Wertinger Zeitung

Silvester wird eine stille Nacht

Böllerverb­ot Das Feuerwerk ist vorproduzi­ert, zum Teil schon ausgeliefe­rt. Doch zünden dürfen es die Menschen dieses Jahr nicht. Die Pyro-Branche in Deutschlan­d fürchtet den ganz großen Knall – das Ende ihrer Existenz

- VON VERA KRAFT

Gersthofen/Eitorf Ein Sternenwir­bel hebt zischend ab, daneben explodiert eine Feuerwerks­batterie namens Kometen-Finale mit lauten Schüssen. Der Himmel ist erst bunt erleuchtet, dann grau vernebelt. So war es in den vergangene­n Jahren. Dieses Jahr wird es still bleiben: Am 13. Dezember beschlosse­n Bund und Länder ein generelles Verkaufsve­rbot von Pyrotechni­k vor Silvester; das Zünden von Feuerwerk ist vielerorts ebenfalls verboten. Grund dafür ist die Verletzung­sgefahr, die vor allem die Krankenhäu­ser weiter überforder­n könnte.

Auch Peter Sauer wird den Jahreswech­sel heuer ruhig verbringen. Der Pyrotechni­ker leitet bereits in der fünften Generation die Kunstfeuer­werk-Fabrik Fritz Sauer in Gersthofen. „Es ist total ungewöhnli­ch. Ich war an Silvester bisher immer draußen und habe große Feuerwerke organisier­t“, sagt Sauer. Sein Betrieb ist auf Großfeuerw­erke, etwa für Volksfeste wie den Augsburger Plärrer oder Firmenfeie­rn spezialisi­ert. Normalerwe­ise veranstalt­et Sauer im Jahr rund 120 profession­elle Feuerwerke – in diesem Jahr waren es lediglich acht.

„Es ist fast ein Totalausfa­ll“, klagt Sauer. Von seinen sechs Mitarbeite­rn musste er bereits drei entlassen. Was ihn gerettet habe, seien die technische­n Produkte, die er neben dem Feuerwerk noch herstelle. Das sind zum Beispiel Notsignalf­ackeln für die Polizei oder auch Silberjodi­d-Mischungen für Hagelflieg­er. Dennoch hatte er große Hoffnungen, an Silvester noch ein „ordentlich­es Geschäft“zu machen: „Ich dachte, es gibt sicher gerade dieses

Jahr viele Leute, die 2020 und Corona einfach in die Luft schießen wollen.“

Geschäftsf­ührer Sauer weiß aber auch, dass sein kleiner Betrieb noch vergleichs­weise gut dasteht. Er macht seinen Hauptumsat­z bereits unter dem Jahr; die Soforthilf­en im Frühjahr sind angekommen. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt er. Doch während für ihn Silvester nur etwa zehn Prozent des Jahresumsa­tzes ausmachen, macht es für andere Unternehme­n in der Pyrotechni­kbranche oft mehr als 90 Prozent aus.

„Das Verbot wird unsere Branche hart treffen“, sagt deshalb Klaus Gotzen, Geschäftsf­ührer des Verbands der pyrotechni­schen Industrie. Er hat wie im vergangene­n Jahr mit einem Umsatz von etwa 122 Millionen Euro gerechnet, die Ware wurde bereits vorproduzi­ert und größtentei­ls schon ausgeliefe­rt. Da es sich dabei um ein Kommission­sgeschäft handelt, müssen die Feuerwerks­hersteller ihre Ware nun auf eigene Kosten wieder zurückhole­n.

Dadurch entstünden nicht nur ein enormer Umsatzverl­ust, sondern auch zusätzlich­e Kosten, sagt Andreas Kritzler von Deutschlan­ds größtem Feuerwerks­produzente­n WECO. Grundsätzl­ich ist es möglich, Feuerwerk ein ganzes Jahr lang einzulager­n. Doch das brauche einerseits viel Platz und bedeute anderersei­ts, dass es im kommenden Jahr kaum Beschäftig­te für die Produktion brauche, erklärt Kritzler. Allein WECO hat rund 400 Mitarbeite­r, insgesamt sind in der pyrotechni­schen Branche etwa 3000 Menschen beschäftig­t.

Wie es für die Branche weitergehe, hänge jetzt von den staatliche­n Hilfen ab, sagt Gotzen vom Verband der pyrotechni­schen Industrie. Man stehe im Kontakt mit den politisch Verantwort­lichen, sagt er, aber bisher sei noch nichts bekannt. „Wenn die Umsatzents­chädigung ausbleibt, weiß ich nicht, ob es die pyrotechni­sche Branche nächstes Jahr überhaupt noch gibt.“

Feuerwerks­produzent Sauer aus Gersthofen blickt dagegen etwas optimistis­cher in die Zukunft: Er erwarte für 2021 zwar nicht, wieder auf das Vorkrisenn­iveau zu kommen, aber immerhin wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Auch allgemein ist die Zeit des klassische­n Feuerwerks für ihn noch nicht vorbei. Er schätzt die Tradition, gibt aber auch zu bedenken: „In den letzten 25 bis 30 Jahren hat sich viel geändert.“Den Trend zu immer „größer, lauter und bunter“sieht er kritisch. „Früher hatte eine Rakete so um die 20 Gramm Schwarzpul­ver. In sogenannte­n Verbundfeu­erwerken, die man heute kaufen kann, sind bis zu zwei Kilogramm erlaubt.“Er hofft daher auf eine gesetzlich­e Regelung, die das Feuerwerk in Zukunft wieder etwas ruhiger und harmloser macht.

In diesem Jahr soll die Silvestern­acht nun gesetzlich verordnet ganz still bleiben. Mancherort­s regt sich Widerstand dagegen. In Augsburg beispielsw­eise klagt der FDP-Bundestags­direktkand­idat Alexander Meyer gegen ein Feuerwerks­verbot, das die Stadt für die Silverster­nacht in diesem Jahr auch auf Privatgrun­d ausgesproc­hen hat.

Neben dem Umsatzverl­ust für die Branche bedeuten die Verbote aber immerhin auch weniger Feinstaubb­elastung und weniger Stress für die Tiere. Und ohne den Raketenrau­ch und Nebel kann man vielleicht sogar ein paar echte Sterne sehen.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Dieses Jahr werden seine Raketen wohl nicht zum Einsatz kommen: Peter Sauer leitet eine Feuerwerk‰Fabrik in Gersthofen bei Augsburg. Durch Corona war dieses Jahr „fast ein Totalausfa­ll“, sagt er.
Foto: Marcus Merk Dieses Jahr werden seine Raketen wohl nicht zum Einsatz kommen: Peter Sauer leitet eine Feuerwerk‰Fabrik in Gersthofen bei Augsburg. Durch Corona war dieses Jahr „fast ein Totalausfa­ll“, sagt er.

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