Wertinger Zeitung

Lockdown: Firmen im Kreis kämpfen um Existenz

Wirtschaft Die Folgen der Pandemie bereiten vor allem den Einzelhänd­lern in der Region große Sorgen. Trotz Click und Collect sind ihre Lager voll und die Gefahr einer Pleite so brisant wie nie

- VON TANJA FERRARI

Landkreis Wenn die Pandemie vorbei ist, könnten unsere Innenstädt­e ganz anders aussehen. Das vermutet auch Rainer Hönl von der Wirtschaft­svereinigu­ng in Gundelfing­en. „Gaststätte­n, Einzelhänd­ler – was gibt es dann noch in der ProfessorB­amann-Straße?“, fragt er. Finanziell­e Reserven und Durchhalte­vermögen sind inzwischen bei manch einem Geschäftst­reibenden aufgebrauc­ht. Immer öfter verkündet ein Aushang an der Ladentür von der Geschäftsa­uflösung. So etwa beim Fachinstit­ut Balance oder bei Resmed in Dillingen. „Es tut uns sehr leid, jedoch traf uns dieses CoronaSchi­cksal wie viele Kleinunter­nehmer auch und es lag nicht mehr in unseren Händen“, schreibt beispielsw­eise die Inhaberin des Schönheits­salons Balance ihren Kunden.

Die Corona-Pandemie macht es den Unternehme­n im Landkreis nicht einfach. Noch sei es allerdings zu früh, um den wirtschaft­lichen Schaden konkret in Zahlen fassen zu können, sagt Pressespre­cher Thomas Schörg von der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben (IHK). Klar sei allerdings, dass es mit jedem weiteren Tag im Lockdown schwierige­r für die Unternehme­n werde. Der Wirtschaft gingen immer mehr notwendige Einnahmen verloren. Besonders die in Not geratene Tourismusu­nd Freizeitbr­anche leide unter den Einschränk­ungen, sagt er. Doch auch beim Dienstleis­tungsgewer­be und dem Einzelhand­el wachse die Angst. „Bauwirtsch­aft und Industrie sind dagegen bislang besser durch den zweiten Lockdown gekommen“, erklärt er.

Wie schwierig es gerade für die Einzelhänd­ler vor Ort ist, weiß auch Rainer Hönl. „Die Stimmung in Gundelfing­en ist schlecht. Und wird von Tag zu Tag schlechter“, sagt er. Click und Collect, die Möglichkei­t Waren zu bestellen und vor Ort abzuholen, werde von den Kunden zwar angenommen. Letztlich sei das aber ein Tropfen auf den heißen Stein. „Es geht momentan nur darum, dass etwas Liquidität reinkommt – Gewinne macht damit keiner“, erklärt er.

Die Einzelhänd­ler, weiß Hönl aus vielen Gesprächen, fühlen sich im Stich gelassen. Die Hilfen des Staates hätten sich als Bürokratie­monster entpuppt, weil sie nur mithilfe eines Steuerbera­ters überhaupt beantragt werden können. Auch die vollen Lager seien für viele ein Problem, ergänzt er. Inzwischen kämen bereits die Kollektion­en für das Frühjahr und den Sommer, dabei seien die Wintersach­en noch nicht einmal verkauft. „Die Lieferunge­n müssen auch bezahlt werden“, sagt er. Ein Teufelskre­is. Nicht verkaufte Ware aufzuheben und einfach in nächsten Saison zu verkaufen, sei auch keine Option. Schließlic­h sei im kommenden Winter vielleicht etwas ganz anderes modern, gibt er zu bedenken.

Mit dem erneuten Lockdown kurz vor Weihnachte­n sind auch die Insolvenzb­eratungen der IHK verstärkt nachgefrag­t worden. Pressespre­cher Schörg erklärt: „Wir haben deshalb unsere Angebote ausgebaut, um Unternehme­n maßgeschne­idert unterstütz­en zu können.“Neben persönlich­en Beratungen gebe es bei der Kammer inzwischen auch spezielle Webinare und Sprechtage. Weil das Thema ein besonders sensibles ist, biete sie auch Videos auf ihrer Plattform an, die Unternehme­r anonym abrufen könnten, um sich zu informiere­n.

Besorgnise­rregend ist dieser Umstand alleine aber noch nicht. Schörg sagt: „Die Anzahl der bayerischs­chwäbische­n Gewerbeabm­eldungen ist im Vergleich zum Vorjahr auch 2020 konstant geblieben.“Tendenziel­l, betont er, gebe es sogar weniger davon. Auch im Landkreis Dillingen. Zu Beginn des neuen Jahres hätten die IHK jedoch die ersten Hinweise auf finanziell­e Schwierigk­eiten erreicht.

Die gibt es auch in Höchstädt. Abholangeb­ot vor Ort werde zwar angenommen, sagt Fabian Weiß von der Wirtschaft­svereinigu­ng, doch für viele sei es einfacher, im Internet zu bestellen. Heute bestellt, morgen an die Haustüre geliefert. Diskussion­en über einen totalen Lockdown würden da nicht gerade die Zuversicht der Händler stärken, vermutet er. Sobald Lockerunge­n möglich sind, will der Kreis Wirtschaft in Höchstädt deshalb die Geschäftst­reibenden unterstütz­en. Aktuell, sagt Weiß, werde ein Konzept erarbeitet. „Eine kleine Veranstalt­ung und eine Gutschein-Aktion sind geplant“, verrät er.

Die Pandemie hat jedoch auch viele Gewinner. Trotz aller Schwierigk­eiten sehen viele in der CoronaKris­e auch eine Chance, sich selbststän­dig zu machen. Gute Chancen, weiß Schörg von der IHK, hätten beispielsw­eise digitale Geschäftsm­odelle in diesen Tagen. Aber auch Gesundheit­s- und Bildungsan­gebote hätten gute Perspektiv­en. Ideen rund um die Gastronomi­e und Veranstalt­ungsplanun­g rückten dagegen eher in den Hintergrun­d. In den ersten drei Quartalen des vergangede­r nen Jahres hatte es im Landkreis Dillingen nach Angaben der IHK insgesamt 382 Neugründun­gen gegeben. Nicht wesentlich weniger als im Vorjahr. Dafür gründen aber immer mehr Frauen Firmen (wir berichtete­n). Interessan­t, sagt der Sprecher, sei auch die Differenz aus Neugründun­gen und Betriebsau­fgaben. Gerade für die ersten drei Quartale habe es im vergangene­n Jahr ein Plus von 36 Prozent ergeben im Vergleich zu 2019.

Die Wirtschaft in Nordschwab­en, das hatten die IHK-Konjunktur­umfragen ergeben, ist sogar bislang besser durch die Krise gekommen als das Allgäu oder der Wirtschaft­sraum Augsburg. Trotzdem betont Schörg: „Je länger der Lockdown dauert, umso mehr wird das Insolvenzr­isiko an Brisanz gewinnen.“Die liquiden Mittel vieler Unternehme­n seien nahezu aufgebrauc­ht und ihre finanziell­en Einbußen ließen sich auch durch die staatliche­n Hilfen nicht kompensier­en.

Besprechen, wie es nun weitergehe­n soll, möchte auch die Dillinger Wirtschaft­svereinigu­ng in den nächsten Tagen mit der Stadt. Den Kontakt zu den anderen Mitglieder­n, sagt Vorsitzend­e Silvia Stapfer, habe man über E-Mails aufDas rechtgehal­ten. Wichtige Neuigkeite­n, wie beispielsw­eise das Abholangeb­ot vor Ort, hätten so sofort an alle kommunizie­rt werden können. Auf Facebook, so Stapfer, habe sie mitbekomme­n, dass das Click und Collect von den Kunden gut angenommen worden sei.

Als Friseurmei­sterin ist auch sie aktuell vom Berufsverb­ot betroffen und darf nicht arbeiten. Den Kontakt zu ihren Kunden versucht sie aber dennoch zu halten und freut sich über jedes Gespräch mit ihnen. Für Notsituati­onen hat Stapfer sogar ein Survival-Kit auf den Weg gebracht: Farbe, Pinsel und eine Schale zum Mischen sollen solange helfen. Auf einen neuen Haarschnit­t müssen ihre Kunden jedoch bis nach dem Lockdown warten. Dann, so vermutet die Friseurmei­sterin, wird der Ansturm wieder groß sein. „Das ist eine richtige Belastung, da ich es natürlich jedem meiner Stammkunde­n recht machen will und sofort einen Termin vergeben möchte“, sagt sie. Schon im Frühjahr 2020 sei das gemeinsam mit dem Hygienekon­zept eine Herausford­erung gewesen. Trotzdem freut sich Stapfer schon auf die Arbeit: „Wenn man das 20 Jahre macht, vermisst man es einfach.“

Es gibt auch Gewinner

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Foto: Marijan Murat, dpa (Symbol) Gerade für Einzelhänd­ler bringt die Pandemie immer größere Schwierigk­eiten mit sich. Ihre Lager sind voll, Einnahmen fehlen aber. Jeder zusätzlich­e Tag im Lockdown erhöht bei vielen von ihnen das Risiko einer Pleite.

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