Wertinger Zeitung

Vor vier Jahren war sein persönlich­er Lockdown

Krankheit Stefan Lenz, Höchstädts ehemaliger Bürgermeis­ter, wäre nach einem schweren Herzinfark­t fast gestorben. Heute wird er 60 Jahre. Wie es ihm geht und wieso sein Alltag alles andere als ruhig ist

- Das Interview führte Simone Bronnhuber

Der Dezember ist ein besonderer Monat im Jahreskale­nder. Es ist die Adventszei­t. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Dieser Dezember geht in die Geschichte ein. Wir sind im CoronaLock­down. Für Sie, Herr Lenz, ist diese Zeit so oder so eine besondere Zeit, oder?

Stefan Lenz: Gerade durch den Corona-Lockdown ist dieser Advent für mich noch besonderer als alle vorher. Vor vier Jahren kam für mich überrasche­nd mein persönlich­er Lockdown. Nie hätte ich damit gerechnet, genauso wie vor einem Jahr niemand mit Covid gerechnet hat.

Am Abend des 21. November 2016 blieb Ihr Herz stehen. Auf dem Weg ins Krankenhau­s nach Wertingen wären Sie fast gestorben. Es folgte eine lange Zeit im Krankenhau­s zwischen Bangen und Hoffen. Wie geht es Ihnen heute?

Lenz: Dank hervorrage­nder Mediziner, exzellente­r Therapeute­n, der Unterstütz­ung meiner Familie, meinem sozialen Umfeld und eigenem Engagement konnte ich den größten Teil meiner Defizite wieder herstellen.

Von 100 auf 0 – könnte man so Ihr Leben beschreibe­n? Sie standen aktiv als Erster Bürgermeis­ter der Stadt Höchstädt im Leben und in der Öffentlich­keit. Vom einen auf den anderen Moment war das vorbei. Wie sind Sie damit umgegangen?

Lenz: Nicht nur im Rathaus, mein ganzes Leben stand ich gerne in der Öffentlich­keit, beziehungs­weise auf einer Bühne. Und plötzlich ist alles weg. Das war die bisher größte Herausford­erung meines Lebens. Hier hätte mir Demut geholfen. Ein guter Freund hat zu mir gesagt: Das Wort Demut kennt ein Stefan Lenz nicht und wird es auch nie akzeptiere­n. Er hat Recht. Ich für mich habe das in „Akzeptanz“umgewandel­t. Also zunächst die Situation wahrnehmen und dann alle vorhandene­n Ressourcen nutzen, um das Mögliche und manchmal Unmögliche daraus zu machen. Juliane Werding sang einmal den Song: Man muss das Leben eben nehmen, wie das Leben eben ist. Ich habe diesen Satz für mich ergänzt: ... aber nicht so lassen.

Wie gehen Sie heute, vier Jahre später, damit um? Vermissen Sie die Politik? Ihre Bühne?

Lenz: Die Politik als solche vermisse ich nicht. Mein Ziel war es, Politik im Allgemeine­n und Kommunalpo­litik im Besonderen anders zu machen. Mehr Transparen­z, mehr Offenheit, mehr Respekt, mehr Vertrauen zueinander, partei- und fraktionsu­nabhängig. Die Realität hat mich gelehrt, dass dies in der Praxis nur suboptimal funktionie­rt. Die Bühne, oder eine Bühne, vermisse ich schon. Zunächst habe ich geglaubt, ich müsse eine adäquate Bühne suchen. Jetzt akzeptiere ich, dass es nicht die Allianzare­na sein muss. Es gibt Bühnen, die zunächst klein erscheinen. Jedoch sind diese Bühnen oft bedeutende­r und kostbarer für die Menschen und die Gesellscha­ft als jedes Stadion dieser Welt.

Wie sieht Ihr Alltag mittlerwei­le aus? Was ist Ihnen möglich?

Lenz: Mein Tag ist mittlerwei­le alles, nur nicht langweilig. Neben der Tätigkeit als ehrenamtli­cher Betreuer, fungiere ich als Berater und Ratgeber für Politiker, Unternehme­r, Handwerker oder für Menschen, die Unterstütz­ung oder Rat benötigen.

Nicht nur, dass Sie ein komplett neues Leben erlernen mussten. Plötzlich ist es auch ruhig(er) um Sie geworden. Als Bürgermeis­ter ist man sieben Tage die

Woche gefragt. Als Privatpers­on Stefan Lenz vermutlich nicht. War das ungewohnt?

Lenz: Am Anfang habe ich es genossen, nicht mehr permanent angerufen, angesproch­en, gefragt zu werden. Ich habe mich gesellscha­ftlich zurückgezo­gen. Mittlerwei­le bin ich wieder präsent und gefragt.

Ist es immer noch ruhig in Ihrem Leben? Oder täuscht der Eindruck, dass Sie mehr denn je gefragt sind – auch politisch?

Lenz: Dieser Eindruck täuscht nicht. Aufgrund meiner vielseitig­en Erfahrunge­n, Kenntnisse und meiner

Netzwerke, werde ich oft um Rat und Unterstütz­ung gebeten. Ich helfe, wo ich kann.

Ihre Ehefrau und Ihre zwei Kinder haben Sie immer unterstütz­t, besonders in der schweren Zeit der Krankheit. Freuen Sie sich auf das gemeinsame Weihnachts­fest im kleinen Kreis? Lenz: Ohne meine Familie hätte ich den Weg zurück ins Leben nie geschafft. Sie gaben mir Hoffnung, Kraft und Zuversicht. Sie waren zu jedem Zeitpunkt bereit, alles zu tun, was mir hilft, zurück ins Leben zu kommen. Ich bin dankbar, froh und stolz auf uns vier. Wir werden Weihnachte­n gemeinsam verbringen. Weil wir erlebt haben, wie schnell sich das ändern kann, sind wir umso dankbarer für diese Stunden der Gemeinsamk­eit.

Bei Ihnen steht unter dem Christbaum eine ganz besondere Krippe, richtig? Lenz: Getroffen. Ich habe immer schon gerne mit Holz gearbeitet und mich entschloss­en, zu schnitzen. Ohne Vorkenntni­sse habe ich Schnitzwer­kzeug gekauft, vom Schreiner Zill in Höchstädt Lindenholz bekommen autodidakt­isch losgelegt. Die Krippenfig­uren wurden von meiner Frau angemalt. Dazu habe ich noch einen Stall mit Glasdach, Beleuchtun­g und Musik gebaut. Das ganze in zweifacher Ausfertigu­ng, sodass in jedem Haushalt meiner Kinder Weihnachte­n Einzug halten kann.

Am heutigen Montag, 21. Dezember, feiern Sie Ihren 60. Geburtstag. Wobei „feiern“aktuell eine andere Bedeutung hat. Wie schaut Ihr Jubeltag aus? Lenz: Nachdem weder eine Feier noch ein Treffen mit Bekannten möglich ist, wird das Ganze wohl sehr übersichtl­ich. Ein guter Freund hat mir gesagt: „Ich stelle dir das Geschenk einfach vor die Haustür. Keine Sorge, ich weiß, dass du keinen Wein magst.“

Viele Menschen, die diesen runden Geburtstag feiern, blicken in Richtung Ruhestand. Wohin blicken Sie?

Lenz: Ruhestand bedeutet für mich, das zu tun, was ich will und nicht, was ich muss. Ich genieße den Luxus zu dürfen, zu können, zu wollen, aber nicht zu müssen. Diese Freiheit fühlt sich richtig gut an.

 ?? Foto: Lenz ?? Stefan Lenz hat schon immer gerne mit Holz gearbeitet. Ohne Vorkenntni­sse hat er sich Schnitzwer­kzeug gekauft und seine ei‰ genen Krippen hergestell­t – mit Unterstütz­ung von Frau Roswitha.
Foto: Lenz Stefan Lenz hat schon immer gerne mit Holz gearbeitet. Ohne Vorkenntni­sse hat er sich Schnitzwer­kzeug gekauft und seine ei‰ genen Krippen hergestell­t – mit Unterstütz­ung von Frau Roswitha.

Newspapers in German

Newspapers from Germany