Von Meitingen ins Flüchtlingslager auf Lesbos
Porträt Isabella Schreiner arbeitet ehrenamtlich für eine Flüchtlingsorganisation in Griechenland. Sie denkt gerne an die Zeit in der Dr.-Max-Josef-Metzger Schule zurück, doch auf der Insel steht sie täglich vor ganz anderen Herausforderungen
Die Lehrerin Isabella Schreiner aus Meitingen engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und berichtet von ihrer Arbeit auf der griechischen Insel Lesbos:
Seit wann arbeiten Sie ehrenamtlich auf Lesbos und wie lange werden Sie noch bleiben?
Isabella Schreiner: Ich bin seit dem 1. Oktober hier und arbeite für die Organisation Refugee4Refugees (R4R). Derzeit plane ich, bis Januar zu bleiben, um noch weiter dabei zu helfen, das Camp winterfest zu machen. Denn den Bewohnern stehen die kältesten und regenreichsten Wochen und Monate erst noch bevor.
Was hat Sie dazu bewogen, nach dem Referendariat in Meitingen ehrenamtlich für Flüchtlinge zu arbeiten? Schreiner: Generell habe ich mich schon länger mit der Flüchtlingshilfe beschäftigt und mich schon während meines Studiums mit der Thematik beschäftigt. Seit einiger Zeit war dann auch der Wunsch da, mich tatsächlich auch beruflich in diese Richtung zu orientieren. Mit dem Ende des Referendariats in Meitingen habe ich mich dann entschieden, meinem Herzen zu folgen und zu versuchen, in der Flüchtlingshilfe Fuß zu fassen.
Gab es dafür einen Auslöser? Haben Sie persönliche Erfahrungen in diesem Bereich gemacht?
Schreiner: Tatsächlich gab es kein spezielles Ereignis, dass mich dazu motiviert hat. Es gibt einfach so viele Flüchtlinge auf dieser Welt, die teilweise unter katastrophalen Bedingungen jahrelang ohne Perspektive ausharren müssen. Ich habe die Hoffnung, mit meiner Arbeit zumindest für einige wenige die Situation zu verbessern. Denn ich glaube, dass man durch die Entwicklung neuer Strukturen und Aufgabenteilungen, das Leben in den Camps zukünftig menschenwürdiger machen kann.
In Meitingen haben Sie mit jungen
Menschen gearbeitet, nun mit Flüchtlingen. Wie sieht nun Ihr Arbeitsalltag aus?
Schreiner: Hier gleicht eigentlich kein Tag dem anderen. In den vergangenen Wochen habe ich viele verschiedene Arbeiten übernommen. Aber meistens starten wir um ungefähr 8 Uhr morgens im Camp. Dort treffen wir uns mit den sogenannten Community Volunteers. Das sind Bewohner, die uns bei den anstehenden Aufgaben unterstützen und helfen wollen. Momentan liegt der Fokus darauf, das Camp auf den Winter vorzubereiten. Das heißt: Zelte reparieren und mit
Planen überspannen, Europaletten als Bodenersatz verlegen oder warme Kleidung sortieren und ausgeben.
Das hört sich nach viel Arbeit an, wie viele Flüchtlinge leben denn in dem Lager?
Schreiner: Nach dem Feuer im September wurden viele aufs Festland gebracht – meist nach Athen. Momentan leben aber noch immer 7000 Flüchtlinge hier. Die Situation ist daher nach wie vor angespannt und es fehlt am Nötigsten. So gibt es zum Beispiel noch immer keine (warmen) Duschen im
Camp. Die schlechten Bedingungen und das lange Warten gehen den Bewohnern sichtlich an die Substanz und viele verlieren ihre Hoffnung.
Und die Corona-Pandemie kommt erschwerend hinzu.
Schreiner: Ich denke, das Thema ist ähnlich präsent wie im Rest von Europa. Wir alle tragen immer und überall eine Maske und für Corona positiv Getestete wurde eine Isolationsstation eingerichtet, sodass das Virus im Camp aktuell unter Kontrolle ist. Die extremen Ausgangsbeschränkungen für die Bewohner im Camp verstärken aber natürlich die Spannungen.
Wohnen Sie ebenfalls in dem Lager? Schreiner: Nein, meine Kollegen und Kolleginnen und ich wohnen in einem Haus in Mytilini. Hier teile ich mir ein Zimmer mit zwei Britinnen, die sich ebenfalls als Freiwillige bei R4R engagieren. Unsere Unterkunft ist etwa zehn Autominuten vom neuen Camp entfernt.
Wie erleben Sie die Menschen in dem Lager?
Schreiner: Am meisten berührt mich die Herzlichkeit der Menwasserdichten schen hier. Wenn mir die Bewohner von dem wenigen was sie haben aus Dankbarkeit und Gastfreundschaft Essen und Trinken anbieten – oder eines ihrer letzten Pflaster, als ich mich einmal bei der Arbeit leicht am Finger verletzt habe. Es sind die täglichen Begegnungen und Gespräche mit den Menschen, die einen bewegen. Denn je länger man hier ist, desto mehr Bewohner vertrauen sich einem an und deren Geschichten sind verschieden, aber alle tragisch.
Warum haben Sie sich für die Organisation Refugee4Refugees entschieden?
Schreiner: Mich hat vor allem das Konzept, dass wir so eng und viel mit den Bewohnern des Camps zusammenarbeiten, überzeugt. Gemeinsam versuchen wir, die Situation vor Ort zu verbessern. Auch die Geschichte, die hinter der Organisation steckt, war ein Grund, denn der Gründer ist vor fünf Jahren selbst als Flüchtling auf einer Insel in Griechenland angekommen. Er kam 2017 nach Lesbos zurück und gründete R4R, um anderen Flüchtlingen hier im Camp zu helfen.
Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach Lesbos?
Schreiner: Nach meiner Rückkehr plane ich zunächst, eine Weile zu Hause zu bleiben. Dann würde ich gerne für einige Zeit im Libanon leben und arbeiten.
Aber aufgrund der Corona-Pandemie und auch der Explosion in Beirut ist das im Moment jedoch etwas schwierig zu planen. Daher werde ich schauen, was die Zeit bringt.
Denken Sie noch gerne an Ihre Referendariatszeit in Meitingen zurück? Schreiner: Wie viele wissen, ist das Referendariat eine recht arbeitsintensive Phase.
Allerdings habe ich vor allem die Zeit mit meinen Kollegen und Kolleginnen dort sehr genossen und auch die Schülerinnen und Schüler der Realschule in Meitingen sind mir als besonders freundlich und zuvorkommend in Erinnerung geblieben.