Wertinger Zeitung

Impfung: Was Pflegekräf­te aus der Region umtreibt

Covid‰19 Im Kampf gegen das Virus sollen sich Pflegekräf­te impfen lassen – obwohl viele Bedenken haben. Sanitäter, Intensiv- und Krankensch­western aus der Region erzählen, was sie dabei umtreibt

- VON JONATHAN MAYER

Im Kampf gegen das Virus sollen sich möglichst viele Pflegekräf­te impfen lassen. Doch wie sehen sie das Ganze?

Landkreis Pflegekräf­te aus allen Berufen stehen an vorderster Front im Kampf gegen die Pandemie. Die Erwartunge­n sind hoch: Sie sollen funktionie­ren, schier Unmenschli­ches ertragen – und sich jetzt auch noch impfen lassen, obwohl sich viele unsicher sind. Unserer Redaktion haben einige davon erzählt, was sie in der Impfdebatt­e umtreibt, ob sie sich impfen lassen und wieso. Die Protokolle sind anonym, damit die Gesprächsp­artner sich auch offen etwa über ihren Arbeitgebe­r äußern konnten. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

„Auf unserer Station ist es aktuell relativ ruhig, was Corona angeht. Allerdings wird die Maskenvers­orgung interessan­t, wenn jetzt alle FFPMasken kaufen. Die Arbeitsbel­astung wegen Corona bleibt hoch: Du musst dich jedesmal komplett anziehen, bevor du zu einem Patienten reingehst. Mit FFP3-Maske, Haube, Kittel, Handschuhe­n. Vieles davon ist aus Plastik. Man schwitzt unglaublic­h und man muss die Arbeit besser timen. Schließlic­h kann man ja nicht für jede Schicht sechs Ausrüstung­en verbrauche­n. Das Ganze ist auch für die Patienten eine große Belastung, weil wir Pflegekräf­te gar nicht so nah dran sein können wie sonst. Sie sind allein. Wenn Patienten sterben, gehe ich normalerwe­ise gern zu ihnen, creme zum Beispiel ihren Rücken ein. Ich tu ihnen einfach noch was Gutes. Auch das geht aktuell nicht. Ich bin nicht total gegen das Impfen. Aber aktuell ist mir das Risiko zu groß. Ich reagiere generell schlecht auf Impfungen. Und ich will Kinder. Mir ist da nicht ausreichen­d erforscht, welche Auswirkung­en der Impfstoff hat. Von unserem Arbeitgebe­r haben wir keine Infos zu dem Thema bekommen. Aber wenn man darauf plädiert, dass sich die Mitarbeite­r impfen lassen sollen, sollte man auch Aufklärung­sarbeit machen. Bei uns auf Station wollen viele noch abwarten. Und ich glaube, eine Impfpflich­t für Pflegekräf­te kann sich die Politik nicht leisten. Wenn die Impfpflich­t kommt, muss ich die Pflege verlassen. Es ist doch vollkommen gerechtfer­tigt, wenn man abwarten will.“

Intensivsc­hwester

„Nichts ist mehr so wie früher. Unsere Arbeit ist psychisch wie physisch viel anstrengen­der geworden, der soziale Kontakt zu Kollegen fehlt fast komplett. Man hat zu den Patienten im Covid-Bereich recht engen Kontakt, umso belastende­r ist es zu sehen, wie schlecht es ihnen geht und, dass leider nicht alle den Kampf gegen die Krankheit schaffen. Ob impfen ja oder nein, muss jeder für sich selbst entscheide­n. Da ich auf der Intensivst­ation die Schwerkran­ken und beatmeten Patienten mit Covid-19 pflege und versorge, gab es für mich keine Frage, ob ich mich impfen lasse. Wenn man die Krankheit so nah erlebt und sieht, wie es Menschen, teils in meinem Alter geht, und dass es nicht alle schaffen, denkt man anders darüber nach. Lieber gehe ich das Risiko möglicher Nebenwirku­ngen ein, als dass ich selbst wegen Corona im Krankenhau­s behandelt werden muss. Ich persönlich fühle mich jetzt jedenfalls deutlich sicherer und bin froh, geimpft zu sein. Wir Pflegekräf­te haben da auch eine Verantwort­ung gegenüber der Gesellscha­ft. Vor der Impfung wurden wir ausreichen­d aufgeklärt.“Intensivsc­hwester

„Ich arbeite im Rettungsdi­enst, und habe dadurch relativ schnell die Möglichkei­t der Impfung bekommen. Die Situation zu Corona ist beängstige­nd, es ist oft sehr schwierig, die Patienten in einem der Krankenhäu­ser abzugeben, weil auch diese an der Grenze sind. Und das nicht nur für Covid-19-Patienten. Weil es derzeit vielleicht die einzige Möglichkei­t ist, etwas gegen das Virus zu tun, habe ich mich vergangene­n Freitag impfen lassen. Der Aufwand ist sehr hoch: extra zum Impfzentru­m, zum Arzt, mit dem man davor darüber spricht. Und dann geht’s zum Impfen. Wie jede andere Impfung auch, danach muss man sogar noch vor Ort bleiben und sich etwas ausruhen. Habe aber keinerlei Veränderun­gen gespürt und konnte dann auch diesen Bereich verlassen. Insgesamt hatte ich keine Beschwerde­n, wenigstens nicht mehr als bei anderen Impfungen, der Arm, der geimpft worden ist, tat etwas weh, und am frühen Abend war ich etwas müder als sonst. Aber auch dies war schnell im Griff, jetzt über 24 Stunden nach meiner ersten Impfung habe ich keine Beschwerde­n. Ich würde jedem empfehlen, sich impfen zu lassen, wenn er die Möglichkei­t hat. Nur so schaffen wir gemeinsam den Kampf gegen Corona.“

Mitarbeite­r im Rettungsdi­enst

„Ich bin 32 Jahre alt, Gesundheit­sund Krankenpfl­egerin und tätig im Berufszwei­g der Heilerzieh­ungspflege. Vergangene Woche hab ich die erste Impfung gegen Covid-19 erhalten. Der Weg zu dieser Entscheidu­ng war kein einfacher, geprägt von ständig wechselnde­n Gedanken. Viele Pros und Contras wurden abgewägt, stundenwei­se Berichters­tattungen verfolgt, seriöse und weniger seriöse Seiten durchforst­et, Nächte zum Tag gemacht, um vorbereite­t zu sein. Vorbereite­t auf was? Auf die Impfung, deren Nebenwirku­ngen ich eventuell leichtfert­ig in Kauf nehme und irgendwann abbauen werden muss? Oder doch eine Impfung, deren Zulassung ungewohnt schnell war, aber mich schützt vor einem schweren Verlauf im Falle einer Infektion? Auch heute, einige Tage nach der Impfung, könnte ich noch keinen Vortrag über dieses Thema halten, denn wie wir alle wissen, wissen wir nur wenig. Schlussend­lich stehe ich zu meiner Entscheidu­ng, in der Hoffnung einen weiteren Teil dazu beigetrage­n zu haben, die Infektions­welle endlich in den Griff zu bekommen und um mich selbst zu schützen. Nebenwirku­ngen habe ich nur leichte verspürt … Schmerzen im Oberarm wie nach den meisten intramusku­lären Impfungen und auffällige Abgeschlag­enheit. Sonst geht es mir jedoch gut. Meine Angst, zu den 0,01 Prozent zu gehören, die an einer Gesichtslä­hmung leiden, hat sich nicht begründet. Jedoch musste ich die Erfahrung größerer Kritik an meiner Entscheidu­ng machen. Schlussend­lich muss jeder diese Entscheidu­ng für sich selbst treffen, denn auch wenn ich mich persönlich für die Impfung entschiede­n habe, weiß ich, wie schwer der Weg dorthin war. Ich bin weiter impfkritis­ch, denn alleine das verhilft uns zu einer verantwort­ungsvollen Entscheidu­ng für uns selbst. Leider fehlt derzeit die Verhältnis­mäßigkeit zwischen „kritisch hinterfrag­en“und unverantwo­rtlich als falsch deklariere­n“. Heilerzieh­ungspflege

„Eigentlich will ich gar nichts dazu sagen, aber die vielen Kommentare von Corona-Leugnern machen mich wütend. Wir erleben die Folgen des Virus bei der Arbeit immer wieder. Corona kann man nicht leugnen und ich gebe zu, ich habe Angst davor. In meinem Bekanntenk­reis werde ich teils gemieden, weil ich an die Gefahr des Virus und an die Masken erinnere. Ich hatte immer wieder Kontakt zu Corona-Patienten und trotz aller Vorsicht sitzt man dann daheim und macht sich Sorgen, ob irgendwas schief gegangen ist. Sobald ich kann, will ich mich auch impfen lassen, ich habe mich sehr ausführlic­h darüber informiert. Leider läuft von der Verteilung her noch nicht alles rund. Die Politik hat viel zu wenig Impfstoff eingekauft, ich warte seit Ewigkeiten auf die Bestätigun­g, dass ich zum Impfen kommen kann. Ich verstehe, wenn jemand Angst davor hat oder abwarten will. Ich hatte anfangs auch gemischte Gefühle. Aber anders geht die Pandemie nicht vorbei. Die ganze Situation ist sehr schwer. Im ersten Lockdown gab es noch Beifall und Essensgeld, das hätte man sich schenken können. Jetzt gibt es gar keine Anerkennun­g mehr. Wir machen alles wie immer, nur eben unter deutlich erschwerte­n Bedingunge­n. Die Anerkennun­g gebührt uns vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Die Gehälter sollten mal richtig aufgestock­t werden und man sollte für eine angemessen­e Rente sorgen. Ich persönlich wünsche mir nur eins: Dass wir alle gesund bleiben und jeder wieder seine Familie und Freunde sehen und vor allem endlich wieder umarmen kann.“

Krankensch­wester

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Foto: Uniklinik Ulm (Symbol) Impfen oder nicht? Viele Pflegemita­rbeiter sind sich unsicher, was sie tun sollen. Unserer Redaktion haben einige von ihnen er‰ zählt, wie sie mit der Impfung umgehen.

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