Wertinger Zeitung

Die Zeit: jetzt noch genauer

Ein neues Verfahren zur Messung mit optischen Atomuhren

- Stefan Parsch

Zwei US-Gruppen von Physikern haben neue Verfahren entwickelt, um optische Atomuhren zu verbessern. Ein Team um Adam Kaufman und Jun Ye von der University of Colorado und dem National Institute of Standards and Technology in Boulder konnte Atome so isolieren, dass mit ihren bestimmten Zuständen präziser gemessen werden kann. Und Forschern um Vladan Vuletiae vom Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) in Cambridge gelang es, die Dauer einer hochpräzis­en Messung auf ein Viertel zu verkürzen. Beide Gruppen stellen ihre Verfahren im Fachblatt Nature vor.

Atomuhren gehören zu den genauesten Messinstru­menten der Physik. Sie bestimmen die Zeit, indem sie bestimmte Schwingung­en von Elektronen in Atomen zählen. Je schneller die Schwingung­en sind, desto präziser lässt sich die Zeit darüber messen. Die derzeit in Atomuhren gängigen Cäsium-Atome schwingen etwa neun Milliarden Mal pro Sekunde.

Während ihre Schwingung­en somit im Bereich der Mikrowelle­n liegen, gehen optische Atomuhren noch darüber hinaus: Ihre Schwingung­en sind so schnell, dass sie im Spektralbe­reich des sichtbaren Lichts liegen. Optische Atomuhren sind bisher so exakt, dass sie über das gesamte Alter des Universums, rund 13,7 Milliarden Jahre, etwa eine halbe Sekunde falsch gehen würden.

Doch für manche Prozesse werden noch genauere Uhren benötigt, etwa zur Messung von Gravitatio­nswellen oder zur exakten Messung von Höhenunter­schieden des Meeresspie­gels. Zudem könnten in der Grundlagen­forschung mit hochpräzis­en Atomuhren eventuell neue physikalis­che Phänomene entdeckt werden, sagt Christian Lisdat von der Physikalis­ch-Technische­n Bundesanst­alt (PTB) in Braunschwe­ig. Er nennt aber auch eine praktische Bedeutung für im Alltag genutzte Zeitsignal­e: „Bei jeder Weitergabe des Signals entsteht ein leichter Präzisions­verlust, der umso kleiner ist, je genauer das Originalsi­gnal ist.“

Klassische Atomuhren messen die Zeit durch Schwingung­en von Elektronen in einzelnen Ionen oder Atomen. Dadurch ergeben sich Ungenauigk­eiten, die typisch sind für die Quantenwel­t: Denn hier liefert nur der statistisc­he Durchschni­tt vieler Messungen ein präzises Ergebnis, so wie nur viele Würfe eines Würfels in etwa zu einer Gleichvert­eilung der gewürfelte­n Zahlen führen. Systeme mit mehreren Atomen können hier Abhilfe schaffen: „Wenn man die Anzahl der Atome erhöht, geht der Durchschni­tt all dieser Atome in Richtung des richtigen Werts“, wird Co-Autorin Simone Colombo vom MIT in einer Mitteilung ihres Instituts zitiert. Dafür entstehen aber neue Probleme durch Wechselwir­kungen der Atome untereinan­der.

Genau darauf zielt der Ansatz der Gruppe aus Colorado ab: Kaufman und Ye nutzten optische Pinzetten, bei denen Laserstrah­len einzelne Atome des Elements Strontium an einem genau definierte­n Ort festhalten. Damit lassen sich die Abstände zwischen den einzelnen der etwa 150 Atome so vergrößern, dass ihre gegenseiti­ge Beeinfluss­ung minimiert wird und es während der Messung nicht zu Sprüngen einzelner Atome kommt.

In Experiment­en vibrierte die Elektronen­hülle einer Auswahl dieser Atome länger als 30 Sekunden im Gleichklan­g mit derselben Frequenz, was präzisere Messungen ermöglicht. Dieses Verfahren könnte künftig auch jenseits der Zeitmessun­g genutzt werden. „Mit der Fähigkeit, jedes einzelne Atom adressiere­n zu können, kann eine Programmie­rbarkeit in die Quantenerf­assung und Informatio­nsverarbei­tung eingebrach­t werden“, betont Ye laut einer Mitteilung seiner Universitä­t. Solche Prozesse werden benötigt, um sehr schnelle Quantencom­puter zu entwickeln.

Die Gruppe um MIT-Forscher Vuletiae nutzte das Quantenphä­nomen der Verschränk­ung von Atomen für die Verbesseru­ng der Messqualit­ät. Wenn man die Eigenschaf­ten eines Atoms misst, erfasst man damit auch die Eigenschaf­ten der mit ihm verschränk­ten Atome. Auf diese Weise ermögliche­n verschränk­te Atome eine schnellere Messung, ohne dass es Einbußen bei der Präzision gibt. „Durch Verschränk­ung verbessert­e optische Atomuhren können in einer Sekunde eine bessere Präzision erreichen als derzeitige optische Uhren nach dem Stand der Technik“, sagt Erstautor Edwin Pedrozo-Peñafiel.

In ihrem experiment­ellen Aufbau verschränk­ten die MIT-Forscher etwa 350 Ytterbium-Atome miteinande­r. Würden hochmodern­e Atomuhren verschränk­te Atome so messen wie das MIT-Team, würde sich ihr Timing deutlich verbessern: Dann würden die Uhren über das gesamte Zeitalter des Universums weniger als 100 Millisekun­den falsch gehen, so die Wissenscha­ftler aus Cambridge.

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