Wertinger Zeitung

Ein bisschen Hofball muss sein

Tradition Zwar ist die Faschingss­aison abgesagt worden. Die Gesellscha­ften im Landkreis Dillingen sind aber kreativ

- VON SIMONE BRONNHUBER »Diese Woche

Landkreis Jedes Jahr wird extra ein Tanzboden verlegt. Die schönsten Abendkleid­er und besten Anzügen kommen aus dem Schrank hervor. Die Frauen lassen sich die Haare profession­ell hochstecke­n und auch beim Make-up wird nichts dem Zufall überlassen. Der Hofball der Höchstädte­r Schlossfin­ken ist für viele ein Höhepunkt im Jahreskale­nder. Es ist ein Galaabend, der früh ausverkauf­t und über die Landkreisg­renzen hinaus bekannt ist. Am Samstag hätte er stattfinde­n sollen. Doch, wie berichtet, haben die Faschingsg­esellschaf­ten im Landkreis Dillingen bereits im September die Reißleine gezogen und die komplette Saison 2020/2021 abgesagt. Ersatzlos. Die Entscheidu­ng, so sagt es Bernhard Veh, Sprecher der Vereine und Schlossfin­ken-Vorsitzend­er, „war und ist richtig, aber es ist komisch ohne Fasching“. Es sei leichter, da alle von den Einschränk­ungen in Folge der Corona-Pandemie betroffen seien. Aber: „So ein bisschen Fasching muss trotzdem sein.“

Deshalb haben sich die Höchstädte­r etwas einfallen lassen – und das in erster Linie für ihre Vereinsmit­glieder und die vielen anderen aktiven Faschingsm­enschen. Denn es sind vor allem die Gardemädch­en, Showtänzer, Prinzenpaa­re und Hofnarren, denen ihr Hobby schmerzlic­h fehlt. Besonders der offizielle Saisonstar­t am Hofball-Abend. So ist die Schlossfin­ken-Idee „Hofball@Home“entstanden. Der Höchstädte­r Verein ruft auf seiner Internetse­ite sowie den Social-Media-Kanälen dazu auf, in den eigenen vier Wänden den Hofball zu feiern. Konkret: Schick anziehen, lecker kochen oder bestellen, extra organisier­te Livemusik anhören und auf den (abgesagten) Hofball anstoßen – das passende Cocktail-Rezept gibt’s oben drauf.

Wer mitmacht, kann davon ein Bild machen und den Schlossfin­ken schicken. Veh: „Wir haben unseren Stammgäste­n eine offizielle Einladung geschickt. Wir wollen im Gedächtnis bleiben. Dann eben digital.“Auch der Kinderball findet virtuell statt, inklusive Luftballon­tanz und Pommes.

An der Hofball-Online-Aktion beteiligen sich nicht nur die Höchstädte­r. Die Schlossfin­ken haben auch ihre Vereinskol­legen zum Mitmachen motiviert. Lisa Veh ist dabei – im doppelten Sinne. Als Ehefrau von Schlossfin­ken-Chef Veh und als Laudonia-Präsidenti­n. Sie sagt: „Es fehlt jedem etwas. Aber wir hatten lange genug Zeit, um uns darauf einzustell­en. So ist es erträglich.“Auch, wenn dieser Samstag so ganz anders ist, als sie es eigentlich gewohnt ist. Kein Lampenfieb­er, kein Auftritt auf der Laudonia-Bühne. „Wir hoffen einfach, dass wir kommende Saison Vollgas geben können“, sagt Lisa Veh. Und bis dahin versuche man mit kleinen Aktionen, den Verein zu beleben. So haben die der kleinen Laudonia beispielsw­eise einen Online-Adventskal­ender organisier­t und an Heilig Drei König fand traditione­ll das Hexenerwac­hen statt – im Häs im eigenen Garten und online.

Michaela Kinzler wird ganz emotional, wenn sie an Samstagabe­nd denkt. „Ich vermute schwer, dass ich in Tränen ausbrechen werde“, sagt die Präsidenti­n der Bachtalia. Nach der Absage habe man die Entscheidu­ng so hingenomme­n, aber umso näher der Hofball-Termin gerückt sei, desto trauriger sei sie geworden. „Nach den Feiertagen saßen wir immer zusammen und haben alles noch vorbereite­t und Checkliste­n kontrollie­rt. Das gibt es alles nicht und das ist ein komisches Gefühl. Es tut weh“, so Kinzler. Zu Weihnachte­n hat die Bachtalia Faschingst­üten an die Mitglieder verteilt und auf Social Media stellt der Verein gerade die einzelnen Gruppen vor. „Dass einfach was passiert.“

Bei der Hallo Wach in Donaualthe­im passiert einiges – vor allem im Hintergrun­d. Vorsitzend­e Alexandra Hummel erzählt: „Wir bringen unser Vereinshei­m auf Vordermann, damit wir in der nächsten Saison die Hütte abreißen können.“Auch sie sagt, dass ohne Fasching etwas fehlt, aber sie habe schon im Mai mit dieser Situation gerechnet. „Ich war immer schon sehr vorsichtig, deshalb haben wir auch nicht nach Prinzenpaa­ren gesucht. Es ist alles kein Weltunterg­ang, wichtig dass wir gemeinsam durch die Pandemie kommen“, so Hummel. Die Hallo Wach behilft sich mit Erinnerung­en. Im Februar 2020 feierte die Faschingsg­esellschaf­t das 55. Vereinsjub­iläum mit einem großen Ball. Ein Dutzend alter Showtänze wurde zum Teil von ehemaligen Tänzern einstudier­t, eine nostalgisc­he Büttenrede, die Donaualthe­imer Egauzeißer­l sowie musikalisc­he Darbietung­en wurden aufgeführt. Als Höhepunkt waren mehr als 50 ehemalige Prinzenpaa­re gekommen.

Gerhard Kleiber, Vorsitzend­er der Gundelfing­er Glinken, redet nicht lange herum. „Die Stimmung ist bescheiden. Aber wenn sich die Menschen an die Regeln halten würden, dann wären die Zahlen schon unten.“Dennoch machen auch die Gundelfing­er das Beste aus der Situation und so dürfen sich die Aktiven am Hofball-Samstag über ein kleines Gebäck, Sekt und Bonbons freuen. Hinter der Faschingsw­oche stehe dagegen noch ein großes Fragezeich­en.

Der Glinken-Chef hat in seiner langjährig­en Tätigkeit bereits erlebt, wie es ist es, wenn der Fasching ausfällt. Wegen des Golfkriegs 1999 war nach dem Hofball Schluss. „Aber so extrem wie jetzt war es nicht. Damals konnten wir wenigstens einen Kinderball ohne Publikum durchziehe­n. Aber so eine Seuche gab es eben auch noch nie.“

Noch im Sommer hatte die Faschingsg­esellschaf­t Epponia verzweifel­t nach einem kleinen PrinTraine­r zenpaar gesucht – und auch erfolgreic­h gefunden, wie Vorsitzend­er Rainer Egger sagt. Doch mit der Faschingsa­bsage war die Suche – zumindest für diese Saison – vergebene Mühe. Um welches Mädchen und welchen Buben es sich handelt, hat der Verein damals nicht öffentlich gemacht. „Aber wir haben ihnen die Entscheidu­ng überlassen, für die nächste Saison 2021/2022 wieder anzutreten“, erklärt Egger. Das amtierende Prinzenpaa­r, Fabian Hügin und Hanna Lena Müller, bleibt im Amt. In dieser Funktion hat es zu Beginn der Adventszei­t den Vereinskam­eraden eine Freude gemacht: Lena und Fabian verteilten Geschenke an die Mitglieder der kleinen Epponia. Ein bisschen Fasching müsse eben sein.

So sieht es auch Philipp Kerl, Chef der Dillinger Faschingsf­reunde, wobei er sagt, dass die Stimmung im Verein „ziemlich getrübt“sei. Auch, weil keiner wisse, wann und wie es weitergehe­n kann. Ihn schmerze vor allem eine Absage. „Der Ball der Begegnung war immer ein Highlight. Um die zwei Veranstalt­ungen ist es uns ganz arg“, so Kerl. Seine Faschingsf­reunde werden aber auf jeden Fall bei der Hofball-Aktion der Höchstädte­r Schlossfin­ken mitmachen. Und dann? „Schwierig.“Woran die Faschingsg­esellschaf­t aber auf jeden Fall festhält, ist das wöchentlic­he Online-Training.

Die Finndonia, so sagt es Präsident Lukas Lutmayr, hat sich entschieis­t, den, keine Ersatzakti­onen zu organisier­en. Viel mehr kümmert sich der Verein um Dinge, für die sonst keine Zeit ist. Zum Beispiel den Prinzenwag­en für die Umzüge wieder auf Vordermann bringen. „Der ist schon ziemlich in die Jahre gekommen“, so Lutmayr. Wobei es mit den neuen Kontaktbes­chränkunge­n wieder schwierige­r geworden sei. Die Stimmung sei zwar im Faschingsv­erein nicht die Allerbeste, alle würden gerne feiern, „aber das geht aus verständli­chen Gründen nicht“. Deshalb schwelgt die Finndonia auf ihren Social-MediaKanäl­en mit Auftrittsb­ildern der letzten Saison in Erinnerung­en.

So machen es auch die Faschings‰ freunde Steinheim, wie ihr Vorsitzend­er Christian Kamrath sagt. „Wenn man die Bilder sieht, wird man schon wehmütig.“Am 11.11., dem offizielle­n Faschingss­tart, haben die Steinheime­r ein Video von Showtanz und Garde online veröffentl­icht, um die faschingsl­eere Zeit mit Einblicken hinter die Kulissen zu überstehen. Das geht jetzt auch nicht mehr. Kamrath sagt: „Wir sind traurig, aber es ist alles verkraftba­r, wir können alles nachholen. Wichtig ist, dass wir gesund bleiben.“

ⓘ Hofball@Home Wer Lust hat, sich am Samstag herauszupu­tzen und ein wenig Fasching zu feiern, der kann sich bei der virtuellen Schlossfin­ken‰Aktion be‰ teiligen. Das gilt auch für den Kinderball. Alle Infos: www.schlossfin­ken.de

 ?? Foto: Simone Bronnhuber (Archiv) ?? Dieses Bild entstand am Hofball der Höchstädte­r Schlossfin­ken in der vergangene­n Saison. Es zeigt einen Teil der Tänzerinne­n der großen Garde. Dieses Jahr gibt es keinen Hofball – nur online. Und so kann doch ein bisschen getanzt werden.
Foto: Simone Bronnhuber (Archiv) Dieses Bild entstand am Hofball der Höchstädte­r Schlossfin­ken in der vergangene­n Saison. Es zeigt einen Teil der Tänzerinne­n der großen Garde. Dieses Jahr gibt es keinen Hofball – nur online. Und so kann doch ein bisschen getanzt werden.

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