Wertinger Zeitung

Jeder vierte Lkw fährt auf der A8 zu dicht auf

Unfallgefa­hr Bei einem Vor-Ort-Termin nimmt der Auto Club Europa den Verkehr genau unter die Lupe. Doch Lastwagenf­ahrer können oft aus einem ganz besonderen Grund den Abstand zum Vordermann nicht einhalten

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landkreis Augsburg. Es war einer der typischen Unfälle auf der A8. Der Fahrer eines Kleintrans­porters war im November bei Zusmarshau­sen einem Lastwagen aufgefahre­n, der gerade zum Überholen ansetzen wollte. Durch die Wucht des Aufpralls war der Transporte­r so deformiert, dass der 36-Jährige aus seinem Fahrzeug herausgesc­hnitten werden musste. „Ein zu geringer Sicherheit­sabstand zählt immer noch zu den Hauptunfal­lursachen auf der A8“, sagt Josef Sitterer, Chef der Autobahnpo­lizei. Die Statistik gibt ihm recht. Rund ein Viertel aller Unfälle sind im Jahr 2019 aus diesem Grund passiert. Claus-Jürgen Hartmann, Bernd Bante und Harald Eckart vom Kreisverba­nd des Auto Club Europa(ACE) haben sich nun vor Kurzem zusammen mit dem SPD-Landtagsab­geordneten Harald Güller auf einer Autobahnbr­ücke bei der Ausfahrt Augsburg-Ost getroffen, um den rollenden Verkehr einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Ein besonderer Blick galt dabei den Abständen der Lastwagen. Lastwagen waren im Jahr 2018 auf Bayerns Straßen an genau 4371 Unfällen beteiligt. Und 2019 hat es allein auf der A8 nach der Statistik des Polizeiprä­sidiums SchwabenNo­rd exakt 938 Mal gekracht. Demnach waren die Hauptunfal­lursachen eine zu hohe und nicht angepasste Geschwindi­gkeit (39 Prozent) sowie ein zu geringer Abstand (22 Prozent). „Unfälle unter Beteiligun­g von Lkw fallen aufgrund des Gewichts und der Größe der Fahrzeuge häufig schwerer aus, als das bei Personenwa­gen der Fall ist“, sagt ACE-Kreisvorsi­tzender Harald Eckart. Polizeiche­f Sitterer kennt das Problem. „Grundsätzl­ich gilt bei Lkw ein Mindestabs­tand von 50 Metern“, sagt er. Regelmäßig­e Kontrollen der Autobahnpo­lizei würden aber zeigen, dass Verstöße dagegen an der Tagesordnu­ng sind. Auch die jüngste Zählung des ACE bestätigt dies.

Nach einer halben Stunde Prüfzeit wurden laut ACE 47 Verstöße gegen den vorgeschri­ebenen Mindestabs­tand bei Lastwagen festgestel­lt. 135 Trucker hielten den nötigen Abstand von mindestens 50 Meter ein. Damit haben sich 26 Prozent nicht an den notwendige­n Abstand gehalten. Etwa ein Viertel an Verstößen stellten Güller und Eckart auch bei einem zweiten Termin fest. Diese Zahlen decken sich mit den Beobachtun­gen der Autobahnpo­lizei. Und auch Robert Schmidt, Geschäftsf­ührer der Autobahnme­isterei Pansuevia, kennt das Problem. Er weiß auch, warum es wieder zu gravierend­en Verstößen beim Mindestabs­tand kommt.

Bester Beweis für einen zu geringen Abstand ist für Schmidt, wenn ein Lastwagen mal wieder in die Warnleitan­hänger der Autobahnme­isterei kracht. Diese Anhänger werden am Stauende aufgestell­t, falls eine Spur gesperrt werden

Große Pfeile weisen auf die freie Spur hin, zudem Tafeln mit den großen gelben blinkenden Pfeilen in Kombinatio­n mit dem blauweißen Verkehrsze­ichen. Doch trotz der ob der Größe weithin sichtbaren Signalanla­ge kollidiere­n immer wieder Lastwagen mit diesen Anhängern. Für Schmidt ein Zeichen, dass der elektronis­che Dismuss. tanzmesser im Fahrzeug ausgeschal­tet wurde. „Dieser Distomat kann so eingeschal­tet werden, dass das Fahrzeug automatisc­h den Mindestabs­tand von 50 Metern einhält“, erklärt Schmidt. Doch aus unterschie­dlichen Gründen werden gerade auf der A8 zwischen Augsburg und Günzburg diese Sicherungs­systeme immer wieder von den Fahrern ausgeschal­tet.

„Dies liegt beispielsw­eise an der Topografie der Strecke“, sagt Schmidt. Zwischen Adelsried und Burgau gibt es auf der A8 erhebliche Höhenunter­schiede. Bergab schaffen es schwer beladene 40-Tonner ohne Probleme, auf der rechten Spur mitzuschwi­mmen. Doch bergauf geht auch dem stärksten Brummi schnell einmal die Luft aus. „Ein leichterer oder leistungss­tärkerer Lkw setzt daher an den Steigungen gerne zum Überholen an“, so Schmidt. Um das Manöver schnell zu absolviere­n, nutzt der hintere Lastwagen den Windschatt­en des Vordermann­s, um dann mit einem Tempoübers­chuss zügig an dem langsamere­n Lkw vorbeizufa­hren. Diese Strategie funktionie­re jedoch nur, wenn zuvor die Distanzmes­sung deaktivier­t werde.

Harald Eckart vom ACE und Harald Güller wissen um die Probleme der Lkw-Fahrer. „Viele stehen regelmäßig unter enormem Termindruc­k“, sagen sie. Erschweren­d hinzu kommen die Autofahrer, die, anstatt auf dem Beschleuni­gungsstrei­fen zu beschleuni­gen, bei Autobahnau­ffahrten abrupt vor den Lastwagen einscheren. „Damit bremsen sie zwangsläuf­ig den fließenden Verkehr und häufig auch die Lastwagen aus“, sagt Güller. Andersheru­m würden beim Verlassen der A8 viele Autofahrer nicht erst am vorgesehen­en Verzögerun­gsstreifen, sondern bereits auf der rechten Fahrspur abbremsen.

„Statt Lkw-Fahrern pauschal die Schuld zuzuschieb­en, wollen wir als ACE-Kreisverba­nd Schwaben wegen des Risikos potenziell schwerer Unfälle für die Einhaltung von Mindestabs­tänden sensibilis­ieren“, betont Eckart. Der ACE-Kreisverba­nd fordert daher von der Politik, sich für bessere Arbeitsbed­ingungen im Logistikbe­reich einzusetze­n. „Nur wenn die Lkw-Fahrer nicht permanent unter Zeitstress stehen und nur wenn sie genügend Pausen durch ausreichen­de Stellfläch­en auf Rastplätze­n einlegen können, kann es spürbare Verbesseru­ngen geben“, sagt er. Dann fahre es sich entspannte­r und vor allem sicherer, als dies jetzt der Fall sei.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Das Bild zeigt eine typische Situation auf der A8: Lastwagen fahren mit einem zu geringen Abstand hintereina­nder her. Vor allem bei Überholman­övern wird immer wieder zu dicht aufgefahre­n, um den Windschatt­en des Vordermann­s zu nutzen.
Foto: Marcus Merk Das Bild zeigt eine typische Situation auf der A8: Lastwagen fahren mit einem zu geringen Abstand hintereina­nder her. Vor allem bei Überholman­övern wird immer wieder zu dicht aufgefahre­n, um den Windschatt­en des Vordermann­s zu nutzen.

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