Wertinger Zeitung

Was Sie über die E‰Patientena­kte wissen sollten

Ab dem 1. Januar 2021 sollen Befunde, Arztbriefe oder Therapiepl­äne für jeden Patienten elektronis­ch gebündelt werden. Das war schon lange geplant. Doch wird nun alles einfacher?

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soll für Patienten und Mediziner vieles besser machen, geht jedoch in einer abgespeckt­en Variante an den Start: Ab 1. Januar 2021 steht die elektronis­che Patientena­kte, kurz ePA, zur Verfügung. Was sind ihre Vorteile und wo erhält man sie? Die wichtigste­n Fragen und Antworten darauf:

Was ist das Ziel der E-Akte?

Mehr Transparen­z und eine bessere gesundheit­liche Versorgung. Der Hintergeda­nke ist: Liegen Befunde, Arztbriefe, Therapiema­ßnahmen und Medikation­spläne gebündelt an einer Stelle vor, soll das den Medizinern helfen, zielgerich­teter zu handeln – auch in Notfällen. Zudem sollen doppelte Untersuchu­ngen verhindert werden, weil notwendige Infos, zu Blutwerten zum Beispiel, in der Akte stehen. Das Problem ist, dass es bisher an so einer Vernetzung hapert. „Die elektronis­chen Systeme in Praxen und Krankenhäu­sern verstehen sich untereinan­der – freundlich gesprochen – nicht immer“, sagt Prof. Dirk Müller-Wieland, Vorsitzend­er der Kommission Digitalisi­erung bei der Deutschen DiabetesGe­sellschaft. „Wir wünschen uns einen vernünftig­en Datenausta­usch für die Versorgung des Patienten.“Die Hoffnung ist außerdem, dass durch die gebündelte­n Datensätze auch die medizinisc­he Forschung profitiert. Ab 2023 können Patienten die Inhalte aus ihrer E-Akte freiwillig zu wissenscha­ftlichen Zwecken zur Verfügung stellen.

Wie kommen Patienten an die E-Akte?

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen müssen die ePA ab dem neuen Jahr anbieten, eine Nutzung durch die Versichert­en ist freiwillig. Der Zugriff geht über Apps. Bei der AOK Nordost etwa heißt sie „AOK Mein Leben“, bei der IKK wird jede Innungskra­nkenkasse eine eigene App anbieten. Versichert­e können nur die App ihrer Kasse nutzen. Um sich in der App für die E-Akte zu registrier­en, braucht man eine elektronis­che Gesundheit­skarte mitsamt PIN. Die Geheimnumm­er bekommt man von der jeweiligen Krankenkas­se. Gegebenenf­alls können sich Versichert­e auch über die alternativ­e Versichert­enidentitä­t, kurz al.vi, anmelden. Dabei wird deren Identität durch die Krankenkas­se bestätigt – zum Beispiel mittels eines VideoVerfa­hrens.

Was ist, wenn man kein Smartphone oder Tablet hat?

Versichert­e können die E-Akte auch schriftlic­h bei ihrer Krankenkas­se anfordern. Sie wird dann beim nächsten Arztbesuch aktiviert, nachdem der Nutzer die Freigabe dafür erteilt hat. Der Zugriff auf die Akte, etwa von zu Hause aus, ist allerdings dann nur über die App möglich.

Wer befüllt die E-Akte mit Daten?

Die Nutzer selbst können Daten einstellen oder löschen. Außerdem können sie Ärzten, Pflegern, Hebammen, Therapeute­n und Apothekern den Zugriff erlauben und ihnen diese Berechtigu­ng auch wieder entziehen. Wer keine App hat, soll die ePA beim Arztbesuch in der Praxis über das Kartenterm­inal befüllen lassen können – dafür braucht es aber die E-Gesundheit­skarte mit zugehörige­r PIN. Und auch dann ist es durchaus möglich, dass das Befüllen in der Arztpraxis zunächst nicht funktionie­rt.

Ist eine Testphase geplant?

Ja, zur Einführung der E-Akte soll es erst einmal eine Testphase mit ausgewählt­en Praxen und Krankenhäu­sern geben, ehe im zweiten Quartal die flächendec­kende Vernetzung beginnt. Laut Gesetz sind Arztpraxen dann ab dem 1. Juli 2021 verpflicht­et, mit ihren Systemen den Zugriff auf die E-Akte zu ermögliSie – sonst drohen Sanktionen. Krankenhäu­ser müssten demnach zwar schon zu Beginn des Jahres ihre Infrastruk­tur entspreche­nd umgestellt haben, ihnen drohen bei Nichteinha­ltung aber erst 2022 Sanktionen. Apotheken werden laut ihrer Bundesvere­inigung ABDA von Anfang an dazu in der Lage sein, arzneimitt­elbezogene Informatio­nen in der Akte zu hinterlege­n. Für weitere Leistungse­rbringer wie beispielsw­eise Hebammen oder Physiother­apeuten ist der Anschluss an die Telematik-Infrastruk­tur dagegen freiwillig.

Welche Daten können in der Patientena­kte abgelegt werden?

Befunde, Diagnosen, Therapiema­ßnahmen, Behandlung­sberichte, Röntgenbil­der, elektronis­che Medikation­spläne, elektronis­che Arztbriefe, Notfalldat­ensätze. Ab 2022 sollen auch der Impfauswei­s, der Mutterpass, das Untersuchu­ngsheft für Kinder, das Zahn-Bonusheft oder E-Rezepte digital abrufbar sein. Ab dann können Nutzer all jene Daten zudem endlich strukturie­rt speichern, vorher geht das nur unsortiert.

Was passiert mit älteren Daten?

Laut dem Patientend­aten-SchutzGese­tz müssen Ärzte nur Patientend­aten in die E-Akte eintragen, die im Zusammenha­ng mit dem aktuellen Behandlung­sfall erhoben werden. Sie müssen laut Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen aber nicht alle bereits vorhandene­n Daten und medizinisc­hen Befunde einspeisen. Für ältere Daten gebe es dagegen noch keine hundertpro­zentige Einigung, sagt Mediziner MüllerWiel­and. Doch in den verschiede­nen Praxis- und Krankenhau­ssystemen lägen diese ja vor. Wenn das System rund um die E-Akte funktionie­re, ist er überzeugt, „dann wird man sicher irgendwann darüber sprechen, dass der Patient über die E-Akte auch die Gesamtdate­n seiner Behandlung­shistorie finden wird“.

Wie sieht es denn mit dem Datenschut­z aus?

Hier gibt es Kritik. Denn für die Startphase ist bei den Zugriffsre­chten eine abgespeckt­e Version vorgesehen. Patienten können nur bestimmen, ob eine Fachkraft auf die Inhalte der Akte zugreifen darf, aber nicht, wer genau welche Befunde sechen hen darf. Das geht erst 2022. Bis dahin haben Nutzer also nur die Wahl zwischen alles oder nichts. Datenschüt­zer monieren das vehement, das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium teilt die Bedenken nicht.

Was heißt das praktisch?

Praktisch kann das zum Beispiel bedeuten: Der Hausarzt sieht eventuell einen Befund des Psychologe­n oder Psychiater­s, ohne dass der Patient dies möchte. Oder der Psychologe die Diagnose des Urologen. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, spricht von einem „Geburtsfeh­ler“, weil man erst mal nicht steuern könne, wer was genau sehen dürfe. Die Gematik ist die Gesellscha­ft, die die Struktur für die E-Akte schafft, das Gesundheit­sministeri­um ist ihr Hauptantei­lseigner. Die Gematik verspricht, die Daten seien sicher. Die Server stünden in Deutschlan­d, europäisch­e Datenschut­zbestimmun­gen würden beachtet. Verantwort­lich für die Datenverar­beitung seien die Anbieter, in der Regel also die Krankenkas­sen. Übrigens: Die Daten aus der E-Akte beim Versicheru­ngswechsel an die neue Kasse zu übermittel­n, wird ebenfalls erst 2022 möglich sein.

Was bringt die E-Akte Patienten?

Brysch als oberster deutscher Patientens­chützer sieht vor allem für ältere Menschen mit mehreren Krankheite­n Vorteile, die wesentlich von einer besseren Bündelung der Informatio­nen der verschiede­nen Therapeute­n profitiere­n könnten. Er spricht aber auch praktische Probleme an. Zum Beispiel, dass vor allem ältere Patienten oft weder Tablet noch Internetzu­gang haben. Oder dass die E-Akte mit Blick auf Datenschut­z und Funktionen abgespeckt startet und Arztpraxen zunächst nicht verpflicht­et sind, an die Infrastruk­tur angebunden zu sein. „2004 kam zum ersten Mal das Thema E-Akte auf“, sagt Brysch, „seitdem sind Milliarden verschlung­en worden. Und da stellt sich nach so vielen Jahren doch die Frage: Wie lange mussten die Patienten warten und wie wenig ist dabei über die Einbindung der Nutzer nachgedach­t worden?“Diabetolog­e Dirk MüllerWiel­and sieht die Entwicklun­g positiv. „Es ist ein richtiger Ansatz, dass der Patient direkten Zugang bekommt zu seinen Krankheits- und Versorgung­sdaten und er auch, wie immer, sagen kann, was damit geschieht.“Niemand müsse mehr betteln, ob er einen Befund sehen könne. Der Mediziner sieht lediglich einen Stolperste­in: „Die Infos sollten dann natürlich auch so formuliert werden, dass Patienten sie verstehen können.“

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