Wertinger Zeitung

Der Angeklagte schweigt

Prozess Vor dem Augsburger Landgerich­t hat der Prozess wegen Totschlags gegen einen 24-Jährigen begonnen. Er soll einen dreijährig­en Buben in Dillingen so schwer verletzt haben, dass dieser starb

- VON MICHAEL SIEGEL

Dillingen Der Angeklagte schweigt. Und sorgt damit dafür, dass der erste Prozesstag im Verfahren um den Totschlag eines dreijährig­en Kindes in Dillingen bereits nach knapp 20 Minuten unterbroch­en wird. Der Angeklagte, das ist ein heute 24-jähriger Mann, der im Oktober 2019 den dreijährig­en Sohn seiner damaligen Partnerin so schwer verletzt haben soll, dass das Kind in der folgenden Nacht starb.

Punkt 9 Uhr betritt das Gericht um vorsitzend­en Richter Roland Christiani den großen Schwurgeri­chtssaal des Augsburger Strafjusti­zzentrums. Im coronabedi­ngt nur weitläufig bestuhlten Saal haben vor allem zahlreiche Medienvert­reter Platz genommen.

Ihre ersten Aufnahmen haben sie zu diesem Zeitpunkt schon im Kasten. Kurz vor dem Gericht haben zwei Justizbeam­te den Angeklagte­n in den Saal geführt. Im schneeweiß­en, langärmlig­en Hemd und in Jeans betritt der 24-Jährige den Saal, das Gesicht mit einer MundNase-Maske bedeckt. Als einziger aufseiten der Prozessbet­eiligten trägt der Angeklagte seine Maske ununterbro­chen. Fragen des Gerichts zu seinen Personalie­n beantworte­t der gebürtige Heidenheim­er mit fester Stimme. Ja, er habe den

Beruf des Elektronik­ers gelernt und zuletzt bis zu seiner Verhaftung im Mai 2020 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr gedient.

Dann verliest Staatsanwa­lt Michael Nißl die Anklagesch­rift. Darin wird der Vorwurf des Totschlags gegen den zur Tatzeit 23-Jährigen präzisiert. Demnach sollte der Mann am 20. Oktober 2019, dem Kirchweih-Sonntag, die beiden Kinder seiner damaligen Lebensgefä­hrtin beaufsicht­igen, während die Mutter morgens die Wohnung verließ. Im Laufe des Tages, als der Angeklagte mit dem dreijährig­en Buben und dessen zweijährig­er Schwester allein zu Hause war, sei es zu Übergriffe­n gekommen. Wohl mindestens zwei Mal habe der Mann dem Dreijährig­en mit der Faust in die Magengegen­d geschlagen, zudem habe er den Buben gepackt, hochgehobe­n und übermäßig geschüttel­t. Als die ersten Rettungskr­äfte am Ort des Geschehens eingetroff­en waren, habe deren erste Sorge dem Leben des Buben gegolten. Zwar habe das Kind äußerlich gesehen kaum Wunden aufgewiese­n, dennoch war es in der folgenden Nacht im Krankenhau­s in Augsburg an seinen schweren Verletzung­en gestorben. Totschlag in Tateinheit mit Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft gegen den 24-Jährigen.

Dann die Frage von Richter Christiani an den Angeklagte­n, ob er sich zu den Tatvorwürf­en äußern wolle. Werde er momentan nicht tun, erklärten die beiden Verteidige­r Felix Dimpfl und Johannes Römer dem Gericht.

Zwar versuchte Richter Christiani, den Angeklagte­n davon zu überzeugen, wie hilfreich es für den Gang des Verfahrens vor allem aus der Warte des 24-Jährigen sein könne, wenn er sich bereits jetzt zu der Tat äußern würde, aber der

Angeklagte bestätigte, was seine Rechtsanwä­lte ihm geraten hatten: Er mache zum derzeitige­n Zeitpunkt keine Angaben. Und das bezog der Mann auch auf die sogenannte­n persönlich­en Verhältnis­se, die üblicherwe­ise erst später im Verfahren besprochen werden. Auch hier machte der Angeklagte keine Angaben, etwa was seinen Lebenslauf, seinen schulische­n Weg, seine Ausbildung, anbelangt.

Von Anfang an wird der 24-Jährige während des Verfahrens von einem Arzt und einem Psychiater begutachte­t. Nachdem die Verteidigu­ng für den ersten Verhandlun­gstag auch noch keine Beweisantr­äge vorbereite­t hatte, erfolgte bereits nach 20 Minuten die erste Unterbrech­ung. Insgesamt hat das Gericht in dem Verfahren 15 Prozesstag­e anberaumt, der letzte könnte nach derzeitige­m Stand der 26. März sein.

Das Verfahren wurde schon im Vorfeld mit Spannung erwartet: Denn der Fall des toten Dreijährig­en aus Dillingen hatte 2019 für Aufsehen gesorgt – auch, weil eine Anwohnerin dem Landratsam­t den Hinweis gegeben hatte, dass in der Familie etwas nicht stimme. Dabei ging es um die Hunde des Paars, aber auch um die Kinder. Der Hinweis wurde jedoch innerhalb der Behörde nicht weitergege­ben.

Die aktuellen Corona‰Werte im Landkreis Dillingen im Über‰ blick:

Aktive Fälle: 178 Labordiagn­ostisch bestätigte Fälle: 2210 Sieben‰Tage‰Inzidenz (Neuinfek‰ tionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen): 146,02 Quarantäne­fälle (Erkrankte und Kontaktper­sonen I): 494 Todesfälle: 90 (In dieser Statistik sind zwei nur klinisch‰epidemio‰ logisch bestätigte Todesfälle nicht enthalten.)

Genesen seit Beginn: 1942 Quelle: Landratsam­t Dillingen (Stand: 14. Januar, 7 Uhr)

15 Verhandlun­gstage sind für den Prozess anberaumt

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv) ?? Blick ins Augsburger Strafjusti­zzentrum. Dort ist unter anderem das Landgerich­t untergebra­cht, wo die Verhandlun­g über die Vorwürfe gegen den 24‰Jährigen stattfinde­t.
Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv) Blick ins Augsburger Strafjusti­zzentrum. Dort ist unter anderem das Landgerich­t untergebra­cht, wo die Verhandlun­g über die Vorwürfe gegen den 24‰Jährigen stattfinde­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany