Wertinger Zeitung

Autoverkäu­fer bricht serienweis­e Wagen an Friedhöfen auf

Prozess Ein Mann soll mindestens 18 Fahrzeuge „ausgeräumt“haben. Dafür wurde er nun am Amtsgerich­t verurteilt

- VON MICHAEL SIEGEL

Zwei Jahre und drei Monate muss ein 53- jähriger Mann aus Fulda ins Gefängnis, der mindestens 18 Autos ausgeräumt haben soll, die an Friedhöfen geparkt waren. Das Verfahren gegen den gelernten Autoverkäu­fer hatte bereits im Oktober einmal stattgefun­den, wurde aber wegen Nachermitt­lungen und anderen Schöffen dann noch einmal aufgerollt. Möglicherw­eise hat sich der Angeklagte einen Bärendiens­t erwiesen, indem er noch am Tag vor der Oktober-Verhandlun­g im Landkreis Augsburg und danach anderenort­s in Süddeutsch­land weitere Autos aufgebroch­en hat. Jedenfalls sitzt er deswegen erneut in Untersuchu­ngshaft, aus der er aus Mannheim zum Prozess nach Augsburg gebracht werden musste.

Es gab Zeugenbeob­achtungen, Bilder von Überwachun­gskameras, Daten aus dem Mobilfunkv­erkehr, DNA-Funde, immer wieder das gleiche Quad-Fahrzeug, weitere Beweismitt­el: All dies legte den Verdacht nahe, dass ein Serientäte­r zwischen Juli und Oktober 2019 für bis zu hundert ähnliche Diebstähle infrage kommt. Von Polizeirev­ieren aus ganz Süddeutsch­land landeten Ermittlung­sergebniss­e bei einem Kriminalbe­amten aus Augsburg, der sich fast ein Jahr lang hauptsächl­ich mit dem Tatkomplex Autoaufbrü­che an Friedhofsp­arkplätzen beschäftig­t hatte. Dieser Beamte versuchte als Zeuge im Gerichtssa­al zu unterfütte­rn, was die Staatsanwa­ltschaft dem Angeklagte­n vorgehalte­n hatte: Diebstahl in 18 Fällen, dazu neun Fälle von Computerbe­trug. Warum nur 18 Fälle?

Zwar umfasste die Liste des Kripo-Beamten deutlich mehr ähnlich gelagerte Taten, aber nicht alle konnte man dem Mann nachweisen. Acht der 18 Fälle gestand der 53-Jährige. Es waren Fälle, in denen seine Täterschaf­t so gut wie unstrittig war. Computerbe­trug nennt sich der Tatbestand, da der Angeklagte versucht hatte, mit bei seinen Diebstähle­n erbeuteten Bankkarten Geld an Automaten abzuheben. Das war ihm in vier von neun Fällen gelungen, weil die Geheimzahl auf der Karte geschriebe­n stand. Insgesamt hat der Angeklagte durch diese Diebstähle und Abhebungen

gut 10.000 Euro Bargeld erbeutet. Ähnlich hoch ist der Sachschade­n an den Autos. An anderer Beute als Bargeld und Bankkarten hatte der Mann kein Interesse gezeigt.

Der Autoverkäu­fer nannte Geldmangel als Grund für seine Taten. Nachdem er seine Arbeitsste­lle bei einem Augsburger Autohaus verloren hatte, ihn zudem Schulden aus einem Insolvenzv­erfahren als Gastwirt drückten, sei er auf die Idee gekommen, durch die Diebstähle aus geparkten Autos sein Einkommen „aufzufülle­n“. Einen schweren Stand hat der Angeklagte seinem Verteidige­r Hansjörg Schmid bereitet. Der nämlich hatte mit den Bemühungen seines Mandanten bei der Suche nach einer neuen Arbeitsste­lle zu punkten versucht. Und dann das: Exakt einen Tag vor der ersten Gerichtsve­rhandlung vor dem Augsburger Amtsgerich­t wurden am 5. Oktober wieder drei Aufbrüche und Diebstähle aus an Friedhöfen geparkten Autos in Täfertinge­n, Adelsried und Wörleschwa­ng (Landkreis Augsburg) angezeigt. Auch aus Franken und dem Bereich Heidelberg wurden solche Delikte gemeldet. Der 53-Jährige gilt auch in diesen Fällen als verdächtig und kam nach Mannheim in Untersuchu­ngshaft. „Ziemlich dämlich“, nannte Vorsitzend­e Richterin Sylvia Huber das – und der Angeklagte nickte.

Dennoch beantragte Verteidige­r Hansjörg Schmid eine Bewährungs­strafe, auch deshalb, weil seiner Ansicht nach nur acht Fälle belegt sind. Das hatte Staatsanwä­ltin Beate Christ anders gesehen, sie hatte zwei Jahren und zehn Monate Haft gefordert. Das Urteil lautet lag mit zwei Jahre und drei Monaten dazwischen, Bewährung ist ab zwei Jahren nicht mehr möglich. Darüber hinaus muss der Autoverkäu­fer 10.300 Euro Wertersatz leisten.

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Symbolfoto: Ralf Lienert Die Ermittler haben den Verdacht, dass ein einzelner Täter für bis zu 100 Fälle von Autoaufbrü­chen verantwort­lich sein könnte.

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