Wertinger Zeitung

„Wir wollten unbedingt einen Kracher“

Jubiläum Vor 25 Jahren schaute die Tennis-Welt auf Wertingen. Erinnerung­en an ein außergewöh­nliches Turnier des TCW auf dem Judenberg

- VON KLAUS‰PETER KNOSPE

Wertingen Wer ein Jubiläum feiert, der sucht das Besondere, es soll eine Veranstalt­ung (oder Party) sein, an die sich die Leute noch lange erinnern. Das könnte in diesem Jahr beim Tennis-Club Wertingen allerdings ganz anders sein. Der Verein begeht zwar sein 50-jähriges Jubiläum, doch wie oder sogar, ob das gefeiert wird, bestimmen höhere Virus-Mächte. In Zeiten der CoronaPand­emie wird ans Feiern vorerst nicht gedacht. „Wir würden ja gerne feiern, am liebsten öffentlich mit unseren Mitglieder­n und Freunden aus nah und fern, aber was möglich ist, kann momentan ja niemand sagen“, stöhnt der erste Vorsitzend­e Silvester Anton und traurig blickt er auf die vergangene Saison zurück: „Aus Sicht der Sportverei­ne war 2020 ein verlorenes Jahr.“

Vor 25 Jahren war die Stimmung eine ganz andere, da hatte sich der damalige Vorstand auch Gedanken gemacht, wie das Jubiläum gefeiert werden könnte, der erste Vorsitzend­e Rainer Späth und seine Kollegen waren sich dabei einig: „Wir wollten unbedingt einen Kracher“. Bereits zwei Jahre zuvor waren Späth die Gedanken gekommen, man müsse zum 25-Jährigen doch neben einem Festabend ein besonderes Turnier veranstalt­en und hatte dies zuerst mit seinem Sportwart Norbert Weiser besprochen. Der war Feuer und Flamme, eine fordernde, anstrengen­de und am Ende erfolgreic­he Arbeit begann. Schließlic­h betraten alle Beteiligte­n Neuland. Im Verein aber machten alle mit, einige Helferinne­n und Helfer nahmen für das Turnier sogar Urlaub.

Doch zunächst hieß es „aller Anfang ist schwer“. Norbert Weiser nahm erst einmal Kontakt mit den Verbänden auf, mit dem Deutschen Tennis-Bund, dem bayerische­n Verband und dem Tennis-Bezirk Schwaben. Was muss gemacht werden, welche Bestimmung­en gelten und wie kommt man überhaupt zu einem attraktive­n Turnier? Wie meist im Leben, Grundlage ist das Geld. Attraktiv wird ein Turnier durch ein hohes Preisgeld – „und da hat die Firma Creaton für uns die Weichen gestellt“, ist Rainer Späth heute noch dem Sponsor dankbar. Für die „Creaton Open“wurden 8000 Mark Preisgeld ausgelobt, damals ein hoher Betrag, der dazu führte, dass beim Jubiläumst­urnier in Wertingen sogar Punkte für die Weltrangli­ste vergeben wurden. Ein besonderer Anreiz für manche Spieler, im Mai 1996 nach Wertingen zu kommen.

Der spätere Sieger Bertrand Madsen erzählte, wie er in das für ihn natürlich vollkommen unbekannte Wertingen kam. „Ich saß mit meinem Freund Frank Dennhardt in Frankfurt zusammen, am punktspiel­freien Wochenende wollten wir ein Pfingsttur­nier spielen. Doch wo? Wir suchten im Turnierkal­ender und in Wertingen gab es das höchste Preisgeld. Dann haben wir auf der Landkarte geschaut, wo Wertingen liegt und haben angerufen und uns angemeldet.“Beim TCW waren sie in diesen Tagen nervös, denn die besten Spieler machten es wie Madsen, sie meldeten sich kurzfristi­g an. Aber das Zittern hat sich gelohnt, fünf Spieler aus der Weltrangli­ste meldeten sich für das Turnier vom 24. bis 26. Mai an und verbrachte­n Pfingsten im schmucken Schwabenst­ädtchen, das Teilnehmer­feld von 32 Spielern war komplett (erst kurzfristi­g sagten vier ab, was dem Erfolg nicht schadete). Der Verein hatte in der Anmeldung auch Vorschläge für die Übernachtu­ng, die Spieler organisier­ten die Übernachtu­ng jeweils selbststän­dig.

In Wertingen war also alles für ein großes Turnier bereit. Den Turnieraus­schuss bildeten Rainer Späth, Josef Wagner und Norbert Weiser, die Turnierlei­tung hatten Norbert Weiser, Max Miller und Achim Dittmann inne. Dass alle mit Turnieren dieser Größenordn­ung aber keine Erfahrung hatten, zeigte sich am Schiedsric­hter. Nachdem vom Verband ein Oberschied­srichter kam, war allen beim TCW klar, dass dieser auch den Stuhlschie­dsrichter macht und die Spiele leitet. Pustekuche­n. Dirk Schöll aus Betzigau und Hans Baumgartne­r aus Ehekirchen wechselten sich ab, aber sie hatten nur die Oberaufsic­ht, dass alles in geordneten Regeln abläuft, doch den Stuhlschie­dsrichter musste der Ausrichter stellen. Doch woher nehmen?

Da war es wieder ein gütiges Schicksal, dass ein Vereinsmit­glied gerade einen Schiedsric­hter-Lehrgang bestanden hatte. Ulli Bacher, heute immer noch die gute Seele im Verein, war gerade mal zwei Jahre in Wertingen und eher noch ein unbeschrie­benes Blatt, jetzt aber die Rettung.

Es war sein erster Einsatz als Schiedsric­hter und dann gleich Weltklasse­spieler beaufsicht­igen. „Ich hatte so meine Probleme“, gesteht er noch heute, „das war ja wahnsinnig schnell und Linienrich­ter hatte ich auch keine.“Bacher musste einiges ertragen, vor allem bei der Final-Niederlage motzte Rene Nicklisch aus Karlsruhe laufend, doch Bacher blieb cool: „Der jammerte schon die ganzen drei Tage rum.“

So gingen die Spiele und vor allem das ganze Turnier gut über die Bühne, die „Creaton Open“waren ein großer Erfolg, 600 Zuschauer drängten sich auf der schon damals tollen Anlage mit Extra-Tribünen auf dem Judenberg, 250 waren beim Finale begeistert. Auch das Wetter spielte mit, obwohl manche bange Blicke gen Himmel gingen und am Samstag wegen Regen einige Spiele in die Tennishall­e verlegt werden mussten. Am Sonntag herrschte aber in allen Belangen eitel Sonnensche­in.

Dies vor allem auch bei dem 24-jährigen Bertrand Madsen. Er hatte mit Wertingen die richtige Wahl getroffen. Der Weltbürger brachte die weite Welt nach Schwaben, geboren in Haiti, für das er auch im Davis-Cup spielte, studierte er später in New York und spielte zwei Monate im Jahr für Mutterstad­t in der Punktrunde. Er beeindruck­te vor allem mit seinen Kanonenauf­schlägen (rund 200 km/h, 14 Asse im Finale) und hatte nur im Viertelfin­ale gegen seinen Freund Frank Dennhardt aus Dinslaken einige Probleme beim 3:6, 7:6, 6:4. Im Finale hatte er Nicklisch besser im Griff, wurde beim 6:3, 7:5 nur am Ende ein bisschen nachlässig und nahm 2500 Mark Preisgeld mit. Der Verlierer kassierte 1500 Mark und verriet hinterher mit einem Lächeln seinen Traum: „Einmal erfolgreic­h sein wie Boris Becker“. Das schaffte er dann nicht.

Über Wildcards waren auch einige Tennis-Asse aus der Region 1996 am Start. Am weitesten kam Jan Vacek aus Meitingen, der erst im Halbfinale am späteren Sieger Madsen scheiterte (4:6, 3:6). In der ersten Runde hatte er noch Lokalhero, Tennislehr­er Viktor Krupica mit 6:0, 6:2 ausgeschal­tet. Robert Vukusic (Höchstädt) schaffte es in die zweite Runde, dann war Endstation gegen Nicklisch (2:6, 2:6). Die Lauinger Vertreter aus dem Landkreis Dillingen schieden in der ersten Runde aus. Fabian Baptist unterlag Madsen 0:6, 2:6, Tommy Riesenegge­r hatte gegen Axel Puhlmann (Ulm) beim 0:6, 1.6 keine Chance. Was die Veranstalt­er freute: Sie bekamen von allen großes Lob, es war ein rundum gelungenes Turnier und mancher forderte, „das könnte man doch jedes Jahr machen“. Es blieb aber eine einmalige Angelegenh­eit.

Rainer Späth freut sich noch heute, „das Turnier hat sich für den Verein wirklich gelohnt, wir konnten rund um die Tennisplät­ze einige Verbesseru­ngen vornehmen, die bis heute ausstrahle­n.“Eine Wiederholu­ng wird es zum 50-jährigen Jubiläum allerdings wohl nicht geben. Silvester Anton, der seit 2010 an der Spitze des Vereins steht, hat einen ganz bescheiden­en Wunsch: „Ich wäre ja schon froh, wenn wir wieder ganz normal Tennis spielen könnten“.

 ?? Fotos: TC Wertingen ?? Der Haitianer Bertrand Madsen (Nr. 620 der Weltrangli­ste) gewann die Creaton Open und imponierte mit seinen Kanonenauf­schlägen mit über 200 Stundenkil­ometern.
Fotos: TC Wertingen Der Haitianer Bertrand Madsen (Nr. 620 der Weltrangli­ste) gewann die Creaton Open und imponierte mit seinen Kanonenauf­schlägen mit über 200 Stundenkil­ometern.
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Der TCW‰Vorsitzend­e Rainer Späth (rechts) tröstete nach dessen Final‰Niederlage Rene Nicklisch aus Karlsruhe, aber der nahm das schon wieder gelassen.
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Mit diesem Flyer warb der TCW 1996 für sein großes Turnier.

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