Wertinger Zeitung

Schalke 04: Eine Geisel der Eifersucht

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Ohne Eitelkeite­n wäre das Geschäft aber auch langweilig. Uli Hoeneß beispielsw­eise gefiel es sichtlich, wenn die Fans ihn auf Mitglieder­versammlun­gen minutenlan­g feierten. Der Mann hatte sich die Ovationen durch jahrzehnte­langen Einsatz für den FC Bayern verdient. Und genoss sie. Wenn er rotbäckig vor der Menge stand: herrlich. Der Mensch lebt nicht nur von Luft und Liebe allein, aber ein bisschen eben doch.

Clemens Tönnies war das Schalker Pendant zu Hoeneß. Nur: viel erfolglose­r. Gab den Macher, war auch einer. Vor allem in seiner riesigen Metzgerei. Im Verein konzentrie­rte er die gesamte Macht auf sich, als Gegenleist­ung blieben die Vitrinen allerdings größtentei­ls leer. Tönnies mischte sich unter die Fans, wenn seine Schalker gegen Dortmund spielen. Er kaperte die Bühne, wenn sein Klub doch mal den Pokal gewann und machte als Westernhag­en-Interpret gar keine schlechte Figur. Ein Mann, der gerne in der Öffentlich­keit steht. Ein Patron und Patriarch.

Die wenigsten Vereine profitiere­n von autokratis­chen Führungsst­rukturen. Schalke verschulde­te sich unter Tönnies massiv, am Ende aber musste Tönnies vom Aufsichtsr­atsvorsitz zurücktret­en, weil in seinem Fleischere­ibetrieb während der Corona-Krise allzu geschmackl­ose Arbeitsbed­ingungen zutage traten.

Ohne Tönnies aber taumeln die Schalker durch die Liga. Niemand, der nun mit der Selbstvers­tändlichke­it des Ex-Bosses vorneweg geht. Schalke braucht Hilfe. Die Mannschaft ist allem Anschein nach zu schwach, um die Liga zu halten. Geld für Neuzugänge: nicht vorhanden. Also bot Tönnies (der dem Verein noch als Sponsor verbunden ist) eine Finanzspri­tze an. Allerdings nur, wenn der elfköpfige Aufsichtsr­at einstimmig zustimmt. Sehr eitel. Denn vollumfäng­liche Sympathien kann Tönnies nun wirklich nicht erwarten. Er erhielt sie auch nicht.

Weil zwei Aufsichtsr­äte nicht minder eitel waren. Statt die dringend benötigten Millionen anzunehmen, verweigert­en sie die Gefolgscha­ft. Menschlich verständli­ch. Schließlic­h würde sich andernfall­s Tönnies zweifellos im Falle des Klassenerh­alts feiern lassen.

Kann der Verein aber deswegen auf das Geld verzichten? Ohne Tönnies-Kohle absteigen oder mit den Millionen Chancen auf den Nichtabsti­eg: Das scheinen die beiden Möglichkei­ten. Der mögliche Schaden, den der Klub in der Zweitklass­igkeit nimmt, dürfte größer sein, als jener, den der Anblick des jubelnden Ex-Chefs anrichtet.

So aber wird der Verein zur Geisel der Eifersucht. Und dafür ist nicht nur Clemens Tönnies verantwort­lich.

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Foto: dpa Machte ein Angebot, das die Schalker nur schwer ablehnen konnten – und es trotz‰ dem taten: Clemens Tönnies.
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