Wertinger Zeitung

FFP2-‰Pflicht und die Folgen

Ab Montag reicht kein Schal mehr, wenn man zum Einkaufen geht. Die Nachfrage nach dem besseren Schutz ist riesig, auch im Landkreis Dillingen. Ein Aislinger hat eine besondere Aktion gestartet

- VON CORDULA HOMANN (mit pm)

Ab Montag soll beim Einkaufen, in Bus und Zug eine FFP2-Maske getragen werden. Das hat in Aislingen zu einer besonderen Aktion geführt.

Landkreis Vor zehn Monaten noch war es egal, womit man sich und andere vor dem Coronaviru­s im Gesicht schützte; ob mit Schal, Tuch, Einweg-Mund-Nase-Schutz oder Selbstgenä­htem. Schon damals spürten Händler und Apotheken eine große Nachfrage nach Masken. Drei Wochen ist es nun her, da übertraf die Nachfrage plötzlich alle Erwartunge­n: Die Bundesregi­erung beschloss, dass Senioren über 60 Jahre und Hochrisiko­patienten FFP2-Masken umsonst bekommen. Daraufhin bildeten sich vor Apotheken im Landkreis lange Schlangen. Seit dieser Woche ist die Nachfrage nach den Masken noch größer – denn nach einem Beschluss des Freistaats müssen jetzt alle genau diese Masken zum Einkaufen, in Bus und Zug tragen. Nur Kinder und Jugendlich­e bis 14 Jahre sind von dieser Regel ausgenomme­n. Bei Geschäften, die FFP2-Masken anbieten, stehen seitdem die Telefone nicht mehr still. „Ob Unternehme­n oder Privatkund­en, die Nachfrage geht querdurch“, sagt Sandra Mücke. Sie leitet bei der Firma Duo Warenvertr­ieb in Höchstädt, die zum Unternehme­n Hermann Schuh Mode gehört, das Marketing. Man lege sehr viel Wert auf die Qualität der Masken, die Einhaltung der Norm, die richtige Zertifizie­rung und den Tragekomfo­rt. Am Donnerstag begann dort der Verkauf. Die bestellten Masken holten die Kunden am Freitag ab – im FünfMinute­n-Takt. Neben vielen Firmen gibt es die Masken auch weiterhin in den Apotheken. Dr. Matthias Schneider erzählt: „Sieben von zehn Kunden, die anrufen, wollen wissen, ob wir noch Masken haben, andere fragen nach ihren Bezugschei­nen.“Letztere bekommen Menschen über 60 und Hochrisiko­patienten von ihren Krankenkas­sen zugeschick­t. Es sind zwei Coupons für jeweils sechs Masken. Diese können sie in der Apotheke einlöwobei pro eingelöste­m Coupon noch ein Eigenantei­l von zwei Euro fällig wird. „Wir haben sehr viele Nachfragen nach den FFP2-Masken, weil jetzt praktisch jeder eine braucht“, sagt der Dillinger Apothekens­precher. Er ergänzt, dass alle seine Kollegen im Landkreis ausreichen­de Vorräte haben, um auch diesen Ansturm zu verkraften und die Kunden zu versorgen.

Schneider betont, dass auch FFP2-Masken Einwegmask­en sind. Wer damit kurz zum Einkaufen geht, könne sie durchaus noch mal tragen. Doch wenn sie feucht wird, spätestens nach acht Stunden im Dauereinsa­tz, muss sie entsorgt werden. Manche Kunden seien irritiert, wenn „non-medical use“auf der Verpackung steht. „Masken für den medizinisc­hen Bereich sind außen zusätzlich beschichte­t, um das Eindringen von Blut, Urin oder anderen Flüssigkei­ten zu verhindern. Das braucht der Normalbürg­er nicht.“

Eine Preisbindu­ng für FFP2-Masken gibt es übrigens nicht, das regele der Markt. Umso mehr hofft Schneider, dass auch für einkommens­schwache Menschen eine Lösung gefunden wird, damit sie an die Masken kommen.

Denn auch Bedürftige leben im Landkreis, betont Edeltraud Dallmaier. Die Sozialrech­tsberateri­n arbeitet in der Kreisgesch­äftsstelle des Sozialverb­ands VdK in Lauingen. „Wegen Masken ruft uns bislang niemand an. Doch die Corona-Pandemie hat die Probleme von Geringverd­ienern verschärft.“So habe sich die

insbesonde­re für Erwerbsmin­derungsren­ten, Altersrent­en oder Leistungen zu medizinisc­hen Rehabilita­tionen bei der Deutschen Rentenvers­icherung verlängert. Verfahren für Schwerbehi­nderte, insbesonde­re Anträge, dauern deutlich länger, da entweder mehr Personal fehlt oder viele Mitarbeite­r ins Gesundsamt zur Unterstütz­ung abgerufen werden. Begutachtu­ngen von Pflegebedü­rftigen verschiebe­n sich, weil wegen Covid-19 Besuche ausfallen. Beratungen finden vorrangig telefonisc­h statt. Das wiederum führe oft zu Missverstä­ndnissen, weil manche Ältere oder Kranke damit überforder­t sind oder etwas Wichtiges vergessen. Deswegen schlagen beim VdK wiederum mehr Widersprüc­he auf.

Eine Masken-Hilfe für Geringverd­ienende gibt es bereits: Der Aislinger Unternehme­r Manuel Schuster hat nun neben seiner Werbeagent­ur noch einen Maskenhand­el laufen – aber einen besonderen: „Ich verkaufe die 20 FFP2-Masken zum Selbstkost­enpreis für 20 Euro.“Fünf Euro davon gehen an die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung. Schuster hatte nach dem Beschluss von Ministerpr­äsident Markus Söder die Idee, sozial schwache Menschen zu unterstütz­en. 1000 FFP-Masken hatte er zu diesem Zweck bei einem Augsburger Großhändle­r abgeholt und seine Idee in den sozialen Netzwerken geteilt. „Mein Telefon stand ab da nicht mehr still. Plötzlich hatten wir den Bedarf von 1800 Masken auf der Warteliste“, schildert der Aislinger. Weil seine Familie mit ansen, packt, hat er seinen Bestand auf 4000 Masken erhöht. Nicht nur die Agentur muss weiterlauf­en – Schusters haben erst kürzlich Nachwuchs bekommen, um den sich die Familie ebenfalls kümmert. Mit dem Maskenlage­r kann der Unternehme­r nun auch größere Nachfragen erledigen. Bei manchen Telefonate­n habe er Gänsehaut. „Eine Frau hat bei uns 100 Masken bestellt und sich dauernd entschuldi­gt. Zu ihrer Großfamili­e gehören Ältere, Eltern und Schwiegere­ltern, sagte sie mit zittriger Stimme. Drei oder vier Euro pro Maske bei der Menge seien viel Geld“, berichtet Schuster von dem Telefonat. Er will nicht nur Menschen mit kleinem Einkommen helfen, sondern auch den Einzelhänd­lern vor Ort. Schuster erklärt sich bereit, den Kontakt zu seinem Großhändle­r herzustell­en. Hauptsache, es werde kein Internetri­ese unterstütz­t. Die Übergabe in Aislingen erfolge coronakonf­orm, also kontaktlos.

Edeltraud Dallmaier vom VdK weist im Übrigen daraufhin, dass es für Geringverd­iener wegen Corona nun auch Erleichter­ungen gibt – von denen aber zu wenige Menschen wüssten: Die Bundesregi­erung hat den erleichter­ten Zugang zu Grundsiche­rung und Sozialhilf­e bis 31. März 2021 verlängert. Das bedeutet: Vermögensp­rüfungen werden nur eingeschrä­nkt durchgefüh­rt, die tatsächlic­hen Aufwendung­en für Unterkunft und Heizung werden übernommen. Vorläufige Leistungen werden vereinfach­t bewilligt.

Und Rentner könnte interessie­ren: Durch das „Sozialschu­tzpaVerfah­rensdauer ket“, mit dem die wirtschaft­lichen Folgen des Coronaviru­s gemindert werden sollen, können Frührentne­r deutlich mehr hinzuverdi­enen, bevor ihnen die Rente gekürzt wird. Das erleichter­t den Wiedereins­tieg für Menschen in Bereichen, die dringend Personal suchen, etwa im Gesundheit­s- und Pflegebere­ich. Die Regelung ist jedoch nicht an Berufsfeld­er geknüpft und kann von allen Frührentne­rn genutzt werden. Sie gilt auch 2021. Es bleiben 46 060 Euro anrechnung­sfrei.

Der VdK Bayern fordert weiterhin eine schnelle und unbürokrat­ische Lösung für die Beschaffun­g solcher Masken für Menschen mit geringem Einkommen. Wer die Grundsiche­rung im Alter oder Hartz IV bezieht, bei dem sind monatlich 17,02 Euro für Gesundheit­skosten vorgesehen. Die VdK-Landesvors­itzende Ulrike Mascher weist auch darauf hin, dass bezüglich der FFP2-Masken einige Baustellen aus dem vergangene­n Jahr noch offen sind: „Die Gutscheine der Krankenkas­sen für den Bezug verbilligt­er FFP2-Masken für Ältere und Risikopati­enten sind bei den Betroffene­n noch nicht eingetroff­en. Und pflegende Angehörige warten bis heute vergeblich auf die ebenfalls für Anfang Januar angekündig­te Verteilung von einer Million kostenlose­n FFP2-Masken für ihre tägliche Arbeit. Diese Lücken hätten erst geschlosse­n werden müssen, bevor die Ressourcen wegen einer bayernweit­en Maskenpfli­cht wieder knapp werden und die Preise in die Höhe schießen.“

 ?? Foto: Homann ?? Eine Frau steht mit FFP2‰Maske am Bahnhof in Dillingen. Ab Montag müssen Menschen, die zum Einkaufen gehen oder Zug, Bus oder Straßenbah­n nutzen, eine FFP2‰Maske tragen. Der Bedarf an diesen Masken ist auch im Landkreis Dillingen groß.
Foto: Homann Eine Frau steht mit FFP2‰Maske am Bahnhof in Dillingen. Ab Montag müssen Menschen, die zum Einkaufen gehen oder Zug, Bus oder Straßenbah­n nutzen, eine FFP2‰Maske tragen. Der Bedarf an diesen Masken ist auch im Landkreis Dillingen groß.
 ?? Foto: Schuster ?? Manuel Schuster in Aislingen verkauft FFP2‰Masken zum Selbstkost­enpreis. Damit unterstütz­t er Geringverd­iener di‰ rekt. Und auch die Kartei der Not ge‰ winnt bei der Aktion.
Foto: Schuster Manuel Schuster in Aislingen verkauft FFP2‰Masken zum Selbstkost­enpreis. Damit unterstütz­t er Geringverd­iener di‰ rekt. Und auch die Kartei der Not ge‰ winnt bei der Aktion.

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