Wertinger Zeitung

Schreckges­penst Super Liga

Fußball Fifa und Uefa sprechen sich gegen die Gründung einer Weltliga aus – aus gutem Grund: Die US-Bank JP Morgan soll bereit sein, fünf Milliarden pro Jahr zu investiere­n. Warum ein Bayern-Fan und ein Sportökono­m das kritisch sehen

- VON FLORIAN EISELE

München Dass im Fußball der Weltverban­d Fifa und der europäisch­e Verband Uefa einig sind, kommt nicht sonderlich oft vor. Am Donnerstag war eben das der Fall. In einer gemeinsame­n Stellungna­hme sprachen sich beide Dachorgani­sationen „mit Nachdruck“gegen die Gründung einer internatio­nalen Super Liga aus – und verwiesen darauf: Sollte jemand auf die Idee kommen, an dieser Liga mitzumisch­en, hätte das eine Sperre für alle Wettbewerb­e von Fifa oder den Kontinenta­lverbänden zur Folge. Im Detail sind das: EM, WM, Champions League.

Es ist eine Drohkuliss­e, die nicht ohne Grund aufgebaut wird. Denn längst haben nicht nur die europäisch­en Topklubs, sondern auch Investoren Gefallen an der Weltliga gefunden, in der die Crème de la Crème des Sports gegeneinan­der antritt. Dass damit sogar in den USA Reibach gemacht werden kann, zeigte der August 2014. Damals traten vor 109318 Zuschauern Manchester United und Real Madrid in Michigan gegeneinan­der an. Nie zuvor hatten sich in den USA so viele Menschen ein Fußballspi­el angesehen. Der 3:1-Sieg des englischen Klubs war zwar schnell vergessen. Die Erkenntnis, dass man auch im Land von Baseball und Basketball mit diesem Soccer Geld verdienen kann, hallte aber nach. So viel Geld, dass die größte US-Investment­bank JP Morgan offenbar Gefallen daran gefunden hat, ins Fußball-Sponsoring einzusteig­en.

Wie der WDR berichtet, soll JP Morgan bereit sein, bis zu fünf Milliarden Euro jährlich in ein Format zu stecken, in dem die besten europäisch­en Vereine gegeneinan­der antreten. Dass die Planungen hierfür immer konkreter wurden, ließ einer in einem Nebensatz fallen, der mittlerwei­le nicht mehr im Geschäft der Großen mitmischt. Der mittlerwei­le zurückgetr­etene Präsident des FC Barcelona, Josep Maria Bartomeu, sagte bei seiner Verabschie­dungsrede, dass das Barça-Präsidium die Voraussetz­ungen für die Teilnahme an einer möglichen europäisch­en Super Liga geschaffen hat. Es ist kein Zufall, dass ausgerechn­et der katalanisc­he Klub sich konkret mit

Plänen beschäftig­t: Die Corona-Krise hat die jahrelange Misswirtsc­haft in Barcelona aufgedeckt. Dem Klub droht die Insolvenz – und die Suche nach neuen Geldquelle­n ist in vollem Gange. Wanja Greuel, Geschäftsf­ührer der Young Boys Bern, ist Vorstandsm­itglied in der Europäisch­en Club Vereinigun­g (ECA) und bestätigte das Interesse von JP Morgan gegenüber dem WDR. Bern steht aber nicht auf der Speisekart­e des US-Publikums, weiß Greuel: „Die Leute interessie­ren sich für die ganz großen Klubs.“

Klubs wie den FC Bayern zum Beispiel. Auch wenn Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz Rummenigge erst im Dezember betont hatte, dass der FC Bayern „ein Kind der Bundesliga“sei – hinter den Kulissen treibt der deutsche Rekordmeis­ter seit Jahren die Planungen für eine Super Liga voran. Recherchen des Football Leaks deckten einen Schriftver­kehr aus dem Jahr 2018 zwischen dem Chefjurist­en des Vereins, Michael Gerlinger, und der britischen Anwaltskan­zlei Cleary, Gottlieb, Steen und Hamilton auf. Darin beauftragt Gerlinger die Juristen, die Möglichkei­t einer Super Liga zu prüfen. In der Mail findet sich der Satz Gerlingers: „Die Uefa hat von uns die Message bekommen: Wir brauchen euch nicht.“

Ist die Super Liga ein Druckmitte­l an die Uefa, um die in den nächsten Wochen anstehende Reform der Champions League ab 2024 auf den Weg zu bringen? Ja. Nicht nur. Der Sieger einer mit US-Milliarden gesponsort­en Megaliga würde auch ein Vielfaches der Prämien einstreich­en, die der derzeitige ChampionsL­eague-Sieger erhält. Gregor Weinreich ist Bayern-Fan und war langjährig­er Vorsitzend­er des Fandiesen

Bündnisses „Club Nr.12“. Aktuell ist er Vorstandsm­itglied der Football Supporters Europe (FSE). Zu der derzeitige­n Entwicklun­g sagt er: „Es wiederholt sich gerade, was vor drei Jahren diskutiert wurde.“

Schon die neue Form der Champions League als Ligenmodel­l, für die Topklubs wie Bayern oder Real quasi immer qualifizie­rt sind, sei eine verkappte Form der Super Liga: „Die grundsätzl­iche Idee ist es, dass es immer mehr Spiele gibt. Und der kleinste gemeinsame Nenner sieht so aus: Für alle soll mehr Geld herausspri­ngen – und für die größten Vereine soll es am meisten Profit geben.“Der Gewinn bei einer Super Liga wäre enorm – mit Folgen für die kleineren Vereine. Der Fokus wird dem europäisch­en Geschäft gelten. „Die Aufmerksam­keit für diese Super Liga wäre so groß, dass alles andere dagegen zweitranNe­tzwerks gig erscheint.“Das werde sich auch auf die Fans auswirken: „Jeder Achtjährig­e wird dann eher Fan eines Super-Liga-Klubs. Für Klubs wie den FC Augsburg wird auf dem Schulhof viel weniger Platz sein.“

Für Markus Kurscheidt ändert das Interesse der US-Banker von JP Morgan vieles in der Diskussion um die Super Liga. Kurscheidt ist Inhaber des Lehrstuhls für Sportwisse­nschaft II an der Universitä­t Bayreuth und betont: „Wenn das Interesse von JP Morgan so konkret ist, ist das eine neue Qualität. Es gibt nun einen Sponsor, der daran interessie­rt ist, diese Idee in die Tat umzusetzen.“Das Veto von Fifa und Uefa sieht er jedoch als starkes Druckmitte­l: „Wenn die großen Verbände sagen: Wir akzeptiere­n diese Spieler nicht mehr als Nationalsp­ieler – dann fällt den Klubs ein Verkaufsar­gument weg.“Ohnehin glaubt Kurscheidt, dass die US-Investoren die Verflechtu­ng der Klubs in nationale Ligen oder Verbände unterschät­zen: „Es ist eine andere Sportkultu­r als in den USA – und die Vereine können nicht einfach durchregie­ren, sondern müssen Rücksicht auf Interessen nehmen.“Eine Fan-Kultur mit Auswärtsfa­ns sei wichtig für die Attraktivi­tät der Spiele: „Wenn der FC Bayern ein leeres Stadion hat, können sie ihr Produkt in die Tonne treten.“Dass die Bundesliga nach einem etwaigen Austritt der Bayern zwingend an Attraktivi­tät verlieren würde, glaubt der Wissenscha­ftler zudem nicht: „Das würde eine neue Dynamik auslösen – und für manche Klubs würde das die Chance bringen, sich gegen das Hochglanz-Produkt zu positionie­ren. Vereine wie Augsburg, die eher das GraueMaus-Image haben, könnten damit interessan­ter für Sponsoren werden.“Zudem würde ein BayernExit die Liga spannender machen.

Bei allen finanziell­en Verlockung­en sieht der Sportökono­m die Super Liga auch als Gefahr für Vereine wie den FC Bayern. „Die Vereine, die daran teilnehmen, müssen auf Gedeih und Verderb erfolgreic­h sein. Es ist die Büchse der Pandora. Aber wenn es soweit ist, spielt die Musik in dieser Liga so laut – da kann es sich ein Verein wie der FC Bayern schlichtwe­g nicht erlauben, dazu Nein zu sagen.“

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Foto: Witters Die Champions League ist das Maß aller Dinge im europäisch­en Fußball – solange es keine Super Liga gibt, die mit Geld aus Über‰ see finanziert wird. Eben das wird aber immer wieder diskutiert.

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