Hungerschlangen auf Mallorca
Spanien Die Wirtschaft taumelt am Abgrund
Jeden Morgen um neun öffnen sich die Türen des Kapuzinerklosters in Palma de Mallorca, um Essen an die Armen zu verteilen. Die Hungerschlange der Wartenden misst mehrere hundert Meter. Sie ist in diesen Tagen so lang wie noch nie. In ihr spiegelt sich die wachsende Not auf der Urlaubsinsel. Bevor die CoronaEpidemie ausbrach, habe man etwa 100 bis 150 Essensrationen täglich verteilt, berichtet Pater Gil Parés. Nun seien es gut doppelt so viele Portionen. „Früher haben wir vor allem Obdachlosen geholfen“, sagt der Klostervorsteher. Aber jetzt kämen auch ganz normale Leute: Darunter viele Menschen, die durch Corona ihren Job verloren haben. Der Tourismus ist Mallorcas wichtigste Einnahmequelle. Und diese ist seit Epidemiebeginn im März 2020 weitgehend versiegt. „Wir werden die Corona-Pandemie bezwingen“, verspricht Regierungschef Pedro Sánchez. Dann bekomme man auch die Wirtschaftskrise in den Griff. Das ist dringend notwendig. Kein anderes EU-Mitglied leidet wirtschaftlich so sehr unter der Pandemie wie Spanien. Wohl auch deswegen, weil das Königreich schon vor Beginn der Corona-Krise auf schwachen Füßen stand. Die Folgen der Immobilien-, Banken- und Schuldenkrise, die das Land 2012 an den Rand der Staatspleite brachte, sind noch nicht verdaut. Doch nicht nur die Wirtschaftszahlen bereiten Sorge. In Spanien ist die Zahl der Neuinfektionen zuletzt an einem Wochenende auf einen Höchstwert von 84287 gestiegen. Diskutiert wird, Ausgangssperren schon ab 20 Uhr anzuordnen. Landesweit gelten verschiedene Regeln, da jede Gemeinschaft selbst entscheiden kann. Gaststätten dürfen meist entweder nur noch außer Haus verkaufen oder nur im Freien servieren. Theater und Kinos dürfen, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil ihrer Plätze besetzen. Ralph Schulze