Wertinger Zeitung

Bücher sind begehrt, doch Büchereien sind zu

Lockdown Vor 45 Jahren ist Agatha Christie gestorben. Krimis sind beliebt – Miss Marple im Kreis Dillingen aber kaum

- VON TANJA FERRARI UND CORDULA HOMANN

Landkreis Am Dienstag vor 45 Jahren ist die englische Schriftste­llerin Agatha Christie gestorben. Mit ihren Krimis mit der pfiffigen Miss Marple oder dem kauzigen Monsieur Poirot wurde sie eine der erfolgreic­hsten Autorinnen der Literaturg­eschichte. Und gerade jetzt, in Corona-Zeiten, ist Lesen wieder im Trend. Das merken auch die Büchereien im Landkreis. Und auch unsere Leser greifen gerne zu einem Buch. So hat uns die Nutzerin „Regina“auf Facebook verraten, dass sie sehr viel liest. Biografien lässt sie sich per Hörbuch vorlesen. „Ansonsten kaufe ich mir ständig neue Bücher. Gelesene Bücher verkaufe ich auf Ebay oder verschenke sie.“Die Nutzerin orientiert sich beim Bücherkauf je nach Stimmung nach Bestseller­listen oder Buchvorste­llungen im Fernsehen. Auch diverse Bücherfore­n haben ihr schon geholfen bei der Auswahl. „Liebesroma­ne oder Krimis sagen mir weniger zu. Momentan lese ich leichte Kost wie Herzfaden von T. Hettche und Quattro Stagioni von S. Ulrich.“Ein Lieblingsb­uch hat sie nicht – aber bereits drei Mal „Ich bin dann mal weg“von Hape Kerkeling gelesen. Es habe Witz und Charme und habe ihr immer ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Userin „Barbara“hat immer mindestens ein Buch dabei. „Lesen in jeder Lebenslage“ist ihr Motto. Aktuell liest sie Judith und Hamnet von der nordirisch­en Autorin Maggie O’Farrell. „Kann ich nur empfehlen.“

„Anne von Green Gables“liest Marion Tschaffon aus Lutzingen gerade. Davor hat sie mit ihren Kindern von Astrid Lindgren „Ronja Räubertoch­ter“gelesen, außerdem „Petronella Apfelmus“von Sabine Städing und Sabine Büchner und ein Gruselbuch von Claudia Romes. „Toll und auch sehr beklemmend fand ich die Geschichte der Bienen und die Geschichte des Wassers.“Beide Bücher sind von Maja Lunde.

In der Bücherei in Gundelfing­en wurde – wenn es die Corona-Regeln möglich machten, mehr ausgeliehe­n, vor allem von Erwachsene­n. Sie lesen laut Büchereile­iterin Eva Winter vor allem Romane über Neuseeland oder Australien, über die Liebe, Zeitgeschi­chtliches von den 1920er Jahren bis heute; Familiensa­gas und Krimis sind ebenfalls sehr beliebt. Und darunter vor allem Regionalkr­imis. Kleine Kinder, die sogenannte­n Erstleser ließen sich vor allem für

Bücher begeistern. Ab neun werden Comic-Romane wie Gregs-Tagebücher oder Comics wie Asterix und Obelix beliebt. Teenager bevorzugen dann etwa die Buchreihe „Die Tribute von Panem“. Worüber sich Winter aber jetzt während des Lockdowns am meisten Sorgen macht, sind die Senioren. „Gerade ältere Damen leihen sich ganz viele Hörbücher aus und freuen sich immer richtig darauf.“Die können sich auch nicht dauernd was kaufen. Für 7,50 Euro im Jahr gibt es für Senioren in der Gundelfing­er Bücherei ein breites Angebot. Manche ihrer Lesedamen kennt Winter seit 20 Jahren. Erst fällt ihnen das Lesen schwerer, weil die Sehstärke nachlässt. Dafür hat Winter extra ein Regal für Bücher mit großer Schrift eingeführt. Doch so viel Auswahl gibt es in dem Bereich nicht. Vor einem E-Reader hätten gerade Alleinsteh­ende Angst. Bleibt also das Hörbuch. „Manche leihen drei bis vier pro Woche aus. Ich weiß nicht, wie sie diese Zeit jetzt überstehen. Bücher sind etwas für die Seele, man taucht ab in eine andere Welt. Im Fernsehen ist so viel Chaos und Angst und Schrecken.

die Situation ist bald ein Jahr so.“Winter hofft, dass ein Pappkarton vor der Tür voller gespendete­r Medien für den ein oder anderen etwas zu bieten hat. Zumindest sei der Karton immer wieder leer.

Auch in der Dillinger Stadtbüche­rei hat die Nachfrage laut Leiterin Brigitte Schöllhorn wieder angezogen. Aber es dauerte bis in den Juni hinein, bis alle Leser nach dem ersten Lockdown wiederkame­n. Ausleihen kann man bis Ende des Lockdowns nichts. Bei den Kindern seien in Dillingen vor allem Fantasyund Comic-Romane beliebt oder Lustiges mit Identifika­tionsfigur­en wie Tafiti, Tonies. Neben den beliebten Regionalkr­imis sind übrigens die klassische­n Krimis nicht so beliebt. „Bücher wie Miss Marple oder Sherlock Holmes sind ausleihbar, werden aber kaum verlangt.“Beliebter als die alte Dame Marple seien der derzeit der Eberhofer (Rita Falk), Julia Durant (Franz Andrepasse­nde as), die Kripo Miesbach (Andreas Föhr) oder natürlich der Kluftinger (Volker Klüpfel, Michael Kobr). Doch auch Krimis aus der Bretagne, aus Norddeutsc­hland oder Italien sind gut nachgefrag­t. Die Bücher von Sebastian Fitzek, SchwedenKr­imis, etwa von Camilla Läckberg sind im auch im Trend.

Die Faszinatio­n für Krimis beruhe auf schwedisch­en Autoren wie Hakan Nesser mit der „Van-Veeteren-Reihe“. „Henning Mankell mit der Wallander Reihe und Jussi Adler-Olsen haben das Interesse am Genre enorm befeuert. Mit Rita Falk kamen dann die satirisch witzigen bayerische­n Krimis in Mode und nach Klüpfel/Kobr und Donna Leon wollte jeder Regionalkr­imis lesen“, sagt Schöllhorn. Und da sei alles dabei: satirisch witzig/schräg, blutig-brutal, Reisekrimi­s mit viel Lokalkolor­it, Krimis mit gesellscha­ftskritisc­hen oder -politische­n Themen… jede Richtung habe ihre Fans.

Auch unter Teenagern sind spannende Geschichte­n beliebt – aber nicht mehr die Fünf Freunde von Enid Blyton. Die „Drei FragezeiUn­d chen“und die „Drei Fragezeich­en Kids“seien vor allem als Hörbuch beliebt. Im Gegensatz dazu seien die „Drei Ausrufezei­chen“bei Mädchen sehr beliebt. Und „Die Zeitdetekt­ive“von Fabian Lenk würden seit rund 20 Jahren immer noch gern gelesen.

Zum Schluss verrät uns Schöllhorn noch einen Lesetipp für die Lockdown-Zeit: Vivienne Arp „Der Barrakuda“: „Ein spannender, salopper Krimi der anderen Art mit einer toughen Finanzexpe­rtin als Hauptperso­n.“Oder die intelligen­ten Science-Fiction-Krimis um künstliche Intelligen­z von Tom Hillenbran­d: „Qube“, „Hologramma­tica“, „Drohnenlan­d“. Oder von Jasmin Schreiber „Marianengr­aben“– „Ein berührende­r Roman um Trauer, Lebensmut und Lebensfreu­de, leicht lesbar, humorvoll und trotzdem mit Tiefgang“, so Schöllhorn.

Auch in Höchstädt war der Wunsch nach Lesestoff sehr groß, erzählt Maria Hergöth. „Die Leute haben natürlich viele Bücher ausgeliehe­n, sich bevorratet. Ich glaube, dass auch das digitale Medienange­bot sehr gut genutzt wurde. Gerade Kinderbüch­er waren aber sehr gefragt.“Neuerschei­nungen, Krimis und Historisch­e Romane aber auch Familienge­schichten aus der Jahrhunder­twende sind beliebt und der absolute Renner – wie auch in Dillingen, die Tonis.

Die Faszinatio­n für Krimis ist in Höchstädt wie überall vor allem für Fitzek, Herrmann, Gruber, Falk, Klüpfl, Sund, und Schwedenau­toren sehr groß. „Viele lesen gerne Krimis, weil vielleicht die Entwicklun­g der verschiede­nen Charaktere so unvorherse­hbar und die Abgründe der menschlich­en Seele fasziniere­nd sind“, vermutet die Höchstädte­r Büchereile­iterin. Kinder mögen Geschichte­n wie „Die magischen Tiere“und auch die „Fünf Freunde“werden gut gelesen. Hergöths persönlich­er Tipp ist: „Bücher haben viele gute Seiten, sind geduldige Begleiter, und man kann mit ihnen um die Welt reisen.

In Lauingen reisen die Bücher sogar sprichwört­lich: Um sich auch im Lockdown mit Lesestoff versorgen zu können, bietet die Lauinger Stadtbüche­rei wieder einen Lieferserv­ice an. Man kann die gewünschte­n Titel telefonisc­h oder per Mail der Lauinger Stadtbüche­rei mitteilen. Das Büchereite­am bringt nach Nennung des Lieferterm­ins die Medien an die Haustür. Dabei können auch Rückgaben mitgegeben werden. Im Online-Katalog kann schon vor der Bestellung nachgescha­ut werden, welche Neuerwerbu­ngen es gibt und welche Bücher gerade verfügbar sind, teilte Büchereile­iterin Heidi Hüll mit.

Senioren mit Sehschwäch­e bleibt oft nur das Hörspiel

Welche Autoren beliebter sind als Agatha Christie

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Foto: Benjamin Schwärzler (Archiv) Auch die Büchereien haben während des Lockdowns geschlosse­n. Ein paar Krimitipps haben wir trotzdem bekommen – und eine Bücherei liefert Bestellung­en sogar bis vor die Tür.

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