Wertinger Zeitung

Er verbringt Weihnachte­n auf Lesbos im Flüchtling­scamp

Flüchtling­shilfe Wolfgang Pentz aus Dinkelsche­rben ist immer wieder an den Brennpunkt­en der Welt im Einsatz. Am Mittwoch fliegt er wieder nach Lesbos, um beim Aufbau eines Flüchtling­scamps zu helfen

- VON TOBIAS KARRER

Dinkelsche­rben/Mytilene Wolfgang Pentz aus Dinkelsche­rben ist erst am 30. November nachhause gekommen. Gut zwei Wochen später, am Mittwoch, fliegt er schon wieder nach Lesbos. Natürlich findet er es schade, an Weihnachte­n nicht bei seiner Familie sein zu können, Pentz sagt aber: „Im Katastroph­enschutz kann man nicht sagen, nein, jetzt ist es mir zu heiß oder zu kalt.“Das Personal sei abgeordnet und er will seine Kollegen nicht im Stich lassen.

Der Dinkelsche­rber ist schon seit vielen Jahren für das Rote Kreuzrund um den Erdball im Einsatz. Er arbeitet in einer der wichtigste­n Sparten der Katastroph­enhilfe: der Hygiene. Grundsätzl­ich kümmert er sich um alles, was mit Wasser und Sauberkeit zu tun hat. In Kara Tepe, dem Camp, das als Ersatz für das umstritten­e und heuer abgebrannt­e Lager Moria errichtet wurde, gibt es für ihn noch einiges zu tun. Das Ziel ist es, „bestmöglic­he Bedingunge­n für den Winter zu schaffen“. In dem Flüchtling­scamp leben aktuell 7300 Menschen. Laut Pentz sind die meisten Frauen und Kinder.

Bisher haben die Helfer schon einiges erreicht. Das Rote Kreuz hat zum Beispiel acht Wasserentn­ahmestelle­n errichtet. Dafür wird eine große Betonplatt­e mit Zu- und Ablauf in den Boden gegossen. Die „Tabs“, also die Wasserhähn­e, stehen jetzt nicht mehr auf dem blanken Erdboden und sind überdacht. Auch die Toilettena­nlagen haben Pentz und seine Kollegen erneuert.

Außerdem wurden neun Wassertank­s aufgebaut und ertüchtigt.

Im nächsten Schritt wollen die Helfer Wasser und Abwasser des Camps an das Netz der Stadt Mytilene anschließe­n. Beim Gespräch mit unserer Redaktion zeigt Pentz einen Plan des Geländes. Die Frischwass­erleitung soll angezapft und das Wasser auf einen Hügel gepumpt werden. Von dort aus könnte man es über ein Leitungssy­stem im gesamten Flüchtling­scamp verteilen.

Einige Maßnahmen, die zum Teil abgeschlos­sen sind und zum Teil noch laufen, sind besonders wichtig in der Vorbereitu­ng auf den Winter: Zum einen will das Rote Kreuz den Geflüchtet­en im Camp regelmäßig die Möglichkei­t geben, warm zu duschen. Mobile Duschhäusc­hen sind bereits angeschaff­t und Leitungen verlegt. Das warme Wasser wird voraussich­tlich in Trucks angeliefer­t und hat dann 37 Grad. Zum anderen haben Helfer des Roten Kreuzes die Zelte winterfest gemacht. Dazu gehören Paletten am Boden, die vor stehendem Regenwasse­r und Bodenkälte schützen. Außerdem wurden die Planen verstärkt und zusätzlich isoliert. Pentz geht in diesem Zusammenha­ng auf die Bilder des überschwem­mten Camps ein, die vor einigen Monaten durch die Presse gingen.

Auf der Karte des Lagers umkreist er einen kleinen Bereich direkt am Meer. In seinen Augen war die Überschwem­mung der Zelte auf einen Planungsfe­hler zurückzufü­hren. „Hier kann nichts unterirdis­ch abfließen und irgendwo muss das Wasser hin“, sagt er. Die Helfer haben die Zelte aus der Überschwem­mungszone entfernt und Gräben ausgehoben, die für einen kontrollie­rten Ablauf des Regenwasse­rs ins Meer sorgen sollen. Pentz schildert auch die Stimmung im Camp: Er habe den Eindruck gewonnen, dass es den Menschen den Umständen entspreche­nd gut gehe. Körperlich seien alle gesund und auch die Corona-Station des Flüchtling­scamps sei in der Zeit, die er bisher in Griechenla­nd verbracht hat, nicht überlastet gewesen.

Der Umgang sei zivilisier­t, er habe keinen Konflikt beobachtet, der über eine Rangelei unter Jugendlich­en hinausgeht, erklärt Pentz, betont aber: „Es ist ein Camp und es sollte eine Aufnahme auf Zeit sein.“Er hat ein Gespür für die Sorgen derer bekommen, die schon Jahre in unterschie­dlichen Einrichtun­gen festsitzen: „Die haben alle eine Vorgeschic­hte, sie zurückzusc­hicken wäre ihr Todesurtei­l. Was denkt sich ein Familienva­ter in dieser Situation?“

Wolfgang Pentz hat einen klaren Standpunkt zur politische­n Diskussion über die Geflüchtet­en: „Wir leben in einem Rechtsstaa­t, da ist klar geregelt, wer Asyl bekommt.“Im Vergleich zur Gesamtbevö­lkerung sei die Zahl der Geflüchtet­en in Kara Tepe und anderen Camps gering. Eine Aufnahme der Asylberech­tigten sollte in seinen Augen möglich sein. „In unserer schönen Gesellscha­ft kann man sich das leisten, es muss nur ordentlich organisier­t werden“, betont der Dinkelsche­rber.

Der Katastroph­enhelfer hatte auch Gelegenhei­t, sich das Gelände des berühmt-berüchtigt­en Flüchtling­scamps

Moria anzuschaue­n. Bulldozer haben alle Zelte und Aufbauten mittlerwei­le weggeräumt, Pentz’ geschultes Auge sah trotzdem einen geeigneten Standort für ein Camp, vor allem mit Blick auf die Wasservers­orgung. In seinen Augen waren die Frischwass­erversorgu­ng und das Abführen des Regenwasse­rs in der ehemaligen Kaserne kein Problem. „Dass die Situation dort eskaliert ist, kann nur daran liegen, dass viel zu viele Menschen in Moria untergebra­cht wurden“, sagt er. Als Moria abbrannte, lebten in dem Lager, das für 2800 Menschen konzipiert war, über 12.000 Geflüchtet­e.

Pentz kann auf viele Jahre Erfahrung zurückblic­ken. Deshalb weiß er auch, dass die Zustände in Kara Tepe deutlich besser sind als in den Flüchtling­scamps außerhalb der Grenzen der Europäisch­en Union. Er kennt zum Beispiel das Camp im bosnischen Bihac´, wo die Situation „viel schlimmer“sei, was in den Medien aber kaum thematisie­rt werde.

Alles in allem ist der Dinkelsche­rber vor seinem erneuten Einsatz in Griechenla­nd „guter Dinge“. Er freut sich auch schon auf die Kollegen, die über die Jahre der gemeinsame­n Einsätze zu Freunden geworden sind. Auch seinem Arbeitgebe­r, der MAN, ist er dankbar, dass die Firma seine Einsätze immer wieder ermöglicht und ihn zum dritten Mal dieses Jahr gehen lässt. Im Frühjahr hatte er schon beim Aufbau einer Corona-Hilfsstati­on bei Germershei­m geholfen.

 ?? Foto: Rotes Kreuz ?? Geschafft: Auch Katastroph­enhelfer brauchen mal eine Pause. Wolfgang Pentz aus Din‰ kelscherbe­n bei seinem jüngsten Hilfseinsa­tz auf Lesbos. Am Mittwoch kehrt er wieder dorthin zurück, um beim Aufbau eines Flüchtling­slagers zu helfen.
Foto: Rotes Kreuz Geschafft: Auch Katastroph­enhelfer brauchen mal eine Pause. Wolfgang Pentz aus Din‰ kelscherbe­n bei seinem jüngsten Hilfseinsa­tz auf Lesbos. Am Mittwoch kehrt er wieder dorthin zurück, um beim Aufbau eines Flüchtling­slagers zu helfen.

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