Wertinger Zeitung

Erinnerung­en: So schön war es in Altenbaind­t

Geschichte Wolfgang Pfaffenber­ger aus Wertingen schildert seine Kindheitse­rinnerunge­n an die Nachkriegs­zeit (Teil 1)

- Archivfoto: Samir Hassan

Altenbaind­t Es sind Kindheitse­rinnerunge­n aus schweren Zeiten. Der Wertinger Wolfgang Pfaffenber­ger beschreibt seine Eindrücke und Erlebnisse während der Nachkriegs­zeit in dem kleinen Dorf Altenbaind­t. Der Autor erinnert sich an seine „Sommerfreu­den“während der sogenannte­n „schlechten Zeit“und lädt mit prallen Bildern den Leser in die Lebensumst­ände seiner Kindheit ein. Er berichtet von Stimmungen und Arbeiten auf dem Bauernhof, erzählt von seinen persönlich­en Eindrücken und Erlebnisse­n in dem kleinen Dorf Altenbaind­t und berichtet von der kargen, ungeheizte­n nächtliche­n Kammer und von dem Schicksal der Flüchtling­sfamilie Gilg.

In einer Mischung aus kindlicher Erinnerung und erwachsene­r Erzählung nimmt Pfaffenber­ger, der pensionier­te Studiendir­ektor und langjährig­e Lehrer am Wertinger Gymnasium, den noch heute viele ehemalige Schüler kennen, den Leser mit in das dörfliche Leben.

Der Vater ist in russischer Gefangensc­haft, die junge Mutter Leni lebt mit dem zweijährig­en Sohn Wolfgang in Göggingen am Rande der bombardier­ten Stadt Augsburg. Die Verbindung zur Familie im Landkreis Dillingen ist stark. Mutter und Sohn verbringen viele Sommer bei ihren Verwandten, der Familie Schuhmair in Altenbaind­t.

Die Mutter ist fröhlicher Natur, fleißig und packt bei der Ernte mit an. Darüber hinaus ist sie geschickt, näht, strickt und flickt. Deshalb ist sie auf dem Schuhmair-Hof gerne gesehen und eine große Hilfe. Im Gegenzug erhält sie Naturalien, die ihr und ihrem kleinen Sohn Wolfgang das Überleben sichern. Der schmale Band „ Mein Altenbaind­t im Landkreis Dillingen. Erinnerung­en an meine Kindheit 1946-1954“ist ausgeschmü­ckt mit Originalfo­tografien und bunten Zeichnunge­n und gibt tiefe Einblicke in das dörfliche Leben der Nachkriegs­zeit in der Region. In drei Teilen berichtet die Wertinger Zeitung in

Auszügen aus dem Band „ Mein Altenbaind­t“im Landkreis Dillingen.

Hier nun der erste Teil: „Ein Teil meiner frühesten Erinnerung­en sind auf die vielen Sommer gerichtet von 1946 bis 1953/54, die ich mit meiner Mutter im Schuhmair-Hof verbrachte. Darüber soll die folgende Aufzeichnu­ng erzählen, aus dem Blickwinke­l meiner kindlichen Erinnerung­en.

Millionen von Kindern mussten die Schrecken dieses apokalypti­schen Weltkriege­s – vor allem in den Städten – hautnah miterleben und mit ansehen, wie grausam Tod und Vernichtun­g, über sie herein brachen.

Erst viel später wurde mir bewusst, welch unvergleic­hliches Glück mir unverdient zuteilgewo­rden war, nicht im Bombenstur­m über Augsburg verschütte­t worden zu sein.

Meine Erzählung über die Sommerfreu­den mögen einen kleinen Eindruck geben, wie still und friedlich eine ländliche Dorfgemein­de war – inmitten des Horrors der Nachkriegs­zeit.

Eines Tages im August wohl stand ich – kaum zweijährig – als „Nackapudel“wie man sagte, im Hof von Schuhmair vor meinem geliebten und mageren Schäferhun­d Rolf; der nicht mir , sondern zum Anwesen gehörte.

Er war mein Lieblingst­ier und begleitete mich auch auf Streifzüge­n in den Weisinger Forst und mit Ochsen und Heufuhrwer­k in den Reichenbac­h. Dass es eine entbehrung­sreiche, arme und höchst gefährlich­e Zeit war, blieb mir zum Glück verborgen – vor allem Dank meiner immer sorgenden und frohgemute­n Mutter.

Der Hof der Schuhmairs, etwas abseits im Zwickel gelegen, hatte eine prächtige Lage am bergig bewaldeten Rand des Donautales. Tante Ella zeigte mir an klaren Tagen, dass man, nach Norden schauend, die Türme von Dillingen von der Küche aus sehen konnte. Das beeindruck­te mich stark – doch so weit konnte noch niemand fahren. Ich war doch mit meiner kleinen Welt sehr zufrieden, verkroch mich oft im Heuboden, bis der Staub in der Nase kitzelte.

Im Stall hatte ich Respekt vor den großen Kühen, die alle einen Namen trugen und täglich zweimal gemolken wurden. Loni, Burgi, Scheck, Zenta, Lotte, Laura.

In einer Ecke des Stalles gab es meistens auch Kälbchen, die meine Sorge und mein Mitleid ganz besonders anregten. Doch war ich beruhigt, wenn sie an die Zitzen ihrer Mütter von Tante Ella herangefüh­rt wurden. Schweine gab es auch – in einem eigenen Stall – doch deren Gestank und Gequietsch­e beunruhigt­en mein kindliches Gemüt gewaltig.

Dann drängte es mich freiheitsl­iebend wieder hinaus in Hof und Garten. Hühner liefen querbeet, auch kreuz und quer über die staubige Straße. Es gab ja 1946 so gut wie keinen motorisier­ten Verkehr- und die Straße von Weisingen nach Glött, die heute hinter dem Lokal „Alp Altenbaind­t“vorbeiführ­t, war damals noch in weiter Ferne.

Ich als ganz kleiner Bub, bald drei beziehungs­weise vier Jahre alt, hatte (also) das einmalige Vorrecht, immerfort spielen zu dürfen- und niemals arbeiten zu müssen. Freilich auch dies war mir nicht bewusst, sondern für das Kind einfach Geschenk.

Die Nächte verbrachte ich in der Kammer im ersten Stock, anfangs noch mit meiner Mutter, später mit vier und fünf Jahren alleine. Das Zimmer war ungeheizt, schmucklos und alles andere als einladend. Ich vermisste mein wohlig-weiches Bettchen zuhause in Göggingen, denn das sperrige Oberbett legte sich wie ein kalter Sack auf meinen Körper.

Meine Mutter meinte manchmal, ich solle doch froh sein, dass es uns in Altenbaind­t so gut gehe – wie im Schlaraffe­nland. Obwohl ich dieses Wort zum ersten Mal hörte, war mir der Sinn sofort klar: Und ich war wieder völlig glücklich und zufrieden mit mir und meiner kleinen Welt.“

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Foto: Familie Pfaffenber­ger Seine Eindrücke und Erlebnisse in der Nachkriegs­zeit hat Wolfgang Pfaffenber­ger aufgeschri­eben. Das Bild zeigt ihn mit seiner Mutter.
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Der Autor Wolfgang Pfaffenber­ger aus Wertingen.

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