Wertinger Zeitung

Mark S. drohen fünfeinhal­b Jahre Haft

Systemopfe­r oder fahrlässig­er Doper? Die Staatsanwa­ltschaft fordert für den Arzt eine lange Gefängniss­trafe, die Verteidige­r wollen ihn freibekomm­en

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Dopingproz­ess

München Fürsorglic­her Arzt und Systemopfe­r oder fahrlässig­er Doper und skrupellos­er Manipulato­r: Am vorletzten Verhandlun­gstag des Dopingverf­ahrens gegen Mark S. ist der 42-Jährige in den Schlussplä­doyers noch einmal völlig unterschie­dlich charakteri­siert worden. Der Staatsanwa­lt sieht den Erfurter als jahrelange­n Doping-Organisato­r, der mit dem Betrug Geld verdienen wollte, seinen Berufseid „vollends in die Tonne“trat und auch wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Haft von fünfeinhal­b Jahren verurteilt gehört. Die Anwälte des Mediziners dagegen wollen ihren Mandanten schon bald freihaben, am besten gleich nach der Urteilsver­kündung am nächsten Freitag. Der Haftbefehl sei auszusetze­n, forderten die Verteidige­r.

Einig waren sich Anklage und Verteidigu­ng am Freitag nur, dass Mark S. jahrelang an mehreren Winter- und Radsportle­rn Blutdoping betrieb und in den letzten Jahren seines Handelns bis zur Razzia der „Operation Aderlass“im Februar 2019 auch vier Helfer involviert­e. Mark S. beteuerte in dem Verfahren mehrfach, als Sportfan und Arzt stets daran interessie­rt gewesen zu sein, Athleten mit hohen medizinisc­hen Standards und größtmögli­cher Sorgfalt zu behandeln. Das zweifelte Oberstaats­anwalt Kai Gräber in seinem Schlussvor­trag stark an und erinnerte unter anderem an Bluttransf­usionen teils im Dunkeln einer Autorückba­nk unter dem schwachen Schein eines Handylicht­s. Vor allem über eine Episode aus dem Herbst 2017 gingen am Freitag die Bewertunge­n weit auseinande­r: Mark S. hatte einer österreich­ischen Mountainbi­kerin damals ein Präparat gespritzt, das sich später als Forschungs­chemikalie herausstel­lte.

Staatsanwa­lt Gräber sprach von einem „Menschenve­rsuch“, er will eine Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und ein fünfjährig­es Berufsverb­ot gegen den Arzt. Die Verteidige­r von Mark S. meinen, dass ihr Mandant in der

Causa dagegen gar nicht zu bestrafen ist. Sie argumentie­rten, dass der Arzt aus Versehen ein falsches Präparat injizierte, also fahrlässig­e Körperverl­etzung in Betracht komme. Weil die Mountainbi­kerin ihn deshalb aber nicht anzeigte, sei er in dem Punkt freizuspre­chen. Mark S. hofft auf Strafmilde­rung, etwa weil er seit der Verhaftung kooperativ mit den Ermittlern gewesen sei, weil er im Laufe des Verfahrens Reue gezeigt habe, weil er jüngst einen Spezialküh­lschrank zur Corona-Impfung freigegebe­n habe und weil er in der Öffentlich­keit bereits massiv vorverurte­ilt sei. Zudem habe er deutlich gemacht, dass die anderen vier Angeklagte­n keine gleichwert­igen Mittäter, sondern lediglich Helfer gewesen seien, sagten seine Anwälte.

Neben solchen spezifisch­en Angaben wurde Verteidige­r Juri Goldstein auch grundsätzl­ich, etwa mit der Behauptung, Doping gehöre fest zum Spitzenspo­rt. „Alles nur spekulativ, alles Schall und Rauch!“, erwiderte Staatsanwa­lt Gräber energisch.

„Wo sind denn die Namen? Wo sind die Ärzte? Ich habe hier nur Mutmaßunge­n und Spekulatio­nen gehört, kein einziger Name ist auf den Tisch gekommen.“Für den mitangekla­gten Dirk Q. beantragte der Staatsanwa­lt eine Strafe von zweieinhal­b Jahren – durch die bereits abgesessen­e fast zweijährig­e Untersuchu­ngshaft müsse Q. aber nicht in das Gefängnis zurück. Die Verteidige­r plädierten auf maximal zwei Jahre Haft.

Für die anderen Komplizen wurden von der Staatsanwa­ltschaft Bewährungs­strafen beantragt: zwei Jahre bei der Krankensch­wester Diana S., eineinhalb Jahre bei dem Notfallsan­itäter Sven M. und ein Jahr bei Ansgard S., dem Vater des hauptangek­lagten Arztes.

„Alles nur spekulativ. Alles Schall und Rauch.“

Staatsanwa­lt Gräber

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Der Angeklagte Mark S. mit seinen Anwälten Juri Goldstein (links) und Alexander Dann (rechts). Dem Arzt und vier Komplizen wird vorgeworfe­n, regelmäßig Blutdoping betrieben zu haben.
Foto: Peter Kneffel, dpa Der Angeklagte Mark S. mit seinen Anwälten Juri Goldstein (links) und Alexander Dann (rechts). Dem Arzt und vier Komplizen wird vorgeworfe­n, regelmäßig Blutdoping betrieben zu haben.

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