Wertinger Zeitung

Von der Raucherin zur „Eisernen Lady“

Sportler‰Porträt Höhepunkt der Triathlon-Karriere von Kornelia Strobel ist der Start beim Ironman auf Hawaii. Den Kick als Ausdauerat­hletin erhält die heute 58-jährige Eppisburge­rin durch ihren Mann

- VON GÜNTER STAUCH

Im Jahr 1962 erblickt Kornelia Strobel das Licht einer Welt, in der die Frauen im Laufsportw­ettkampf wenig zu melden haben. Ohnehin in vielen Diszipline­n unterreprä­sentiert oder gar nicht präsent, herrscht ein gesellscha­ftlicher Konsens vor, etwa beim Thema Marathon: Frauen seien, heißt es, physisch nicht in der Lage, da mitzuhalte­n. Mediziner und Sportfunkt­ionäre fürchten bei einer Teilnahme am Langstreck­enlauf sogar um die Gebärfähig­keit der Athletinne­n. Dennoch wechselt wenige Jahre später die US-Amerikaner­in Kathrine Switzer ihr Sportdress vom Weibs- zum Mannsbild und reiht sich heimlich beim BostonMara­thon ein. Nur ihr starker Freund, ein Hammerwerf­er, verhindert mit einem Schubs, dass der Renndirekt­or der mutigen jungen Frau die Startnumme­r entreißen und sie aus dem Rennen holen kann.

Über solche Situatione­n brauchte sich Kornelia Strobel keine Gedanken zu machen, als die gebürtige Augsburger­in sich in den 90er Jahren aufmachte, um zum einen die rund 42 Kilometer zu laufen. Dann diese mit etwa 180 Kilometern auf dem Rad und über knapp vier Kilometer schwimmend zu kombiniere­n. Kurz: Einen Triathlon hinzulegen, der die drei besten und beliebtest­en deutschen Ausdauersp­ortarten seit 1974 zusammenfa­sst. Als das Fernsehen 1981 mit einer Sendung über den berühmtest­en seiner Art, den „Ironman“auf Hawaii berichtete, gab es bei den Zuschauern so schmeichel­hafte Kommentare wie „Wahnsinn“oder „Verrückte“und „großes Abenteuer“. Die Teilnehmer – und seit 1979 Teilnehmer­innen – wurden wegen der vermuteten unmenschli­chen Strapazen auf der Strecke bedauert. Dabei empfindet so ein früher noch als „Exot“bezeichnet­er den Wettkampf keineswegs als Tortur, sondern vielmehr als eine Gelegenhei­t, seine Leistungsf­ähigkeit zu beweisen – letztlich das Ergebnis einer gesunden Lebensweis­e.

Nun, Kornelia Strobel gilt alles andere als durchgekna­llt und hatte bei ihrem Einstieg in den immer attraktive­r werdenden Mehrkampf klare Ziele. Allerdings zunächst auch eine Zeit des genussvoll­en Rauchens und sportliche­r Zurückhalt­ung hinter sich. „Dann hat mich Günter angesteckt“, erzählt die heute 58-Jährige und meint damit den Mann, den sie 1992 nicht etwa beim Sport, sondern in einem Freibad im oberbayeri­schen Mammendorf kennengele­rnt hat. Dieser fiel ihr vor allem durch seine besondere Beweglichk­eit auf, er radelte zum Beispiel auch bei Wind und Wetter zum Polizeidie­nst. Für einen begeistert­en Triathlete­n, der er war, eine

Selbstvers­tändlichke­it. Schließlic­h kommt das Training dazu dem natürliche­n Bewegungsb­edürfnis entgegen. Experten zufolge werden dabei, neben den konditione­llen Begabungen wie Kraft- und Schnelligk­eitsausdau­er, auch koordinati­ve Fähigkeite­n zur schnellen Anpassung und Umstellung beim Rennen verbessert.

Und trotzdem überließ der sympathisc­he Ordnungshü­ter, statt das Siegertrep­pchen in der Königsdisz­iplin des Ausdauersp­orts selbst anzusteuer­n, der talentiert­en Anfängerin und Ehefrau das Feld. „Er wollte mir quasi den Rücken freihalten“, erklärt die sechsfache Oma in diesen Tagen. Wirklich eine mehr als sportliche Geste. Und ein Schritt, von dem die trainingsh­ungrige Kornelia profitiere­n sollte, die sich mit beinahe 30 Übungsstun­den pro Woche zu Lande und zu Wasser in Bewegung setzte.

Dabei ging es mindestens drei mal ins Wasser, täglich auf die Laufstreck­e und mit dem schnittige­n Drahtesel insgesamt rund 400 Kilometer weit. Mit beachtlich­en Folgen: Erst gab es gute Positionen bei „kleineren“Triathlons und Duathlons (Laufen – Radfahren – Laufen), dann folgten mit den Jahren 1998 und 1999 die beiden „ertragreic­hsten“Phasen, was die Medaillen und Auszeichnu­ngen angeht: vordere Plätze bei bedeutende­n TriathlonV­eranstaltu­ngen in ganz Deutschlan­d, Teilnahme bei den DuathlonWe­ltmeisters­chaften im schweizeri­schen Zofingen und schließlic­h am Qualifyer-Event in Klagenfurt mit 900 Teilnehmer­n und einem respektabl­en 15. Platz. Letzteren zu erwähnen scheint angebracht, zumal die Ausnahmesp­ortlerin dort ihr Eintrittst­icket für den legendären „Ironman“auf Hawaii abholte.

„Ich finde diese Kombinatio­n so erhaben und großartig, dass der Körper so etwas hinbringen kann“, beschreibt die heute in Eppisburg lebende Ex-Athletin vom Lauinger „Team Laura“ihre Faszinatio­n für das große Rennen, das sie von Anfang an im Visier hatte. Mit Platz 25 im Mekka der Triathlete­n krönte die „Eiserne Lady“aus Nordschwab­en ihre kurze, aber äußerst ehrgeizige Sportlerla­ufbahn.

Weitere Stationen mit Wettkämpfe­n im Inland schlossen sich an, etwa die Teilnahme bei den Cyclassics Hamburg über stolze 155 Kilometer. Das beispiello­se Abstrampel­n der 1,65 Meter großen Athletin wurde zudem mit der zweimalige­n Wahl zur „LandkreisS­portlerin des Jahres“unserer Zeitung 1998 und 2003 belohnt. Diesmal hatte die ungewöhnli­che „Eiserne Lady“bei den Herzen der Leser abgeräumt.

 ?? Fotos: stro ?? Kornelia Strobel im Kreis ihrer vier Pflegekind­er und von Sohn Sunny, der wegen eines Handicaps im Rollstuhl sitzt. Die anderen eigenen Kinder sind bereits außer Haus. Auf dem rechten Bild ist Kornelia Strobel 1999 beim Ironman auf Hawaii unterwegs.
Fotos: stro Kornelia Strobel im Kreis ihrer vier Pflegekind­er und von Sohn Sunny, der wegen eines Handicaps im Rollstuhl sitzt. Die anderen eigenen Kinder sind bereits außer Haus. Auf dem rechten Bild ist Kornelia Strobel 1999 beim Ironman auf Hawaii unterwegs.
 ??  ??
 ?? Fotos: stro/Merk ?? Kornelia Strobel beim Triathlon in Lauingen (links) und als Landkreis‰Sportlerin des Jahres 1998 (rechts).
Fotos: stro/Merk Kornelia Strobel beim Triathlon in Lauingen (links) und als Landkreis‰Sportlerin des Jahres 1998 (rechts).

Newspapers in German

Newspapers from Germany