Söder ins Schweigekloster?
Unsere liebsten Nachbarn, die Österreicher, sind uns, was Wortschöpfungen betrifft, um Längen voraus. Manchmal werden sie zwar verspottet, weil sie dem Englischen in ihrer Sprache zu viel Raum geben. Tatsächlich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, den Linienrichter im Fußball als „Out-Wachler“zu bezeichnen. Manchmal haben sie auch eine durchaus eigenwillige Art, komplexe Sachverhalte auf den Begriff zu bringen. Davon zeugt das Monster wort„ Bundespräsidenten stichwahl wi eder holungs verschiebung “, das 2016 nach einer Panne beider Herstellung von Brief wahl unterlagen das Licht der Welt erblickte. Doch gar nicht so selten gelingt ihnen ein Volltreffer. Zweimal schaffte es der Begriff „Schweigekanzler“in Österreich zum Wort des Jahres gewählt zu werden – 2005, weil Bundeskanzler Wolfgang Schüssel über Wochen hinweg schwieg, und 2018, weil Bundeskanzler Sebastian Kurz auf unangenehme Fragen einfach keine Antworten gab.
Schweigen also kann Politikern negativ ausgelegt werden. Doch auch das Gegenteil ist möglich. Der baden-württembergische G es und heits minister ManneLucha– der im Landkreis Altötting, also in unmittelbarer Nähe zu Österreich aufgewachsen ist – zeigt sich genervt von den Wortmeldungen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus S öder. Der Grünen-Politiker sagte: „Ich würde Herrn Söder einfach mal zwei Wochen Klausur in einem bayerischen Schweigekloster empfehlen.“
Die Vorstellung hat was: Söder in Mönchskutte in der Abgeschiedenheit einer Kartause fernab von Kameras und Mikrofonen. Sie ist aber nicht realistisch. Mit einer derartigen Ministerpräsidenten ruhigstellungs empfehlung werden die Grünen nicht weit kommen, selbst wenn sie mit Händen und Füßen und Sonnenblumen fähnchen wackeln. Alles andere steht in den Sternen. Niemand weiß, ob S öder Kanzlerkandidat oder am Ende sogar Kanzler wird. Nur eines steht fest: Sollte er es werden, wird er kein Schweigekanzler sein.