Erst war’s die ganze Welt, jetzt ist es Augsburg
Porträt Knapp drei Jahre lang waren Leonore Sibeth und Sebastian Ohlert auf Reisen unterwegs. Als sie nach Deutschland zurückkehrten, war unklar, wo sie leben wollen. Warum sie nun wieder in ihrer alten Heimat sind
Rückblick: Vor einem Jahr kamen die Augsburger Leonore Sibeth und Sebastian Ohlert von ihrer Weltreise zurück. 1011 Tage waren sie unterwegs gewesen, 97.000 Kilometer haben sie auf ihrer Reise zurückgelegt. Nachdem das Paar seinen Haushalt vor seiner Abreise aufgelöst und einen Teil des Hab und Gut eingelagert hatte, ging es zunächst zu ihren Familien in der Nähe von Stuttgart. In Ruhe wollten die beiden von dort aus ihre Fühler nach neuen Arbeitsstellen und womöglich einem neuen Lebensmittelpunkt ausstrecken und für alles offen sein. Heute leben sie bereits seit über einem halben Jahr wieder in Augsburg, ihrer Heimat, wie sie sagen. Trotz ihrer knapp dreijährigen Reise und den Herausforderungen der Corona-Pandemie konnten sie hier wieder gut Fuß fassen.
Dabei hatten sie sich nicht unter Druck gesetzt. „Nach den Weihnachtsfeiertagen und Silvester sind wir erst einmal bei meiner Oma, die in Tübingen wohnt, eingezogen“, berichtet die 36-Jährige. Wie in einer WG lebten sie mit der 83-Jährigen, kochten und aßen gemeinsam und erlebten zusammen den ersten Lockdown. Unverhofft wurden doch innerhalb weniger Wochen die Weichen für ihre Zukunft in Augsburg gestellt. „Wir hatten gar keine Wohnung gesucht. Bereits im Februar erzählte mir eine Freundin aber, dass in ihrem Haus eine Wohnung frei werde und ob wir uns die nicht anschauen wollten“, sagt Leonore Sibeth. Den Beiden gefiel die Wohnung in der Innenstadt, Mitte April ging es also zurück nach Augsburg. Aufgrund der Corona-Regelungen mussten sie mehr oder weniger alleine all die noch vorhandenen Möbel und Gegenstände, die sie drei Jahre zuvor von Augsburg zu ihren Familien nach Stuttgart gefahren hatten, wieder nach Augsburg bringen. An ihrem neuen Wohnort angekommen, packten die Bewohner der anderen Wohnungen mit an und trugen alles von Stockwerk zu Stockwerk.
„Ausschlaggebend war bei der Wahl unseres Wohnorts, wo wir uns zu Hause fühlen. Das ist für uns beide Augsburg, wie wir festgestellt haben“, sagt der 37-Jährige. Hier lebten ihre meisten Bekannten, hier hatten sie ein berufliches Netzwerk, hier fühlten sie sich sofort wohl in ihrer neuen Hausgemeinschaft und konnten andocken – trotz Corona. An Augsburg mögen sie, dass sie viele Ecken kennen und Erinnerungen mit ihnen verbinden.
Vor ihrer Weltreise hatte die Diplom-Pädagogin als Bildungsreferentin in der Umweltstation Augsburg gearbeitet, ihr Lebensgefährte als Teamleiter im Ersatzteilverkauf bei der MAN. „Die Reise hat uns gezeigt, dass man auch was Neues anfangen und lernen kann“, sagte Sebastian Ohlert vor einem Jahr im Interview mit unserer Redaktion.
Noch in Tübingen hatte er sich einem dort ansässigen Großhandel für Solaranlagen beworben. Aufgrund des Lockdowns erhielt er erst die Einladung zum Vorstellungsgespräch, als das Paar bereits wieder in Augsburg wohnte. Er nahm trotzdem daran teil, ergatterte ein zweites Vorstellungsgespräch und ist heute Teamleiter des Bereichs „Sales Support“. „Anfangs hatte ich mehr Präsenzzeit und habe mir ein WG-Zimmer in Tübingen genommen. Momentan kann ich im Homeoffice in Augsburg arbeiten“, sagt er. Die Arbeit mache ihm Spaß, sie sei interessant und es hanele sich um ein nachhaltiges Produkt. Das Thema Nachhaltigkeit ist den Augsburgern ohnehin wichtig. Auf ihrer Weltreise bestiegen sie kein einziges Mal ein Flugzeug. Im „neuen – alten“Job von Leonore Sibeth dreht sich auch vieles um Nachhaltigkeit im beruflichen und privaten Umfeld. „Ich hatte zunächst ein anderes Angebot, aber dann wurde zufällig meine alte Stelle in der Umweltstation Augsburg frei und ich habe im August dort wieder angefangen.“Zu dogmatisch wollen sie das Thema aber nicht behandeln. „Wir sind drei Jahre ohne Flugzeug ausgebei kommen und sind aber diesen Herbst zu einem befreundeten Paar nach Portugal geflogen. Mit dem Zug hätten wir es in der Kürze der Zeit nicht geschafft und hätten auch durch Frankreich und Spanien durchfahren müssen, die damals sehr hohe Inzidenzwerte hatten“, erklärt sie.
Sie sind froh, dass sie ihre Weltreise ohne Corona erleben und auch beenden konnten. „Wir haben viele Leute unterwegs kennengelernt, die aufgrund des Virus erst einmal festsaßen und dann ihre Reise abbrechen mussten“, berichten sie. Sie haben in diesem Jahr noch von ihren Erlebnissen gezehrt und sich beinahe täglich darüber unterhalten. „Wir telefonieren auch noch mit einigen der Menschen, die wir auf der Reise kennengelernt haben, etwa Familien in China, Vietnam oder Nicaragua, wo wir gewohnt haben“, sagt Leonore Sibeth. Sie und ihr Freund haben in diesem Jahr zwei Vorträge über ihre Reise gehalten – unter anderem im Augsburger Augustanasaal – und haben an drei Buchprojekten mitgearbeitet. Sebastian Ohlert: „Wir haben eine Episode für den fünften Teil der „Travel Episodes“, die kommenden Jahr erscheinen, geschrieben.“Durch ihre Weltreise und die Pandemie haben sie gelernt, nicht zu viel zu planen, da am Ende doch alles anders komme. Aber eine Idee für eine nächste Reise haben sie schon. „Ich habe gelesen, dass man von Dänemark aus über die Färöer Inseln mit der Fähre nach Island fahren kann. Das würde ich gerne machen“, so die 36-Jährige . Ihr Lebensgefährte kann sich eine längere Tour mit dem Fahrrad vorstellen. „Aber wir haben noch keine konkreten Pläne. Das Schönste ist, eine Idee zu haben und dann davon zu träumen“, sagt Leonore Sibeth.