Was hat die Bank aus dem Betrugsfall gelernt?
Interview Mitarbeiter der VR-Bank Donau-Mindel decken 2018 auf, dass ein Kollege seine Kunden um Geld betrogen hat. Der Prozess vor dem Landgericht endete vergangene Woche. Hat die Bank aus dem Fall etwas gelernt?
Ein Ex-Mitarbeiter der VR-Bank wird wegen Betrugs verurteilt. Was der Vorstand der Bank dazu sagt.
Landkreis Über Jahre hinweg schafft es ein Mitarbeiter der VR-Bank Donau-Mindel, Kunden zu betrügen und um ihr Geld zu bringen. Als alles aufgedeckt wird, liegt die Schadenssumme bei knapp 1,1 Millionen Euro – von denen bis zur Urteilsverkündung bereits ein Teil verjährt ist. Am Ende wird der Mann wegen Betrugs und Urkundenfälschung in 43 Fällen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Nun äußert sich Vorstandsmitglied Alexander Jall.
Sie haben sich alle drei Verhandlungstage gegen Ihren ehemaligen Mitarbeiter angesehen. Wieso?
Alexander Jall: Für uns war der Betrugsfall ein sehr einschneidendes Ereignis und zu Beginn ein wirklicher Schock. Wir sind jetzt fast drei Jahre in die Aufarbeitung involviert. Da war es wichtig, den unmittelbaren Eindruck in der Verhandlung zu gewinnen – auch vor der Aufgabe stehend, die Täter-Opfer-Vereinbarung abzuschließen, durch die der Täter sich verpflichtet, den Schaden zu begleichen.
Als der Fall 2018 aufgedeckt wurde, hat die Bank schnell reagiert. Wie lief das ab?
Jall: Es gab diese eine Beschwerde, bei der man festgestellt hat, dass das vom Kunden verlangte Guthaben nicht mehr vorhanden war. Da hat man dann nachgeforscht und entdeckt, dass es Buchungen von einem Kunden zum anderen gab. Die beiden kannten sich aber gar nicht, wie wir auf Nachfrage rausgefunden haben. Damit war klar, dass etwas im Argen lag.
Wie war Ihre Reaktion?
Jall: Es war ein Schock. Aber dass bei Geldangelegenheiten die Gefahr von dolosen Handlungen grundsätzlich vorliegt, war uns natürlich bewusst. Unter anderem deshalb sind Banken ja so immens reguliert. Von Geld kann immer Gefahr ausgehen. Wir haben dann sofort reagiert und die internen Ermittlungen angestoßen. Von deutlichen Indizien, dass unser Mitarbeiter wahrscheinlich Kunden betrogen hat, bis zur Trennung waren es vielleicht fünf, sechs Arbeitstage. Am ersten Tag nach seinem Urlaub haben wir ihn gleich frühmorgens zur Rede gestellt und mit dem Verdacht konfrontiert. Er hat dann einige Schadensfälle gestanden. Er wirkte nicht wirklich überrascht. Es ist ja so: Das Ganze war für ihn von Anfang an eine tickende Zeitbombe. Mit jeder weiteren dolosen Handlung wird ja „der Krater“größer, irgendwann stürzt man dann rein.
Den Schaden – das war immer wieder Thema vor Gericht – haben Sie dann relativ bald ausgeglichen.
Jall: Wir sind auf die Kunden zugegangen, von denen wir geglaubt haben, dass sie betroffen waren. Dann haben wir mit allen bis auf einen, der dann auch vor Gericht ausgesagt hat, eine Vereinbarung getroffen und den Schaden komplett ausgeglichen.
Das hätten Sie aus rechtlicher Sicht nicht tun müssen.
Jall: Zivilrechtlich hätten wir sicher zunächst auf den Schädiger verweisen können. Aber wir müssen zu der Verantwortung stehen, dass da jemand in unserem Namen gehandelt hat. Der Kunde vertraut ja nicht nur dem Berater, sondern vor allem auch uns als Bank.
Die Aussage eines Mitarbeiters vor Gericht hat etwas für Verstimmung gesorgt: Da hieß es, die Bank habe kein Strafverfolgungsinteresse. Auch unsere Redaktion hat daraufhin Post erhalten, wie das sein könne.
Jall: Wir haben unsere Position als derjenige, der den Schaden übernommen hat, gesehen. Und für uns als Geschäftsleitung ist es wichtig, klarzustellen, dass wir hier mit dem Geld unserer Mitglieder und Kunden arbeiten. Und deswegen ist es unsere wichtigste Aufgabe, den Schaden möglichst auszugleichen. Das ist unsere Position: Wenn der Täter es bewerkstelligt, den Schaden wiedergutzumachen, dann haben wir kein eigenes Strafverfolgungsinteresse. Für die Entscheidung, wie der Täter zu bestrafen ist, ist die Justiz zuständig. Nicht wir. Und das Gericht hat ja entschieden. Die Meinung meines Vorstandskollegen Herrn Fross und meine persönliche ist die: Wir hätten genauso entschieden wie das Gericht. Das hat ja unter anderem ausgeführt: Der Täter soll die Möglichkeit haben, durch eigene Arbeit den Schaden vollends wiedergutzumachen. Das wäre nicht möglich, wenn die Haftstrafe vollzogen würde.
Alexander Jall, Mitglied des Vorstands der VRBank DonauMindel.
Wie konnte dieser Betrug so lange nicht auffallen?
Jall: Die Erklärung ist eigentlich ziemlich einfach. Der Täter hat ja vor allem über Gelder verfügt, die laut unserem System der Kunde mit unterschriebenem Auszahlungsauftrag bar abgehoben hat. Das kann nicht auffallen. Wir haben Hunderte Bargeldabhebungen jeden Tag, da fragen wir nicht, was mit dem Geld passiert. Dürfen wir auch nicht. So was kann nur auffallen, wenn der Kunde kommt und sagt: Das war ich nicht. Der Täter versprach seinen Kunden gute Anlagen, hob in ihrem Auftrag Bargeld von ihren Konten ab, legte es ihnen vor und sagte: Das legen wir jetzt an. Dafür wurde eine gefälschte Anlagebestätigung ausgehändigt. Den „Anlagebetrag“behielt er dann bei sich. Bei einer normalen Anlage würde man aber nie Bargeld abheben, da bucht man nur von einem Konto auf ein anderes um. Die Kunden wurden deshalb aber nicht argwöhnisch.
Das, was der Täter da gemacht hat, scheint relativ einfach zu sein: Das Vertrauen der Kunden gewinnen, Anlagen fingieren und zum Beispiel auch Kontoauszüge unterdrücken. Hat sich da etwas geändert? Oder anders: Was hat die Bank aus alledem gelernt?
Jall: Für uns war die Frage, ob wir etwas falsch gemacht haben, wenn der Berater die Erstellung der Kontoauszüge zeitlich verschieben kann. Das entspricht allerdings dem technischen Standard-Kompetenzprofil eines Kundenberaters. Inzwischen kann das aber nicht mehr passieren, weil durch die Gesamtbank zusätzlich ausgewertet wird, ob für jedes Sparkonto ein Kontoauszug erstellt wurde. Um dolose Handlungen zu vermeiden, gibt es sehr viele Kontrollmechanismen. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Vier-Augen-Prinzip, das sich durch die ganze Bank bis zur Geschäftsleitung zieht. Aber natürlich nicht bei jeder einzelnen Handlung. Dann gibt es interne und externe Revision sowie die Aufsichtsbehörden. Aber komplett lückenlos kann das nie sein. Durch die Digitalisierung kommen wir immer mehr dahin, dass ein Mitarbeiter mehr allein machen kann. Das sind Effizienzsteigerungen, die wir brauchen. Damit wird auch die Kontrolle immer weiter automatisiert. Das darf aber nicht zulasten der Sicherheit gehen.
Was raten Sie denn Kunden, die jetzt verunsichert sind?
Jall: Generell sollte ein Kunde kein Geschäft machen, von dem er nicht den Eindruck hat, dass er es versteht. Die Empfehlung unserer Berater ist natürlich wichtig, darf aber nicht das alleinige Entscheidungskriterium sein. Der Kunde muss nicht jedes Detail eines Produkts durchschauen, aber die Grundzüge muss er verstehen. Und unser Auftrag als Bank ist, das verständlich zu vermitteln. Ich glaube, generell kann man raten, dass sich jeder noch mehr um seine finanziellen Angelegenheiten kümmern sollte, gerade in herausfordernden Zeiten wie aktuell.