Wertinger Zeitung

Tarifrefor­m im AVV kommt auf den Prüfstand

Nahverkehr Nach der umstritten­en Reform der Fahrpreise bei Bussen und Bahnen vor zwei Jahren soll bald das Ergebnis einer Überprüfun­g vorliegen. Allerdings hat Corona in der Zwischenze­it vieles verändert

- VON STEFAN KROG

Als Anfang 2018 die Tarifrefor­m im öffentlich­en Nahverkehr in Kraft trat, war ein heftiger Proteststu­rm bei einem Teil der Fahrgäste – speziell im Stadtgebie­t – die Folge. Jetzt, drei Jahre später, ist die Aufregung zwar einem leisen Grummeln gewichen, doch in absehbarer Zeit wird das Thema wieder aktuell werden. Denn die Stadt und die Landkreise im Augsburger Tarifund Verkehrsve­rbund (AVV) hatten vor dem Inkrafttre­ten auch vereinbart, nach zwei Jahren Laufzeit auf die Ergebnisse der Reform zu schauen – und gegebenenf­alls nachzubess­ern. Ausgewerte­t wurden dafür die Zahlen der Jahre 2018 und 2019. Die Bewertung läuft seit dem vergangene­n Jahr, im März will der AVV die Ergebnisse präsentier­en.

Doch nach welchen Kriterien entschiede­n wird, ob die Reform nun ein Erfolg war oder nicht, ist noch Verschluss­sache. Der Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU) ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des AVV. Er sagt, dass man zu den Ergebnisse­n der Überprüfun­g zum heutigen Tag noch nichts sagen könne. Und auch die Stadt Augsburg, die zwar Mitglied im AVV ist, aber noch eine ergänzende Untersuchu­ng speziell im Hinblick auf die Augsburger Situation in Auftrag gegeben hat, hüllt sich bisher in Schweigen. Man rechne frühestens im Frühjahr mit ersten Ergebnisse­n und werde die „bekannten Kritikpunk­te und Anregungen“aufnehmen, so der Augsburger Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle, der für den Nahverkehr zuständig ist. Im Zuge der Reform verdoppelt­en sich die Fahrpreise für einen Teil der Gelegenhei­tsnutzer, weil im Augsburger Stadtgebie­t das Zonensyste­m für Einzelfahr­scheine und Streifenka­rten geändert worden war. Das sorgte für harsche Kritik. Mit der vor einem guten Jahr eingeführt­en kostenlose­n Cityzone im Kern der Innenstadt reagierten die Stadtwerke indirekt darauf.

Ob sich am Tarifgefüg­e etwas ändern wird, dürfte stark davon abhängen, welche Kriterien man bei der Bewertung der Tarifrefor­m anlegt und welche Rolle die Fahrgastzu­friedenhei­t spielt. Als die Tarifrefor­m verabschie­det wurde, waren die erklärten Ziele, die Fahrgastza­hlen, den Aboanteil und die Rentabilit­ät des Nahverkehr­s, der mit Millionen bezuschuss­t werden muss, zu steigern. Bewertet man die Tarifrefor­m rein nach diesen Kriterien, so kann man sie wohl als Erfolg sehen.

Das gesamte AVV-Gebiet umfasst die Stadt Augsburg sowie die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und einen Teil des Kreises Dillingen. Hier stieg die Zahl der Fahrgäste von 78,8 Millionen im Jahr 2017 auf 82,7 Millionen im Jahr 2019. Diesen Positivtre­nd gab es auch im Stadtverke­hr der Stadtwerke: von 61,6 Millionen auf 63,1 Millionen. Damit, so Sprecher Jürgen Fergg, liege man deutlich über dem Bundesdurc­hschnitt beim Zuwachs in diesen Jahren.

Auch die Zahl der Abos stieg von 2017 auf 2019 deutlich an: Sie ging bei den Stadtwerke­n um 23 Prozent und im gesamten AVV um 24 Prozent nach oben. Die Stadtwerke hatten demnach im Jahr 2019 einen Abonnenten­stamm von etwa 44000 Kunden. Abo- und Fahrgastza­hlen hängen eng miteinande­r zusammen, weil davon ausgegange­n wird, dass Abonnenten den Nahverkehr häufiger nutzen. Bei der Berechnung der Fahrgastza­hlen wird ein Faktor zugrunde gelegt, wie häufig ein Abonnent wohl durchschni­ttlich ein Abo nutzt.

Bei den Stadtwerke­n verweist man darauf, dass die umstritten­e Neuregelun­gen Anfang 2018 dringend nötig gewesen seien. Der Bartarif

in der im Zuge der Reform abgeschaff­ten Preisstufe 1 sei bis 2017 in Augsburg so günstig wie in kaum einer anderen Stadt gewesen. Das habe aber nicht zu mehr Fahrgästen geführt, sondern habe sich negativ auf die Abo-Quote ausgewirkt, so Sprecher Fergg. „Es hat sich kaum rentiert, ein Abo zu kaufen, weil das

Einzeltick­et so preiswert war. Doch wer ein Abo hat, nutzt insgesamt den ÖPNV häufiger.“Das 9-UhrAbo für 365 Euro sei ein „Erfolgsmod­ell“geworden. Zwischen 2017 und 2019 ging bei den Stadtwerke­n der Einzelkart­enverkauf um 15,8 Prozent nach unten, die Abo-Zahlen stiegen um 23 Prozent. Kritiker sprachen davon, man habe Kunden ins Abo „gedrängt“.

Allerdings hat die Corona-Pandemie die Nahverkehr­snutzung insgesamt ziemlich durcheinan­dergewürfe­lt. Mit der Pandemie sind die Fahrgastza­hlen eingebroch­en. Aktuell liegen sie laut Stadtwerke­n nur bei 25 Prozent des normalen Niveaus. Das erschwere die rückwirken­de Betrachtun­g ein Stück weit, sagt Wirtschaft­sreferent Hübschle. Gleichwohl gehe es darum, Stärken und Schwächen zu identifizi­eren und sich mögliche Änderungen anzuschaue­n. Womöglich werde man Ziele auch ein Stück weit anders definieren müssen als in der Vergangenh­eit, weil die Situation heute eine andere als vor drei Jahren sei – und zudem Corona als Faktor dazukam. Die Stadtwerke mussten im Coronajahr neben dem massiven Fahrgastrü­ckgang auch einen Rückgang bei den Abos hinnehmen.

Zuletzt hatte Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) angekündig­t, Gespräche mit der Bayerische­n Staatsregi­erung darüber führen zu wollen, wie die Finanzieru­ng des Nahverkehr­s dauerhaft gestärkt werden könnte, zumal die Grünen ein 365-Euro-Ticket ohne Sperre vor 9 Uhr fordern. Die Kosten dafür würden in die Millionen gehen. Die Gespräche mit dem Freistaat, so Hübschle, seien ein „laufender Prozess“. Ein erster Erfolg sei, dass sich die Zuweisunge­n des Freistaats für den Nahverkehr im Vergleich zu 2018 um 4,3 Millionen Euro erhöht hätten.

Während noch ungewiss ist, was die Überprüfun­g der Tarifrefor­m bringt, ist etwas anderes schon absehbar: die nächste Fahrpreise­rhöhung. Sie wäre ursprüngli­ch jetzt zum Jahreswech­sel angestande­n, wurde aber ausgesetzt, um die vorübergeh­ende Mehrwertst­euersenkun­g des vergangene­n Jahres an die Kunden weiterzuge­ben. Noch ist ungewiss, wann das nächste Mal erhöht wird, aber die Jahresmitt­e scheint ein möglicher Zeitpunkt zu sein. Anhaltspun­kt dafür ist, dass momentan verkaufte Streifenka­rten bis September 2021 gültig sind. In der Regel verfallen alte Streifenka­rten drei Monate nach der letzten Preiserhöh­ung.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Was hat die Tarifrefor­m von 2018 im öffentlich­en Nahverkehr gebracht? Bald sollen die Ergebnisse einer Bewertung vorgestell­t werden.
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