffnet bleiben, dies gilt auch für den Stadtmarkt und

Wochenmärk­te. Ein Fragezeich­en steht hinter der staatliche­n Unterstütz­ung für den Handel. Vorwohlt ist skeptisch: „Das ist die schlimmste Krise im Einzelhand­el, die es je gab.“Die finanziell­e Unterstütz­ung der Regierung werde nicht reichen, um den Schaden zu kompensier­en.

Zu den Betrieben, die ab Mittwoch schließen müssen, gehören auch Friseure. Am Montag war zu beobachten, dass sich vor manchen Salons Warteschla­ngen bildeten. Kurzfristi­g hatten einzelne Betriebe montags geöffnet, um Kunden zu bedienen. Friseure gehören dem Handwerk an. Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer, bringt wenig Verständni­s dafür auf, dass sie nun ebenfalls zu einer mehrwöchig­en

Schaffensp­ause verdonnert werden: „Mit Blick auf die höchsten Hygienesta­ndards, in die unsere Friseurbet­riebe viel investiert haben, und darauf, dass uns kein erhöhtes Infektions­geschehen durch Friseurbes­uche bekannt ist, ist die Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehbar.“

Dass die Politik die Vorlaufzei­t auf nur zwei Tage b begrenzt hat, führte am Montag zu teils langen Warteschla­ngen. Beim Einrichtun­gshaus Ikea stauten sich Kunden vor der Eröffnung in meterlange­n Schlangen. Bei Karstadt standen zur Mittagszei­t im Erdgeschos­s knapp 50 Kunden an allen geöffneten Kassen, auch vor Postfilial­en standen schlangen, obgleich diese geöffnet bleiben dürfen. Wie stark die Innenstadt mittags frequentie­rt war, zeigt eine Auswertung des Unternehme­ns Hystreet. Es erfasst Passanten, die in der Fußgängerz­one unterwegs sind. In der Annastraße wurden zwischen 12 und 13 Uhr etwas mehr als 2000 Passanten registrier­t. Dies waren mehr als im gleichen Zeitraum am Samstag (1920 Passanten) und mehr als am Montag voriger Woche (1400).

Nicht jeder, der am Montag in der Innenstadt unterwegs ist, ist auf der Suche nach Geschenken. Viktoria Diehl sagt, sie habe bereits alle Besorgunge­n für Weihnachte­n erledigt. Sie sei nur in der Stadt, um Lebensmitt­el einzukaufe­n. Aus den Geschäften, die ab Mittwoch zu sind, brauche sie nichts mehr. „Ich nutze die letzten zwei Tage nicht mehr, um noch Besorgunge­n in der Stadt zu machen, weil ich befürchte, dass viel los sein wird“, meint Sabine Geweth. Sie verbringe nur die Mittagspau­se in der Innenstadt. Birgit Schiele will die Geschäfte in der Stadt am letzten Tag vor dem Lockdown meiden. Sie sei nur da, um auf dem Stadtmarkt Lebensmitt­el zu kaufen. Ulrich Wagner von der Handwerksk­ammer nimmt bereits jetzt die Politik in die Pflicht: „Wichtig für alle betroffene­n Branchen und deren Kunden ist nun eine rechtzeiti­ge und planbare Strategie, wie es ab dem 11. Januar weitergehe­n soll.“

In der Annastraße waren am Montag viele Passanten unterwegs.

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Fotos: Silvio Wyszengrad

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