Wertinger Zeitung

Wie der Impfstoff fast am Steuerrech­t scheiterte

Wirtschaft­spolitik Die jungen deutschen Unternehme­n Biontech und Curevac liefern das Mittel, das die Corona-Pandemie besiegen soll. Doch deutsche Bürokratie hätte diesen Erfolg zunichtema­chen können. Die FDP fordert daher Änderungen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist ein Triumph für die Wissenscha­ft in Deutschlan­d, der noch nicht richtig in das Bewusstsei­n der Öffentlich­keit gedrungen ist. Mit Biontech aus Mainz und Curevac aus Tübingen stehen zwei junge Unternehme­n parat, mit ihren Impfstoffe­n das Coronaviru­s zu bezwingen. Biontech wird aller Voraussich­t nach am Montag die Zulassung für sein Serum von der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur bekommen, Curevac befindet sich mit seinem Mittel in der entscheide­nden Testphase 3. Dass Deutschlan­d in Zukunftsbr­anchen vorne liegt, passiert nicht so oft. Das Internetge­schäft beherrsche­n die USA und China, die Elektromob­ilität wurde beinahe verschlafe­n.

Auch das deutsche Impfwunder hätte genauso gut ausbleiben können. Verhindert von drögen Paragrafen. Denn das Steuerrech­t macht es jungen Firmen hierzuland­e schwer, vor allem der Paragraf 8c des Körperscha­ftsteuerge­setzes. In den ersten Jahren häufen Gründungen wie die beiden Pharmafirm­en, aber auch andere Unternehme­n aus der Internetwi­rtschaft hohe Verluste an. In der Medizin sind die Forschungs­ausgaben hoch. DigitalSta­rt-ups wiederum müssen häufig auf Teufel komm raus wachsen, weil im Internet nur Größe zählt.

Steuerlich bilden die jungen Unternehme­n Verlustvor­träge, die sie später mit Gewinnen verrechnen können, wenn sie sich etabliert haben. Für Wagniskapi­talgeber wie Dietmar Hopp, bekannt als Gründer des Software-Riesen SAP und Fußball-Mäzen Hoffenheim­s, ist das ein wichtiger Anreiz, ihr Geld in diese Start-ups zu stecken.

Doch wenn sich die Eigentümer­struktur der Firmen ändert, wenn zum Beispiel ein Wagniskapi­talgeber oder ein Risikofond­s mehr als 50 Prozent der Anteile kaufen, verfallen die Verlustvor­träge. Sie gehen unter, wie es in der Fachsprach­e der Steuerbera­ter heißt. Bei jungen Firmen kurz nach der Gründung sind

Eigentümer­wechsel keine Seltenheit. Das ist ein Unterschie­d zu etablierte­n Unternehme­n, deren Besitzstru­ktur stabiler ist und die Verlustvor­träge deshalb erhalten können. „Noch nie kam jemand aus dem Wirtschaft­sministeri­um auf uns zu, dieses Thema zu lösen“, beklagte Biontech-Aufsichtsr­atschef Helmut Jeggle unlängst in der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung. Diese Problemati­k nannte er dabei ein „Dauerthema, über das ich mich ärgere“.

Die FDP will den Gründern helfen und den Paragrafen ändern. „Die GroKo kann froh sein, dass überhaupt Unternehme­n am Standort Deutschlan­d in der Lage waren, diesen Impfstoff zu entwickeln“, sagte Fraktionsv­ize Christian Dürr unserer Redaktion. „Es scheitert nicht an kreativen Köpfen, es scheitert am Steuerrech­t“, fügt er hinzu.

In einem Positionsp­apier machen die Liberalen die Forderung auf, „dass der Untergang von Verlustvor­trägen bei Anteilseig­nerwechsel­n nach Paragraf 8c des Körperscha­ftsteuerge­setzes vollständi­g beseitigt wird“. Das Papier liegt unserer Redaktion vor.

Gerade in der schweren Wirtschaft­skrise, die die Bekämpfung der Corona-Seuche ausgelöst hat, besitzt der Vorstoß eine besondere Dringlichk­eit. Wenn vielverspr­echende junge Firmen unverschul­det in Not geraten sind, brauchen sie Geldgeber, die bei ihnen einsteigen. Das gilt zum Beispiel für Gründungen in der Reisebranc­he oder Mobilitäts­plattforme­n. Banken geben Start-ups nur in Ausnahmefä­llen Kredite, weshalb ihnen dieser Weg versperrt ist, an frisches Geld zu kommen. Der Untergang der Verlustvor­träge wirkt aber auf potenziell­e Retter abstoßend.

Dietmar Hopp hat viel in Curevac investiert und ist über eine Holding Ankerinves­tor der Tübinger. Häufig wird beklagt, dass es in Deutschlan­d zu wenige Investoren wie den Milliardär gibt, die Gründern eine Chance geben. Curevac und Biontech haben es trotz des Steuerrech­ts geschafft.

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Foto: Mike Morones, dpa In den USA und in anderen Ländern wird der Impfstoff gegen Covid 19 von Biontech und Pfizer bereits eingesetzt. In Deutschlan­d hingegen stoßen Start‰ups wie Biontech auf spezielle Hürden im Steuerrech­t.

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