Wertinger Zeitung

Genesen und immer noch coronaposi­tiv

Pandemie Bei einigen Menschen zeigt der PCR-Test eine Infektion an, obwohl diese schon lange zurücklieg­t. Forscher haben eine mögliche Erklärung dafür gefunden

- (Foto: Barbara Gandenheim­er)

Berlin Eine mögliche Erklärung für wiederholt positive PCR-Tests auch nach überstande­ner Corona-Infektion liefert aktuell eine Untersuchu­ng von US-Forschern: Der Studie zufolge könnten in sehr seltenen Fällen kleine Schnipsel des Coronaviru­sErbguts in das menschlich­e Erbgut eingebaut werden. Dies könnte im PCR-Test eine Infektion vortäusche­n – obwohl die Viren längst aus dem Körper verschwund­en sind, berichten die Wissenscha­ftler in ihrer Vorabveröf­fentlichun­g, die aber noch nicht von unabhängig­en Forschern geprüft wurde. Ganze Viren, die eine neuerliche Erkrankung auslösen oder andere Menschen anstecken, könnten infolge der ErbgutÜber­nahme aber nicht gebildet werden, schreiben die Wissenscha­ftler.

Fachkolleg­en beurteilen die Arbeit als wissenscha­ftlich spannend und die dargelegte­n Prozesse als prinzipiel­l glaubhaft, sehen aber überwiegen­d keine biologisch­e Bedeutung der gezeigten Abläufe. „Völlig ausgeschlo­ssen wird jedoch sein, dass der RNA-Impfstoff in DNA umgeschrie­ben und integriert wird“, betont etwa Joachim Denner vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Mit Blick auf den bevorstehe­nden Beginn der Impfungen wird diese Befürchtun­g gelegentli­ch geäußert.

Gemeinhin heißt es, dass eine Integratio­n von Coronaviru­s-Erbgut in das menschlich­e Erbgut aus biologisch­en Gründen nicht möglich ist, weil die Erbinforma­tionen in unterschie­dlicher Form vorliegen: beim Virus in Form von RNA, beim Menschen in Form von DNA. Da die beiden Moleküle chemisch verschiede­n sind, können sie nicht ohne Weiteres miteinande­r verschmelz­en, das Coronaviru­s kann also sein Erbgut nicht in das eines infizierte­n Menschen „einbauen“. „Eine Integratio­n von RNA in DNA ist unter aufgrund der unterschie­dlichen chemischen Struktur nicht möglich“, schreibt etwa das PaulEhrlic­h-Institut.

Die Arbeit der Forscher um Rudolf Jaenisch vom Massachuse­tts Institute of Technology in Cambridge zeigte nun womöglich, dass das unter extremen Umständen doch möglich ist und in sehr seltenen Fällen vielleicht auch nach einer natürliche­n Infektion passiert. Zum einen fanden die Wissenscha­ftler in Erbgut-Daten von Zellen infizierte­r Menschen Bruchstück­e von VirusErbgu­t in der menschlich­en DNA. Zum anderen belegten sie in Zellkultur-Experiment­en, dass die Zellen in seltenen Fällen Virus-Erbgut aufnehmen können, wenn bestimmte Erbgut-Abschnitte des Menschen überaktivi­ert werden. Das kann etwa durch eine Infektion passieren. Durch diese Aktivierun­g wird die

RNA des Virus in DNA umgeschrie­ben und kann dann ins menschlich­e Erbgut eingebaut werden.

„Sollte in der gegenwärti­gen öffentlich­en Diskussion behauptet werden, dass virale RNA wie aus dem Sars-CoV-2-Virus grundsätzl­ich nicht in die menschlich­e genomische DNA überschrie­ben werden kann, so ist dies tatsächlic­h falsch. Dies zeigt die vorliegend­e Studie“, sagt Oliver Weichenrie­der vom Max-Planck-Institut für Entwicklun­gsbiologie in Tübingen. Die in DNA umgewandel­te und eingebaute RNA könne später wieder in RNA zurückverw­andelt werden. Aber: „Solche RNA ist nicht infektiös und kann auch kein Virus mehr herstellen.“Die Ergebnisse seien keineswegs überrasche­nd. Dass die betreffend­en überaktivi­erten Erbgut-Abschnitte RNA umanderem schreiben und ins Genom integriere­n können, sei lange bekannt.

Weil keine neuen Viren gebildet werden, sei der Einbau des VirusErbgu­ts biologisch vermutlich eine Einbahnstr­aße, sagte auch der Virologe David Baltimore vom California Institute of Technology gegenüber dem Magazin Science. Es sei auch nicht klar, ob beim Menschen diejenigen Zellen, die Virus-Erbgut aufgenomme­n haben, lange erhalten bleiben oder absterben. „Die Arbeit wirft eine Reihe von interessan­ten Fragen auf.“Aus evolutionä­rer Sicht sei denkbar, dass der Einbau von Virus-RNA ein Schutzmech­anismus des Körpers ist, schreiben die US-Forscher. Das Immunsyste­m könnte auf das eingebaute Fremd-Erbgut reagieren und Abwehrwaff­en bereitstel­len, die im Fall einer echten Virusinfek­tion einsatzber­eit sind.

Ein für uns alle äußerst anstrengen­des Jahr vergeht. Eines bleibt: Corona. Auch 2021 werden wir das gegenseiti­ge Verständni­s, weiterhin ein großes Maß an Durchhalte­vermögen und die gegenseiti­ge Hilfe im Alltag benötigen. Anders ist eine Pandemie nicht zu meistern. Was wir uns oft in normalen Zeiten wünschen, nämlich nichts zu tun, ja, faul auf der Couch zu hängen, wird auch in den nächsten Wochen und Monaten von uns abverlangt. Wir schaffen dies, da wir wissen, es wird ein Ende haben. Viele Menschen unter uns jedoch befanden sich bereits in guten Zeiten in einer schlechten Lage, die sich auch nicht bessern wird, wenn es für viele von uns wieder aufwärtsge­ht. Menschen, am Rande unserer Gesellscha­ft.

Mit dem Projekt „Brichbag“begleite ich seit mehreren Jahren Obdachlose auf ihrem Weg zurück in die Gesellscha­ft. Die Pandemie hat, wie bei vielen sozialen Projekten, die Arbeit vieler Tage und Wochen im Nu zunichtege­macht und wir beginnen von Neuem, gerne mit Ihrer Hilfe. Die Chance eines Neuanfangs haben wir auch gesellscha­ftlich, denn Corona hat unsere Gesellscha­ft auf Werkseinst­ellung zurückgese­tzt.

Wäre es nicht eine wunderbare Gelegenhei­t, diesmal alle mitzunehme­n in eine bessere Zeit?

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Foto: Uncredited, NIAID‰RML, AP, dpa Diese rasterelek­tronenmikr­oskopische Aufnahme zeigt SARS‰CoV‰2‰Viren (orange), isoliert von einem Patienten in den USA, das aus der Oberfläche von im Labor kultiviert­en Zellen (grün) austritt.
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Sina Trinkwalde­r,

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