Brexit schwächt Handel mit Großbritannien
Logistik Die Exporte in das Vereinigte Königreich sind stark zurückgegangen. Die Transporte dauern länger und der Aufwand ist gestiegen. Woran das liegt und was es für Unternehmen bedeutet
Gersthofen Der Abschied des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat im Handel tiefe Spuren hinterlassen. Die Zahlen im Export seien nicht zu vergleichen mit denen vor dem Brexit, sagt zum Beispiel Niels Beuck, Geschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV). Das untermauern die Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind die Exporte nach Großbritannien im Januar 2021 um 30 Prozent eingebrochen. Seit dem Brexit liegen die Zahlen unter denen des Vorjahres, teilt der DSLV mit.
Der Brexit und seine Folgen verändern die Logistikbranche. „Wir haben in den ersten drei Januarwochen bewusst darauf verzichtet, Fahrzeuge nach Großbritannien zu schicken“, sagt zum Beispiel Gianluca Crestani, Geschäftsführer der Logistikgruppe Roman Mayer, die auch einen Sitz in Gersthofen (Landkreis Augsburg) hat.
Unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen konnte man keinem Fahrer zumuten, auf dem Weg nach Großbritannien mit der Ungewissheit, wie es weitergeht, zu stranden. „Auch die Hygienezustände waren alles andere als gut. Auf provisorischen Parkplätzen standen tausende Fahrzeuge mit Fahrern, die nicht mal die Möglichkeit hatten vernünftig auf Toilette zugehen“, berichtet Crestani.
Am 24. Dezember 2020 wurde zwar ein Handelsabkommen zwi
dem Vereinigten Königreich und der EU vereinbart. Der Handel mit dem Vereinigten Königreich sei laut DSLV zum 1. Januar 2021 aber komplexer und bürokratischer geworden. Der organisatorische Aufwand würde in allen Lieferketten deutlich steigen, teilt DSLV-Geschäftsführer Niels Beuck mit. Er sagt, das größte Problem seien die Zollformalitäten.
Das bestätigt Logistik-Chef Gianluca Crestani. Der Export verlaufe inzwischen zwar wieder normaler, der Warenimport aus Großbritannien dauere aber immer mal wieder ein bis zwei Tage länger. „Da kommt es immer wieder zu Verzögerungen.“An manchen Tagen gehe die Dokumentation problemlos, an anderen müssen Lkw-Fahrer auf die Rückkehr warten. Viele Firmen haben sich offenbar zu spät oder gar nicht auf die neuen Formalitäten vorbereitet.
Verzögerungen sind schlecht für die Logistikunternehmen. Stehe ein Lkw, der eigentlich rollen sollte, erhöhten sich die Transportkosten, sagt Crestani. Wie lange der Transport braucht, hänge davon ab, wie gut die Bürokratie organisiert sei. Die Wartezeiten haben Folgen: Unternehmen, die vorher Ware aus Großbritannien geholt haben, würden nun überlegen, sie aus der EU zu beziehen, sagt Crestani. „Sie könnten höhere Mengen einkaufen, aber viele haben kein großes Lager, dann sucht man sich Lieferanten, die schneller liefern können.“
Deshalb bedienen britische Unschen ternehmen die Kunden nicht mehr aus Großbritannien, sondern beispielsweise aus Deutschland. „Das ist ein typischer Effekt momentan, die britischen Lieferanten werden auch Lagerstandorte in der EU aufbauen, um die EU-Kunden genauso schnell beliefern zu können, wie die Wettbewerber aus der EU“, sagt Crestani. Das Gleiche gelte auch für den umgekehrten Fall: „Wenn jemand aus einem Lager in Deutschland den britischen Markt sehr stark versorgt, überlegt er sich vielleicht, für den britischen Markt eine eigene Location dort zu schaffen.“
Die Schwierigkeiten bleiben wohl länger bestehen: DSLV-Geschäftsführer Niels Beuck befürchtet erneute Verzögerungen mit der Dokumentation. Neue Vorschriften beim Transport von tierischen und pflanzlichen Produkten sowie neue Kontrollvorschriften für alle Einfuhren nach Großbritannien, und nicht nur für den Transit, sollten eigentlich im April und im Juli 2021 kommen. Jetzt kommen sie erst 2022. Zuvor hatte man einen Einbruch des Handelsvolumens zur Jahresmitte befürchtet. Der könnte aber nächstes Jahr kommen. Laut DSLV werden die Kontrollen zu Störungen und Handelsbeeinträchtigungen führen.