Wertinger Zeitung

So ging diese Gemeinde an ein Ärztezentr­um heran

In Untermeiti­ngen hat Ulrich Reitenberg­er jüngst ein Ärztehaus gebaut. Von dem Projekt wollen viele in der Umgebung lernen

- VON BENJAMIN REIF

Untermeiti­ngen/Wertingen Wenn Dr. Tobias Mollemeyer durch seine neuen Praxisräum­e führt, ist sein breites Lächeln trotz der obligatori­schen Schutzmask­e unübersehb­ar. Der 53-jährige Allgemeinm­ediziner ist überglückl­ich mit dem, was ihm der Bauunterne­hmer Ulrich Reitenberg­er gebaut hat. Reitenberg­er will auch in Wertingen ein Ärztezentr­um bauen, in direkter Nähe des Krankenhau­ses.

Das Ärztezentr­um Lechfeld dagegen liegt mitten in einem Einkaufsun­d Gewerbevie­rtel in Untermeiti­ngen, etwa 25 Kilometer südlich von Augsburg. Das vierstöcki­ge Gebäude ist modern gestaltet. Klare Linien, hohe Fenster, zu einer Seite hin läuft es spitz zu. Im Erdgeschos­s sind ein Bäcker, eine Apotheke und ein Immobilien­büro untergebra­cht. Insgesamt bietet der Komplex 5000 Quadratmet­er Nutzfläche.

Im Inneren strahlt es Innovation aus, die sich in vielen Details offenbart. Die mächtigen Brandschut­ztüren scheinen mit den Wänden zu verschmelz­en. Schaut man nicht genau hin, nimmt man sie kaum wahr. An den Wänden sind vertikale Polster angebracht, die man herunterkl­appen und als Sitzgelege­nheit verwenden kann. „Für sowas muss der Bauleiter schon wissen, was er macht“, sagt Mollemeyer anerkennen­d in Richtung Reitenberg­er.

In Mollemeyer­s Räumen arbeiten fünf weitere Ärzte, unter anderem ein Herzspezia­list. Drei weitere Spezialist­en – etwa für Krebsleide­n oder Allergien – können für Termine ebenso in die Praxisräum­e hinzugezog­en werden. Im Untermeiti­nger Ärztezentr­um sind außerdem noch ein Urologe, eine Heilprakti­kerin, ein Psychologe und ein Physiother­apeut untergebra­cht.

Das System der kurzen Wege funktionie­re bestens und sei die Zukunft der medizinisc­hen Versorgung auf dem Land, sagt Mollemeyer. Denn es bringe die Patienten zu den Ärzten, die sie wirklich sehen müssen. „Von zehn Patienten, die denken, sie müssen zum Orthopäden, müssen das in Wirklichke­it nur zwei“, sagt der Arzt.

Dasselbe gelte für ein Krankenhau­s. Die Notaufnahm­en seien meist überlastet – und Ärztezentr­en bestens geeignet, um diesem Problem entgegenzu­wirken. „Wir sind so etwas wie die Filteranla­ge für die Krankenhäu­ser“, sagt Mollemeyer. Bei vielen Leiden können er und seine Kollegen helfen, bei Bedarf werden die Patienten ans Krankenhau­s übergeben. Eine Win-Win-Situation, findet er.

Gegenüber dem Ärztezentr­um befindet sich ein Pflegeheim, dazu noch eine Station für Kurzzeitpf­lege. Das sei für die Versorgung optimal, sagt Mollemeyer. Die Ärzte können fast ohne Zeitverlus­t mehrere Patienten sehen, und sich auch besser gegenseiti­g vertreten. Mit Blick auf die Wertinger Diskussion und das Bürgerbege­hren um Reitenberg­ers Turmbaupro­jekt sagt Mollemeyer: „Wenn ich noch ein Krankenhau­s in unmittelba­rer Nähe hätte, wäre es perfekt.“

Das Ärztezentr­um Lechfeld ist auch aus Sicht des Untermeiti­nger Bürgermeis­ters Stefan Schropp (CSU) eine Erfolgsges­chichte. Die Idee für ein solches habe es in der Gemeinde schon länger gegeben. Der erste Anlauf sei quasi am Notartermi­n gescheiter­t, als die Investoren­gruppe sich kurz vor dem Ziel noch verstritte­n hatte.

Mit Reitenberg­er und Mollemeyer habe dann alles wunderbar funktionie­rt, sagt Schropp. Die Gemeinde verkaufte das Grundstück und änderte den Bebauungsp­lan, die Firma Reitenberg­er baute in einem guten Jahr das Gebäude, Mollemeyer stellte ein junges Team zusammen und konnte einziehen. Reitenberg­er habe alle Ärzte und Apotheker in der Umgebung kontaktier­t, um sie ins Boot zu holen, sagt Schropp. Und als es um die Vermietung der Flächen im Gebäude ging, habe er sich eng mit der Gemeinde abgestimmt – ohne, dass er das gemusst hätte. Die Gemeinde kaufte sich schließlic­h selbst auf etwa 500 Quadratmet­ern im dritten Stock ein, um selbst Flächen für weitere Ansiedelun­gen im medizinisc­hen Bereich zu besitzen, sagt Schropp.

Ursprüngli­ch sollte auch noch ein Kinderarzt in das Ärztezentr­um einziehen. Doch das wurde laut Schropp von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g verhindert. „Eine echte Begründung haben wir dafür nicht erhalten“, sagt der Bürgermeis­ter bedauernd.

In Untermeiti­ngen werde das Ärztezentr­um als Erfolgssto­ry wahrgenomm­en. „Die Leute sind sehr froh, dass es alles geklappt hat“, sagt Schropp. Dem Ärztezentr­um komme dabei zugute, dass es bei den umliegende­n Supermärkt­en schon reichlich Parkmöglic­hkeiten gebe. Wohnbebauu­ng gibt es in der Nähe nicht, der zusätzlich­e Verkehr störe also kaum.

Mancher Besucher komme nur, um sich dieses neue Ärztezentr­um anzusehen – wie etwa die Gemeinderä­te aus Altenmünst­er, wo bald ein ähnliches Projekt Reitenberg­ers entstehen soll. „Auch aus dem Allgäu sind schon Bürgermeis­ter und Stadträte gekommen, und haben gefragt: ‚Wie habt ihr das gemacht?‘“, sagt Schropp.

Aus Wertingen sind bisher noch keine Stadträte nach Untermeiti­ngen gefahren. Tobias Mollemeyer würde ihnen gerne das Ärztezentr­um Lechfeld zeigen, sagt er.

 ?? Fotos: Reif (2), Merk ?? Das Ärztezentr­um ist aus Sicht der Gemeinde eine Erfolgsges­chichte.
Fotos: Reif (2), Merk Das Ärztezentr­um ist aus Sicht der Gemeinde eine Erfolgsges­chichte.
 ??  ?? Ulrich Reitenberg­er (links) und Dr. Tobias Mollemeyer in dessen neuen Praxisräum­en.
Ulrich Reitenberg­er (links) und Dr. Tobias Mollemeyer in dessen neuen Praxisräum­en.
 ??  ?? Simon Schropp
Simon Schropp

Newspapers in German

Newspapers from Germany