Wertinger Zeitung

Maschinen für das russische Militär?

Firmenchef werden verbotene Lieferunge­n vorgeworfe­n

- VON JAN KANDZORA

Augsburg Alexander S. hat kein Leben geführt, das groß für Öffentlich­keit gesorgt hätte; wer über den Mann online etwas finden will, stößt auf nicht viel. Auch seine Firma, ein Augsburger Betrieb, ist in der Stadt kein bekannter Name. Laut Handelsreg­ister für den „Import und Export von Werkzeugen und Maschinen“gegründet, hatte das Unternehme­n eine überschaub­are Größe, dem jüngsten Jahresabsc­hluss zufolge beschäftig­te der Unternehme­r keine Mitarbeite­r. Aufsehen erregt allerdings ein Prozess, in dem der 41-jährige Geschäftsm­ann der Hauptangek­lagte ist. Er läuft seit Montag in Hamburg vor dem Staatsschu­tzsenat des Hanseatisc­hen Oberlandes­gerichts. Der Vorwurf: Der Augsburger Geschäftsm­ann soll zwischen 2015 und 2018 insgesamt 15 Werkzeugma­schinen zum Gesamtprei­s von knapp acht Millionen Euro an zwei russische Firmen in Jekaterinb­urg verkauft und geliefert zu haben. Die Maschinen hätten bei der Herstellun­g von Raketentec­hnologie eingesetzt werden können und sollen letztlich für einen Rüstungsko­nzern bestimmt gewesen sein, so lauten die Vorwürfe.

Es ist ein ungewöhnli­ches Verfahren; Anklagen dieser Art gibt es in Deutschlan­d nicht gerade viele. Ungewöhnli­ch ist der Prozess auch aufgrund der Begleitums­tände. Hintergrun­d der Anklage sind EU-Sanktionen von 2014, die nach der Annexion der Halbinsel Krim verhängt worden waren.

Seither ist der Export von Maschinen nach Russland, die in der Rüstungsin­dustrie eingesetzt werden können, verboten. Die Bundesanwa­ltschaft, die das Verfahren führt, hat laut Anklage offenbar Erkenntnis­se über die Mitwirkung eines russischen Geheimdien­stes. Demnach soll Alexander S. seit 2014 damit gerechnet haben, dass die Werkzeugma­schinen, die er nach Russland lieferte, für militärisc­he Zwecke genutzt werden sollten. Auch soll er offenbar geahnt haben, dass ein russischer Geheimdien­st involviert war.

Ein 40 Jahre alter Mitangekla­gter soll als Außendiens­tmitarbeit­er einer deutschen Firma in Russland die illegalen Geschäfte als Berater unterstütz­t und rund 270.000 Euro an Provisione­n bekommen haben. Er sitzt nicht im Gefängnis; er bekam kurz nach seiner Festnahme am 2. Juni in München Haftversch­onung.

Die Angeklagte­n äußerten sich laut der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht zu den Vorwürfen. In einer Erklärung warf einer der drei Anwälte des Augsburger Unternehme­rs der Bundesanwa­ltschaft aber vor, einseitig ermittelt zu haben. Entlastend­e E-Mails und Protokolle der Telefonübe­rwachung seien nicht berücksich­tigt worden. Der Prozess findet vor dem Hanseatisc­hen Oberlandes­gericht statt, weil die Lieferunge­n zum Teil über das Zollamt Lübeck-Hafen abgewickel­t worden sein sollen. Laut Anklage ging es um spezielle Metallbear­beitungsma­schinen. Alexander S. soll das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle getäuscht und einen „zivilen Endverwert­ungszweck“vorgespieg­elt haben, so die Anklage.

Dass der Geschäftsm­ann grundsätzl­ich Werkzeugma­schinen nach Russland lieferte, lässt sich über ein Online-Register nachvollzi­ehen. So findet sich ein Eintrag von 2019, in dem es um eine Lieferung der Firma nach Russland über Tschechien geht: schweres Gerät, demnach aber offiziell kein Militärpro­dukt. Wussten die Angeklagte­n, ob aus den Lieferunge­n Raketen gebaut werden sollten?

Davon dürfte in dem Prozess viel abhängen. Der 41-Jährige sitzt seit Februar in Untersuchu­ngshaft, zuvor lebte er nach Informatio­nen unserer Zeitung in Pfersee.

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