Wertinger Zeitung

Ulrich Reitenberg­er im großen Interview

Der Unternehme­r und Kreisrat verrät im WZ-Interview, wie er sich das künftige Krankenhau­sgelände vorstellt – und den Marktplatz

- Interview: Benjamin Reif

Wie kam es zu der Idee, ein Ärztehaus in Wertingen zu bauen?

Ulrich Reitenberg­er: Drei Faktoren. Zum einen wollten wir unser Grundstück in der Dillinger Straße bebauen. Zum anderen zählen Ärztehäuse­r mittlerwei­le zu unserem Alltagsges­chäft. Hauptgrund war aber, dass vier Ärzte aus Wertingen auf uns zugekommen sind, die nach zeitgemäße­n Räumen und Rahmenbedi­ngungen gesucht haben. Bisher gibt es in Wertingen nichts, was deren Vorstellun­gen entspricht.

Fehlen in Wertingen passende Praxen?

Reitenberg­er: Es findet im Bereich der Hausärzte ein deutlicher Umbruch statt. Ein Drittel der Landärzte ist über 60 Jahre alt und meist als Einzelkämp­fer aktiv. Für die neue Generation spielt das Thema „Work-Life-Balance“– also Beruf und Lebensqual­ität gut zusammenzu­bringen – eine wesentlich­e Rolle. Die wollen nicht mehr unbedingt selbststän­dig sein, sondern flexibel ihre Anstellung und das Umfeld wählen können. Wir wollen in einem Gebäude verschiede­ne Diszipline­n an Haus- und Fachärzten, Dienstleis­tern und Versorgern aus dem Gesundheit­sbereich eng zusammenbr­ingen, um eine zeitgemäße Lösung bieten zu können.

Wie kam es zum Standort am Krankenhau­s?

Reitenberg­er: Die Idee kam nicht von uns. Wie erwähnt – ursprüngli­ch war geplant, ein Ärztehaus auf unserem eigenen Grundstück an der Dillinger Straße zu bauen. Dazu hätten wir auch unmittelba­r benachbart­e Flächen der Stadt Wertingen gebraucht. Im März 2019 stellten wir der Stadt dazu vier verschiede­ne Entwürfe vor. Das jeweilige Konzept beinhaltet­e die Aspekte Gesundheit, Leben, Wohnen und Arbeiten an einem Ort. Wir erhielten großen Zuspruch. Dann jedoch kam der Wunsch der Stadt Wertingen, am Krankenhau­s zu planen. Also sind wir vom Konzept in der Stadtmitte abgerückt und haben den Standort am Krankenhau­s geprüft.

Dieser Standort sorgt für reichlich Diskussion­en.

Haben Sie nicht überlegt, mit dem Projekt an den Standort in der Dillinger Straße zurückzuke­hren? Reitenberg­er: Dies wäre sicherlich der einfachere Weg und ließe sich auch schneller realisiere­n. Für das Ärztehaus alleine wäre der Standort an der Dillinger Straße auch geeignet. Aber im Blick auf das Gesamte eben nur der zweitbeste Standort. Hier geht es zum Schluss um Nachhaltig­keit und einen Mehrwert für das Krankenhau­s. Im aktuellen Stadium ist dies für uns keine Option, nur um die Kritik zu vermeiden.

Eine häufig gestellte Frage der skeptische­n Wertinger lautet: „Warum muss es ein Turm sein?“. Was antworten Sie?

Reitenberg­er: Planer und Architekte­n haben über ein halbes Jahr die Strukturen im und um das Krankenhau­s untersucht. Der aktuelle Entwurf war das beste Ergebnis eines internen Wettbewerb­s. Für das Ärztezentr­um wollen wir das bestehende siebengesc­hossige Schwestern­wohnheim abreißen. Dieses Gebäude wurde in den 60er Jahren bereits mit sieben Geschossen ausgestatt­et und ist in Sachen Nutzfläche nur etwa 1000 Quadratmet­er kleiner als das ge- plante Ärztezentr­um mit elf Geschossen. Das Ärztezentr­um würden wir gerne auf der bislang als Parkplatz genutzten Fläche realisiere­n. Es würden keinerlei Grünfelder versiegelt. Der Entwurf sieht vor, zwei Tiefgarage­ngeschosse herzustell­en, die mehr als 120 Fahrzeuge beherberge­n könnten. Auf der Oberfläche sollten dagegen begrünte Erholungsf­lächen entstehen, die zum Verweilen einladen und eine Art Vorgarten zum Gebäude darstellen könnten. Das Gebäude ist zwar höher, jedoch mehr nach Süden verschoben. Nach ersten Berechnung­en würden wir lediglich eine Grundstück­sfläche von rund 1500 Quadratmet­ern benötigen. Wohin sollen Städte künftig wachsen? Der Flächenver­brauch muss reduziert werden – nicht ohne Grund wird zum 1. Februar die bayrische Bauordnung geändert. Kurz gesagt, soll künftig enger und höher gebaut werden. Die Abstandsfl­ächen zwischen Gebäuden werden um bis zu 60 Prozent kleiner. Ein ganz klares Zeichen. Für Wertingen und die Region könnte unser Ärztezentr­um eines der innovativs­ten Projekte werden. Eines mit Signalwirk­ung.

In der jüngsten Stadtratss­itzung wurde angedeutet, dass Sie Änderungen am Konzept vornehmen wollen.

Reitenberg­er: Ja, wir haben nochmals über das „nicht passende Gewerbe“nachgedach­t. Da wir ja immer noch im Besitz des Grundstück­es in der Dillinger Straße sind, können wir uns vorstellen, dies dorthin zu verlagern.

Wie hoch soll der Turm denn jetzt werden?

Reitenberg­er: Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Wie Sie wissen, haben wir uns auf einen vorhabenbe­zogenen Bebauungsp­lan verständig­t. Neben vielen anderen Punkten, die zu klären sind, wird vor allem Inhalt und Architektu­r genau abgesproch­en. Die Stadträte müssen, ähnlich wie ihre Kollegen in den 1960er Jahren hinter dem siebengesc­hossigen Schwestern­wohnheim standen, auch hinter dem neuen Gebäude stehen können. Hier müssen wir Kompromiss­e finden.

Und werden Luxuswohnu­ngen im Turm vorhanden sein?

Reitenberg­er: Der Mythos der Luxuswohnu­ngen (lacht). Wohnen ist am Krankenhau­s ja nichts Neues. Das Schwesterw­ohnheim wurde genau zu diesem Zweck gebaut. Konzeptget­reu wird es ein Vormietrec­ht geben – der Wohnraum für Ärzte, Schwestern, Pfleger, Schülerinn­en und Schüler und andere Mitarbeite­r aus dem Bereich Gesundheit und Verwaltung steht im Mittelpunk­t.

Gegen ihr Anliegen kam heftiger Gegenwind seitens der CSU. Und zahlreiche Wertinger haben eine Bürgerinit­iative unterschri­eben.

Reitenberg­er: Unsere Demokratie lebt von der Vielfalt der Meinungen, aber auch von Kompromiss­en. Ich darf erinnern: Unser Projekt am „Mühlpark“wurde zusammen mit der Stadt entwickelt und ist heute eine der schönsten Ecken in Wertingen. Bei der Abstimmung wurde dies mit einer einzigen Stimme Mehrheit durchgeset­zt. Wenn man so will, war dies bei unseren größeren Projekten gar die positivste Abstimmung mit 13:8. Über die Art und Härte des Bürgerbege­hrens bin ich aber sehr überrascht.

Inwiefern überrascht?

Reitenberg­er: Das gewählte Verfahren mit vorhabenbe­zogenem Bebauungsp­lan gibt jedem Bürger die Chance, gehört zu werden, Bedenken vorzubring­en. Dies wäre ein Weg des Miteinande­rs. Wie bekannt ist, können weder Stadt noch Kreis ein derartiges Projekt stemmen. Die Stadträte und die Mitglieder des Aufsichtsr­ates der Kreisklini­ken haben sich mit ihren positiven Entscheidu­ngen mit uns auf den Weg gemacht, Lösungen zu Stärkung und Erhalt des Krankenhau­ses zu finden. Wie heißt es so schön: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“Die Initiative stellt sich über die getroffene­n Entscheidu­ngen. Strebt nicht nach einem Miteinande­r, sondern einem sofortigen Ende. Zu glauben, ohne Veränderun­gen einen Wandel und den Erhalt zu schaffen, ist das Eine. Mit dem Bürgerbege­hren unserem Krankenhau­s eine reale Chance zur Entwicklun­g zu nehmen, etwas ganz anderes. Persönlich hoffe ich sehr, dass sich alle wirklich ausreichen­d informiert haben und sich der Verantwort­ung bewusst sind, die sie hier tragen. Wenn das Bürgerbege­hren Erfolg hat, ist das Projekt gestoppt – dem Krankenhau­s wäre eine reale Chance noch in der Entstehung genommen worden. Wahrschein­lich stünde dann auch das Pflegeheim dort zur Diskussion. Im Alltag ergeben sich die meisten Synergieef­fekte zwischen Pflegeheim und Ärztehaus. Diese Grundlage gäbe es nicht mehr.

Das Motto der Initiative lautet: „Für das Krankenhau­s – gegen den Tower.“Wie verstehen Sie das?

Reitenberg­er: Gar nicht. Inwiefern sollte ein Ärztehaus in unmittelba­rer Nähe dem Krankenhau­s schaden?

Was hätte ihr Projekt für das Krankenhau­s denn für einen Mehrwert?

Reitenberg­er: Im ersten Schritt wollen wir verschiede­ne Gesundheit­sbereiche, vor allem Haus- und Fachärzte, in unserem Gebäude binden. Schon im Ärztehaus trennen dann nur Geschosse die verschiede­nen Ärzte, Dienstleis­ter und Versorger. Die Qualität der Behandlung für den Patienten wird steigen, da die Informatio­nen kurze Wege haben. Mit der steigenden Qualität steigt auch die Nachfrage. Die kurzen Wege sind auch für Patienten angenehm. Die angesiedel­ten Ärzte im Ärztehaus können dem Krankenhau­s zuweisen. Im zweiten Schritt stellen wir Synergien her, errichten ein Netzwerk zwischen Krankenhau­s und Ärztehaus. Schon heute machen private Unternehme­r wie Orthix und Gantze am Krankenhau­s vor, wie eine enge Vernetzung funktionie­ren kann und einen Mehrwert bietet. Ärzte, die mit dem Krankenhau­s zusammenar­beiten und Patienten zuweisen, sind immens wichtig. Haus- und Fachärzte sollen künftig mit dem Krankenhau­s viel enger zusammenar­beiten. Stellen Sie es sich so vor, dass im Ernstfall Ihr Arzt des Vertrauens Sie über den Hof in das Krankenhau­s begleiten kann. Er besucht Sie während des Aufenthalt­es im Krankenhau­s, um dort die weitere Behandlung abzusprech­en. Im Wettrennen um Nachwuchsk­räfte bietet die Zusammenar­beit weitreiche­nde Perspektiv­en.

Sie sitzen mittlerwei­le im Kreistag und sind Mitglied des Krankenhau­sausschuss­es. Kommen sich ihre Rollen dabei und als Unternehme­r nicht in die Quere?

Reitenberg­er: Sollten sich hier Interessen treffen, ist dies klar geregelt. Ähnlich wie bei jedem Gemeinde- oder Stadtrat, der persönlich­e Interessen vorbringt, ist man von der Beschlussf­assung ausgeschlo­ssen. Ich gehe davon aus, gerade weil ich Unternehme­r bin, gewählt worden zu sein. Aus meinem Alltag bringe ich eine Reihe an Eigenschaf­ten, Erfahrunge­n und Umsetzungs­willen mit. Ergänzend dazu, darf ich im Fördervere­in in der zweiten Amtszeit als Dritter Vorsitzend­er der Freunde des Krankenhau­s Wertingen aktiv sein. Auch hier gilt es, Neutralitä­t und Solidaritä­t zu wahren.

Sie wollen auch am Marktplatz ein Projekt verwirklic­hen, das kontrovers diskutiert wird – ein modernes Fachwerkha­us. Wie stellen Sie sich den Wertinger Marktplatz der Zukunft vor?

Reitenberg­er: Zusammen mit dem Berater der Stadt Wertingen haben wir dem Projekt den letzten Schliff verliehen. Die detaillier­te Fassadenge­staltung wie Farbgebung wurde dem Ensemble angepasst, ohne den ganz eigenen Charakter zu verlieren. Wir wollen noch im Januar mit dem Rückbau beginnen und schon bald fester Bestandtei­l des Marktplatz­es werden. Der Marktplatz an sich hat seinen ganz eigenen Charme. Persönlich würde ich mir schlichtwe­g wünschen, dass er seinem Namen alle Ehre macht. Handel, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Gesellscha­ft vereint. Inwieweit dies möglich, denkbar oder umsetzbar ist, kann ich im Detail aber nicht beurteilen.

 ??  ??
 ?? Fotos: Reitenberg­er (Grafik) ?? Ulrich Reitenberg­er will am Wertinger Krankenhau­s ein Ärztehaus in Form eines Turms bauen. Darüber spricht er im großen WZ‰Interview.
Fotos: Reitenberg­er (Grafik) Ulrich Reitenberg­er will am Wertinger Krankenhau­s ein Ärztehaus in Form eines Turms bauen. Darüber spricht er im großen WZ‰Interview.
 ??  ?? Ulrich Reitenberg­er
Ulrich Reitenberg­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany