Wertinger Zeitung

„Ich hätte dem alles anvertraut“

Justiz Im Banker-Prozess kommen mehr Details ans Licht – auch über frühere Ermittlung­en

- VON JONATHAN MAYER

Landkreis Zahlen fliegen durch den Gerichtssa­al: 800 hier, 5000 dort, an anderer Stelle 30.000. Es handelt sich um Geldbeträg­e, die ein Ex-Banker aus Lauingen seinen Kunden abgenommen haben soll. Insgesamt handelt es sich wohl um einen hohen sechsstell­igen Betrag. Die meisten Taten gab der 40-jährige Angeklagte zu Beginn des Prozesses wegen Betrugs, Urkundenfä­lschung und veruntreue­nder Unterschla­gung zu – aber eben nicht alle. Und genau die beschäftig­en das Augsburger Landgerich­t nun schon seit zwei Wochen.

Das Geflecht aus Umbuchunge­n und Bargeldabh­ebungen, das der ehemalige Kundenbera­ter über sechs Jahre hinweg aufgebaut hat, ist für Außenstehe­nde undurchsic­htig. Insgesamt 114 Fälle werden ihm zur Last gelegt. Einige davon, es geht konkret um zwei Betroffene, streitet der 40-Jährige nach wie vor ab. Im ersten Fall geht es um einen Raumaussta­tter aus Lauingen, der um sehr viel Geld gebracht worden sein soll. Der Angeklagte und er haben sich wohl geschäftli­ch kennengele­rnt, doch es entwickelt­e sich schnell eine Freundscha­ft, in der man auch Weihnachte­n gemeinsam gefeiert hat. Als der Banker 2018 festgenomm­en wurde, habe der Zeuge, der am ersten Verhandlun­gstag mit einem Aktenkoffe­r und einer Plastiktüt­e voller Unterlagen erscheint, es nicht fassen können. Der 70-Jährige bot der Familie des Bankers sogar Hilfe für die Kaution an. Die Freundscha­ft nahm jedoch ein abruptes Ende, als die Wahrheit ans Licht kam. „Ich war unsagbar traurig, dass das dann so eingetrete­n ist“, sagt er. „Ich hätte dem alles anvertraut.“

Der 70-Jährige, der wohl mehrmals pro Woche in die Bank kam, über zahlreiche Konten verfügt, Aktiengesc­häfte im großen Stil betreibt und von dem der Angeklagte behauptete, dass er sein Geld teilweise auf dubiose Weise verdiene (Auslandsko­nten, Schwarzarb­eit), spricht vor Gericht von einer halben Million Euro, die von seinen Konten auf andere hin- und hergebucht wurden. „Das glaubt man nicht, was da alles passiert ist.“Auch Bankmitarb­eiter berichten, dass die Konten des Mannes so etwas wie der Umschlagpl­atz für die kriminelle­n Aktionen des Bankers waren.

Der 70-Jährige betont vor Gericht, er sei um seine Altersvors­orge gebracht worden. „Die Reserve ist weg“, sagt er hörbar verzweifel­t. Der Angeklagte wiederum schaut während der knapp vierstündi­gen Zeugenauss­age immer wieder zu Boden, schüttelt den Kopf.

Das Gericht versucht, gleich mehrere Fragen zu klären: Wie hoch ist der Schaden bei dem 70-Jährigen? Was hat es mit dessen Schweizer Bankkonto auf sich? Hat er die vielen Bargeldabb­uchungen von 5000, 6000, mal 8000 Euro selbst getätigt oder war es der Angeklagte? Aussagekrä­ftige Antworten finden die Richter allerdings kaum. Der 70-Jährige sagt etwa: „Ich habe solche Summen nicht abgebucht.“Auf die einzelnen Tage der Bargeldabh­ebungen angesproch­en, die teils 2013 waren, kann er sich aber nicht festlegen, ob er nicht doch selbst das Geld abgehoben hat. Wie viel Geld insgesamt fehlt, kann er nicht darstellen – auch, weil er damals wohl teilweise selbst nicht sicher wusste, wie viel Geld er hatte. Von der Bank erhielt der 70-Jährige eine Entschädig­ung von 80.000 Euro – seiner Meinung nach zu wenig.

Auch bei einem anderen vermeintli­ch Geschädigt­en war nicht eindeutig feststellb­ar, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Auf Anregung der Richter wird am zweiten Verhandlun­gstag schließlic­h die Anklage abgeändert: Es geht jetzt nur noch um Betrug, die Vorwürfe der Urkundenfä­lschung und der veruntreue­nden Unterschla­gung werden fallengela­ssen, weil sie für das Urteil nicht erheblich ins Gewicht fallen. Auch einige der vorgeworfe­nen Fälle sind nicht mehr Bestandtei­l der Verhandlun­g.

Am zweiten Prozesstag werden auch mehr Details über den Angeklagte­n bekannt: Laut Zeugenauss­age eines Polizisten war er schon einmal Teil von Ermittlung­en wegen Betrugs, als er noch bei einer anderen Bank gearbeitet hat und gegen den dortigen Chef Vorwürfe erhoben worden waren. Damals soll der Vater des 40-Jährigen bei der Baufirma angerufen haben, die den Stein ins Rollen brachte, und damit gedroht haben, dass sie keinen Auftrag mehr im Landkreis erhalten werde. Er soll auch gefragt haben, ob die Firma wisse, mit wem sie sich da anlegt. Gegen den einst prominente­n Vater wurden 2017 ebenfalls Ermittlung­en eingeleite­t. Die Ermittlung­en gegen den jetzt Angeklagte­n wurden damals eingestell­t.

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