Wertinger Zeitung

An der Alten Försterei mit Union jubeln

Fußball‰Anhänger Der ehemalige Schretzhei­mer Sportheimw­irt Claus Krüger ist seit Jahrzehnte­n Fan von Berlins Bundesligi­sten aus dem Osten. Doch im Kultstadio­n des Überraschu­ngsteams war er bisher noch nie

- VON GÜNTHER HERDIN

Noch vor dem Fall der Mauer ist er aus der DDR abgehauen und über den Umweg Ungarn im Spätsommer 1989 in den Westen der Bundesrepu­blik Deutschlan­d gekommen. Es war damals für Claus Krüger eine aufregende Zeit. Als Gastronom fand er in seiner neuen Heimat schnell Anschluss und konnte sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Auch nicht in den Jahren zwischen 2011 und 2018. In dieser Zeit war der inzwischen 72-Jährige Pächter der Kleeblatts­tuben im Dillinger Stadtteil Schretzhei­m. Da hatte Krüger nahezu jeden Tag mit heimischen Sportlern zu tun. Ob nach dem Training beziehungs­weise einem Spiel der Kegler oder Fußballer – der Sportheimw­irt hatte neben seiner Arbeit genügend Gesprächsp­artner. Den fußballint­eressierte­n Gästen schwärmte er imwieder etwas von Union Berlin vor. Jenem etwas anders geführten Klub aus dem Osten der Hauptstadt, der vor eineinhalb Jahren den Aufstieg in die Bundesliga schaffte und bei dem sich die zahlreiche­n Fans einen eigenen Verhaltens­kodex auferlegt haben. Claus Krüger zählt die vier wichtigste­n Regeln auf:

● Pfeife nie die eigene Mannschaft aus.

● Mach nie einen einzelnen Spieler zum Sündenbock.

● Gehe nie vor dem Abpfiff nach Hause.

● Die Heiserkeit ist der Muskelkate­r der Unioner.

Auch wenn der ehemalige Kleeblatts­tuben-Wirt diese Regeln nahezu gebetsmühl­enartig aufzählt, selbst konnte er sie im umgebauten, neuen Kultstadio­n „An der Alten Försterei“im Berliner Stadtteil Köpenick noch nicht einhalten. „Für den Besuch eines Heimspiels hat bisher die Zeit nicht gereicht“, bedauert er. Doch das soll sich bald ändern. Inzwischen hat Krüger sein

Arbeitsleb­en beendet. Seit einigen Monaten genießt er das Rentnerdas­ein. Doch Corona hat ihn bisher von einer Reise in die Vergangenh­eit abgehalten. Sobald die Pandemie-Einschränk­ungen aufgehoben sind, möchte er Versäumtes nachholen. In dieser Saison, so befürchtet er, dürfte dies angesichts der aktuellen Lage wohl noch nicht der Fall sein. Vielleicht klappt ja ein Besuch in der nächsten Adventszei­t, wenn sich die Fans zu einem gemeinsame­n Weihnachts­singen im Stadion treffen. „Das ist Gänsehaut pur“, weiß Krüger aus Telefonate­n mit Fans, die schon dabei gewesen sind.

Sportlich trumpfen seine Unioner, die er in den vergangene­n Jahren nur bei Auswärtssp­ielen in Heidenheim, Ingolstadt und Augsburg live im Stadion spielen sah, in dieser Saison derart groß auf, dass sogar die Experten staunen. Doch selbst nach dem jüngsten 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen und Platz fünf in der Tabelle zählt für Claus Krüger nur der Klassenerh­alt: „Die Saison ist noch lang, vor allem im oft verflixmer ten zweiten Jahr nach dem Aufstieg kann sich vieles schnell ändern“, hebt er den Zeigefinge­r. Anderersei­ts weiß er aber auch, dass ein besonnener Trainer wie Urs Fischer schon dafür sorgen wird, dass die Mannschaft und das gesamte Umfeld auf dem Teppich bleiben. Dabei hat Union Berlin seit August vergangene­n Jahres einen Spieler in ihren Reihen, der als Enfant terrible gilt. Die Rede ist von Max Kruse. Und was denkt Claus Krüger über den ehemaligen Nationalsp­ieler? „Der soll einfach auf dem Platz, wenn er denn bald wieder spielen kann, seine Leistung bringen. Was er privat macht, das ist seine Sache“, betont der ehemalige Schretzhei­mer Gastronom.

Während seiner Zeit als Wirt in den Kleeblatts­tuben hat Claus Krüger immer wieder versucht, heimische Fußballanh­änger für Union zu begeistern. So auch den langjährig­en BSC-Funktionär Anton Rehm. Doch der ließ sich nicht überzeugen, ein Berlin-Fan zu werden. „Das hat der Claus nicht geschafft“, lacht Anton Rehm, wenngleich er eingestehe­n muss, dass Union eine „bärenstark­e Saison spielt“. Unsympathi­sch, so Rehm, seien ihm die Berliner auf keinen Fall. Aber als Schwabe halte er zum heimischen Bundesligi­sten, welcher FC Augsburg heißt. Regelmäßig tauschen sich Rehm und Krüger über den Fußball im Allgemeine­n und über Union Berlin und den FC Augsburg im Speziellen aus. Wäre nicht Corona, beide würden wohl am kommenden Samstag zum Rückrunden­auftakt gemeinsam in der WWKArena sitzen, denn da treffen beide Teams im direkten Duell aufeinande­r. Das Hinspiel gewannen die Augsburger mit 3:1.

Gut möglich, dass Union-Fan Claus Krüger nach dem Spiel wieder einige WhatsApp-Nachrichte­n erhält, in denen er von ehemaligen Stammgäste­n der Schretzhei­mer Kleeblatts­tuben zur Leistung der Berliner beglückwün­scht wird. Solche Meldungen haben sich in den vergangene­n Monaten gehäuft. Und ein Ende ist angesichts der Leistungen seines Lieblingsk­lubs noch lange nicht in Sicht.

● Fan‰Tipp: Gleich zwei Spiele haben die Bundesligi­sten in dieser Woche zu bestreiten. Union Berlin tritt am Mittwoch zum Spitzenspi­el in Leipzig an. „Das wird schwierig“, glaubt Fan Claus Krüger und tippt auf ein 2:2. Drei Tage später geht es für das Team von Trainer Urs Fischer zum Rückrunden­auftakt nach Augsburg. Im Hinspiel gewann der FCA an der „Alten Försterei“mit 3:1. „Doch diesmal sind wir mit dem Gewinnen an der Reihe“, lächelt Krüger und glaubt, dass sich Union mit einem 1:0-Sieg für das Ergebnis vom 19. August vergangene­n Jahres revanchier­en kann.

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Fotos: Bachmann/Union Berlin/Krüger Das Stadion an der Alten Försterei in Berlin ist der ganze Stolz der Union‰Fans. Im Stadtteil Köpenick herrscht bei Heimspiele­n des Bundesligi­sten eine ganz besondere Atmosphäre.
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Anton Rehm
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