Wertinger Zeitung

Wie hoch ist die Impfbereit­schaft im Landkreis?

Pandemie Um dem Coronaviru­s Herr zu werden, sollen Mitarbeite­r wie Bewohner in Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern den Impfstoff erhalten. Doch nicht jeder ist bereit dazu. Hilft eine Flasche Eierlikör?

- VON JONATHAN MAYER, CORDULA HOMANN UND ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Landkreis „Es kommt auf jeden Einzelnen von uns an, damit wir dieses verdammte Virus besiegen.“Die Worte des Geschäftsf­ührers der Benevit-Gruppe Kaspar Pfister, die unter anderem in Wittisling­en ein Pflegeheim führt, sind unmissvers­tändlich. Er richtet sich direkt an seine rund 2000 Mitarbeite­r und appelliert dazu, sich impfen zu lassen. Denn während die Bereitscha­ft unter den Bewohnern recht hoch ist, haben viele Mitarbeite­r ihre Bedenken, wenn es um den Impfstoff geht.

Bei Benevit, das geht aus einer Pressemitt­eilung hervor, liegt die Bereitscha­ft unter den Mitarbeite­rn bei nur etwa 30 Prozent. Im Haus Egautal in Wittisling­en wurden von 55 Bewohnern bislang 44 geimpft. Von den 57 Mitarbeite­rn wiederum nur 14. Als Ansporn hat sich der Benevit-Chef etwas einfallen lassen: Für jeden im Unternehme­n, der sich impfen lässt, gibt es eine Flasche Eierlikör. „Denn bei aller Ernsthafti­gkeit darf der Spaß nicht fehlen.“

Pfister ruft seine Einrichtun­gen und Pflegedien­ste außerdem zu einer Challenge auf. Jede Einrichtun­g, in der sich mindestens 60 Prozent der Belegschaf­t impfen lässt, bekommt einen Bonus von 1000 Euro. Davon kann sich das Team dann etwas Schönes gönnen – das gilt auch für jene Einrichtun­gen, in denen bereits geimpft wurde, denn eine Anmeldung zur Impfung ist im Nachhinein immer noch möglich.

Doch bringt diese kuriose Art der Überzeugun­gsarbeit etwas? Pfister findet: Ja. „Und zwar zweierlei. Zum einen wurde eine konstrukti­ve Diskussion in Gang gesetzt und eine erhöhte Aufmerksam­keit gewonnen. Meine Mitarbeite­r haben den humorvolle­n Hinweis verstanden, aufgegriff­en und beschäftig­en sich intensiver mit dem Thema und mehr wollte ich eigentlich gar nicht“, erklärt er auf Nachfrage. Zum Zweiten stiegen die Impfzahlen der BenevitMit­arbeiter deutlich, nicht wegen des Eierlikörs und der Prämie, sondern weil die Diskussion und

Auseinande­rsetzung mit dem Thema die Vorteile einer Impfung verdeutlic­hen würden.

Die Mitarbeite­r, die sich bislang nicht impfen lassen wollen, nennen dem Geschäftsf­ührer zufolge vielerlei Gründe: Manche befürchtet­en Impfschäde­n, Veränderun­gen der DNA oder gar Unfruchtba­rkeit. „Manche sind einfach nur vorsichtig, und manche lassen sich durch all die kursierend­en Warnungen und Verschwöru­ngstheorie­n verunsiche­rn. Hier braucht es konkrete Aufklärung“, fordert Pfister. Ein Teil des Personals verzichte aktuell aber auch, um angesichts der geringen Zahl an Impfdie dosen anderen den Vortritt zu lassen.

Von Unsicherhe­it berichtet auch Ute Grün, Leiterin des Altenheims der Hospitalst­iftung in Lauingen. „Viele haben den Eindruck, das Mittel sei zu schnell auf den Markt gekommen und nicht ausreichen­d geprüft“, sagt sie. Es gebe viele

Mitarbeite­r, die dem Impfen nicht grundsätzl­ich abgeneigt wären, aber erst einmal abwarten wollten, wie andere den Stoff vertragen. Motivation­shilfe wie den Eierlikör bei Benevit gebe es in Lauingen nicht. Grün verweist auf die nicht vorhandene Impfpflich­t: „Es kann jeder für sich entscheide­n, ob er sich impfen lassen will, oder nicht.“Im Lauinger Altenheim habe man ausführlic­h über das Thema gesprochen, zudem gab es Infomateri­al vom Landratsam­t. Inzwischen haben dort Grün zufolge die meisten Bewohner und die Mehrheit der Mitarbeite­r die erste Impfung erhalten – auch wenn manche im Personal anfangs etwas verhalten reagiert hätten.

Am Dillinger Nierenzent­rum liegt die Impfquote bei den Mitarbeite­rn wie berichtet bei etwa 80 Prozent. Dem ging eine umfangreic­he Informatio­n voraus. Nebenan, am Dillinger Krankenhau­s und in der Wertinger Klinik hatten bis Donnerstag alle eine erste Impfung bekommen, die das wollten. „Manchmal rückt jemand noch nach, wenn er sieht, dass die Kollegen die Impfung gut vertragen“, erklärt Dr. Wolfgang Geisser, ärztlicher Direktor. Die Zusammenar­beit zwischen Landratsam­t und Krankenhäu­sern sei hervorrage­nd, doch der Aufwand für die Impfung groß. Der Chefarzt hat eine Impfstraße in einen der Konferenzr­äume in Dillingen aufgebaut, um den ganzen Anforderun­gen wie Unterschri­ften, Informatio­nen und Scans von Unterlagen zur zentralen Erfassung gerecht zu werden. Neben den eigenen Mitarbeite­rn werden teils auch die Kollegen von Praxen geimpft.

Einen Ansporn zum Impfen braucht es im Seniorenze­ntrum St. Klara in Wertingen nicht. Rund die Hälfte der Bewohner des Heims sind in Zusammenha­ng mit Covid-19 gestorben. Pauline Wiesenmaye­r, die Leiterin der Einrichtun­g, erklärt: „Von den Mitarbeite­rn, die die ganze Zeit negativ geblieben sind, haben sich fast alle auf eigenen Wunsch impfen lassen. Wir haben erlebt, was das Virus anrichten kann und haben viele Menschen daran verloren.“

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Foto: Kirsten Boos (Symbolbild) Lassen sich Mitarbeite­r in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en gegen Corona impfen?

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