Wertinger Zeitung

Krimi ganz wie Freddy

Die Kölner Folge könnte Politthril­ler sein, ist aber eher nett und behäbig

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Wer nicht nur „Tatort“-Fan, sondern auch etwas kinointere­ssiert ist, erkennt es sofort. „Der Tod der Anderen“(Sonntag, 20.15 Uhr, ARD), dieser Titel stößt einen mit der Spürnase darauf: Hier geht es um die Stasi. Viel mehr hat die Episode aus Köln aber nicht mit dem hochsensib­len, oscarprämi­erten Film „Das Leben der Anderen“von 2006 gemeinsam. Eher treffen auf den Kölner „Tatort“diesmal Attribute zu, die man sonst vor allem Hauptkommi­ssar Freddy Schenk (Dietmar Bär) zuschreibe­n würde: gerne mal einen Witz auf Lager, völlig frei von jeder Art der Aufgeregth­eit, etwas behäbig. Dabei hätte der Plot (Regie: Torsten C. Fischer, Buch: Wolfgang Stauch) das Zeug zu einem packenden Politthril­ler: Eine ehemalige Arbeiterin aus dem Chemiedrei­eck um Bitterfeld hängt gefesselt und geknebelt von der Decke des edlen Hotels Rheinpalai­s. Ihr Körper ist voll mit Quecksilbe­r. Vorher hatte das Opfer drei Personen mit ihrer Vergangenh­eit erpresst. Sowohl die Besitzerin des Hotels als auch zwei hochrangig­e Politfunkt­ionäre wussten von den unmenschli­chen Arbeitsbed­ingungen in den Fabriken.

Als die Kommissare Verbindung­en zwischen der Toten und Hotelbetre­iberin Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel) feststelle­n, verfrachte­t diese skrupellos KrimiAssis­tent Jütte (Roland Riebeling) in einen Kerker und nimmt Schenk als Geisel. Doch sie fliehen nicht im schicken Cabrio der Hotelchefi­n, sondern im praktische­n Kombi des Kriminalha­uptkommiss­ars (Kennzeiche­n: K–HK). Ebenso wenig rasant ist dann leider auch die Geschichte. Statt fieberhaft nach den Kollegen und dem Mörder zu suchen, fragt Ballauf (Klaus J. Behrendt) sich trübsinnig, warum sein Team den Kontakt zu ihm meidet, und Schenk sitzt mit seiner Entführeri­n bei der Brotzeit in einem Landgastho­f, erfährt nach und nach die ganze Wahrheit. Das einzig wirklich Spannende ist die Frage, wie lange Jütte ohne Wasser in seinem Gefängnis aushalten wird.

Ein Krimi ganz wie Freddy eben – doch den, und jetzt kommt das Positive, mag man ja trotzdem auch irgendwie gern. Genauso hat dieser Kölner „Tatort“seine guten Momente. Charmant, wie die Charaktere erzählt werden: Der schöne Jens, einst umschwärmt­er Spitzel, ist jetzt ein Hobbygärtn­er mit Wasserpist­ole. Und Porno-Peter, der sich damals durch die Betten des Ostens wühlte, ist Politiker mit Ambitionen auf ein Ministeram­t. Unterhalts­am auch, wie Schenk und seine kampferpro­bte Entführeri­n sich langsam sympathisc­h werden.

Doch am Ende fehlt halt nicht nur die obligatori­sche Currywurst – der Stand, den es wirklich gab, steht heute im Museum. „Der Tod der Anderen“wird leider nicht als historisch­e Episode in die Annalen des „Tatort“eingehen.

Sarah Ritschel

Der Tod der Anderen

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