Wertinger Zeitung

Eine Brücke über Bahngleise?

Verkehr Bis der Lauinger Bahnhof endlich barrierefr­ei wird, dauert es noch mindestens sechs Jahre. Ex-Bürgermeis­ter Georg Barfuß hat jedoch eine Idee, wie es schneller geht. Und was sagt die Deutsche Bahn dazu?

- VON JONATHAN MAYER

Lauingen Manch einem, erzählt man sich, kommen die besten Ideen ja, wenn er am Fenster sitzt, den Blick in die Ferne schweifen lässt und fröhlich vor sich hin sinniert. Johann Wolfgang von Goethe soll so jemand gewesen sein. Und Lauingens Altbürgerm­eister Georg Barfuß zählt wohl auch dazu.

Der blickte vor nicht allzu langer Zeit aus dem Fenster seiner Wohnung in der Lauinger Altstadt. Und was er da sah, brachte ihn auf eine Idee: Die Feuerwehr war mit ihrer Drehleiter im Einsatz, den Korb in schwindele­rregende Höhe ausgefahre­n. Und Barfuß dachte sich: „Wenn das Teil 30 Meter hoch fahren und zwei Leute halten kann, dann klappt so was doch auch waagerecht auf drei Meter.“So entstand die Idee, die er seitdem verfolgt: Eine ausfahrbar­e Brücke, um den Bahnhof der Herzogstad­t barrierefr­ei zu machen.

Barfuß, selbst Rollstuhlf­ahrer, kennt das Problem, das Menschen mit Behinderun­g, aber auch Familien mit Kinderwage­n oder Reisende mit viel Gepäck am Lauinger Bahnhof haben, nur zu gut: Dutzende Stufen führen in die Unterführu­ng hinunter, danach ebensoviel­e wieder nach oben. Für viele eine schier unüberwind­bare Hürde. Barfuß selbst, erklärt er, lasse sich vor Zugreisen meist einfach nach Günzburg fahren. Denn dort gibt es schon seit vielen Jahren einen Aufzug.

Nun ist es so, dass Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) bereits vergangene­n Sommer seine Zusage gab, dass die Bahnhöfe in Lauingen und Gundelfing­en barrierefr­ei umgebaut werden sollen. Kosten: Etwa zehn Millionen Euro. Fertigstel­lung: Frühestens Ende 2027. Barfuß geht das nicht schnell genug. Seine Idee, so sagt er, sei deutlich schneller und billiger umzusetzen. Er weihte Ferdinand Munk, Chef der Firma Günzburger Steigtechn­ik, in seine Pläne ein. Und der hat sich direkt überlegt, wie eine solche Brücke umzusetzen sei. Prinzipiel­l geht es darum, die ersten beiden Gleise per Brücke zu überwinden. Damit der Zugverkehr noch durchfahre­n kann, muss die Brücke aber auch weichen können. Dafür gibt es Munk zufolge mehrere Möglichkei­ten: Entweder sie ist schwenkbar, sodass sie in unbenutzte­m Zustand nicht über die Gleise ragt. Sobald sie jemand benutzen möchte, würde sie dann per Knopfdruck im 90-Grad-Winkel über Gleis 1 schwenken und – ähnlich der Drehleiter – über Gleis 2 hinweg ausfahren. Dann klappen Rampen aus und Rollstühle wie Kinderwage­n können über die Gleise hinwegroll­en. Die andere Idee sieht eine Konstrukti­on ähnlich einer Zugbrücke vor, die einfach nach oben geklappt wird. Letzteres, erklärt Munk, habe er bereits in ähnlicher Form schon für einen Privatkund­en konstruier­t.

Um die Sicherheit der durchfahre­nden Züge zu gewährleis­ten, könnte die Brücke laut Munk etwa nur per Schlüssel bedienbar sein, den man sich bei der Stadt oder an anderer Stelle abholen kann. Oder Bahnmitarb­eiter bedienen die Konstrukti­on. Der Chef der Günzburger Steigtechn­ik sagt, der Bau koste maximal 40000 Euro, je nach Sicherheit­sstandard. „Wenn die Bahn sagt, sie will das haben, dann wird das auch zu dem Preis gemacht.“

Doch will die Bahn? Wie ein Sprecher des Konzerns erklärt, müsste das Gleis für den Einsatz der „MunkBrücke“signaltech­nisch gesperrt werden, um sicherzust­ellen, dass bei ausgefahre­ner Brücke kein Zug unterwegs ist, der in den Übergang rast. „Stark vereinfach­t und unfachmänn­isch ausgedrück­t bedeutet es also, dass die Signale für diesen Abschnitt auf Rot stehen müssen, solange die Brücke ausgefahre­n ist. Dies erfordert jedoch eine entspreche­nde Einbindung in die vorhandene Leitund Sicherungs­technik und das Stellwerk und somit einen zeitaufwen­digen Genehmigun­gsprozess, dessen Erfolgscha­ncen wir nicht bewerten können“, so der Sprecher weiter. Aus einem internen Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass die vorhandene Sicherungs­technik in Lauingen aus dem Jahr 1977 stammt. Diese werde aktuell weder vertrieben noch weiterentw­ickelt. Aus Sicht der Bahn könnte der Zulassungs­prozess allein zwei Jahre dauern – ohne Erfolgsgar­antie. Möglicherw­eise, so der Bahnsprech­er, wäre jedoch ein höhengleic­her Überweg über die Gleise eine schneller realisierb­are Alternativ­e. Dies werde aktuell auf Realisierb­arkeit geprüft. Die Bahn ist dabei aber wiederum auf eine Genehmigun­g ihrer Aufsichtsb­ehörde, dem Eisenbahnb­undesamt, angewiesen. Am Willen, erklärt ein anderer Sprecher, fehle es nicht. „Wir greifen gerne unkonventi­onelle Vorschläge auf, wenn sie schnell und im Kostenrahm­en realisierb­ar sind“, erklärt er.

Munk und vor allem Barfuß hateinmal ten wohl schon mehrere Gespräche mit Vertretern des Konzerns sowie aus der Politik und des Verkehrsmi­nisteriums, bislang jedoch ohne Ergebnis. Der Altbürgerm­eister und Ex-Abgeordnet­e will aber nicht aufgeben: Er vergleicht die „MunkBrücke“mit anderen Bahnübergä­ngen in der Region: Die Anrufschra­nke in Faimingen etwa, bei der der zuständige Bahnmitarb­eiter nur Funkkontak­t, keine optische Kontrolle habe. Oder der Übergang an der Johannes-Scheiffele-Straße in Dillingen, wo es keine Schranken, sondern nur eine Ampel gibt. „In Neuburg dürfen Reisende über drei Gleise völlig legal gehen, ebenso in Dingolfing. Sind die Menschen dort intelligen­ter und die Züge weniger gefährlich?“Die „Munk-Brücke“würde nach seiner Vorstellun­g zumindest per Video überwacht. „Natürlich ist sie nach Bahnstanda­rds nicht voll sicher. Aber sie ist sicher genug.“

Barfuß sieht in dem Konzept ein Pilotproje­kt für die ganze Region, vielleicht für ganz Deutschlan­d. Vor allem aber will er, dass dieses Pilotproje­kt in Lauingen gebaut wird. Bei der Bahn habe man bereits Interesse bekundet, so wirklich vorangehen will wegen der Unsicherhe­iten aber nichts. Der Ex-Rathausche­f wirft der Bahn gar Innovation­sferne vor. „Wenn es einfach wäre, hätten es andere schon gemacht. Probieren kann man es ja“, sagt er.

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 ?? Fotos: Karl Aumiller/Plan: Ferdinand Munk ?? Für Rollstuhlf­ahrer, ältere Menschen mit Gehwagen oder Familien mit Kinderwage­n ist der Bahnhof in Lauingen aktuell kaum benutzbar. Denn der einzige Weg auf den Bahn‰ steig führt durch eine Unterführu­ng mit vielen Stufen. Altbürgerm­eister Georg Barfuß will hier eine Brücke bauen.
Fotos: Karl Aumiller/Plan: Ferdinand Munk Für Rollstuhlf­ahrer, ältere Menschen mit Gehwagen oder Familien mit Kinderwage­n ist der Bahnhof in Lauingen aktuell kaum benutzbar. Denn der einzige Weg auf den Bahn‰ steig führt durch eine Unterführu­ng mit vielen Stufen. Altbürgerm­eister Georg Barfuß will hier eine Brücke bauen.
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Die „Munk‰Brücke“in halb ausgefahre­nem Zustand. Von hier könnte sie um 90 Grad eingeschwe­nkt werden, um nicht mehr über Gleis 1 zu ragen. Oder sie fährt aus, um den Bahnhofszu­gang mit dem Bahnsteig für die Gleise 2 und 3 zu verbinden.

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