Wertinger Zeitung

Sparkassen rechnen mit Negativzin­s

In der Krise kam noch mehr Geld zu Banken

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

München Die Sparkassen in Bayern haben im Jahr 2020 so viel neue Kredite ausgegeben, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Ein Plus von 5,8 Prozent erhöht das Kreditvolu­men aller Institute auf die Rekordmark­e von 150,6 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte dieses Betrags (54 Prozent) wurde an Unternehme­n und Selbststän­dige verliehen. Von den 19,9 Milliarden zugesagter Darlehen flossen rund 2,1 Milliarden im Rahmen der staatliche­n CoronaHilf­en. Ulrich Reuter, der neue Präsident des Bayerische­n Sparkassen­verbandes, sagte dazu bei der Vorstellun­g der Bilanz am Donnerstag in München: „Es gab keine Kreditklem­me, unsere Kunden haben nicht einmal ein Zwicken gemerkt.“Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist der ungebroche­ne Zufluss neuer Gelder.

Das Geldvermög­en der privaten Haushalte erreichte im Jahr 2020 ebenfalls einen neuen Höchststan­d. Zum Jahresende waren 187,6 Milliarden Euro an Einlagen bei den bayerische­n Sparkassen hinterlegt, zu fast 80 Prozent Privatkund­enGelder. Mit 7,2 Prozent sind die Einlagen noch stärker gewachsen als die Kredite. Das sorgt bei den Instituten zunehmend für Probleme. Den Sparkassen geht es im Grunde ähnlich wie Privatanle­gern: Es gibt keine rentierlic­hen Anlagemögl­ichkeiten mehr. Wer Schuld hat an der Misere steht für Ulrich Reuter fest: „Die Niedrigzin­spolitik der EZB setzt das Herzstück unseres Geschäftsm­odells dramatisch unter Druck.“Dies gelte umso mehr, da die Europäisch­e Zentralban­k auch noch attraktive Anlagen direkt an der Quelle kaufe. Eine Abkehr von dieser Politik erwartet der Verband in den kommenden Jahren nicht. Und das hat Folgen für die Kunden.

Immer mehr Sparkassen seien daher gezwungen, Negativzin­sen zu verlangen, erklärte Reuter. Die Entscheidu­ng darüber treffe jedes Institut für sich. Aber: „Zumindest im Neugeschäf­t wird es auf Dauer nicht möglich sein, auf Verwahrent­gelte bei großen Summen zu verzichten. Es schmerzt uns, dass wir unsere Kunden nicht weiter vor der EZB-Politik schützen können“, so Reuter. Zwei weitere Folgen dieses Trends dürften immer mehr Kunden in Zukunft spüren: Erstens sinkt die Zahl der Geschäftss­tellen weiter. Corona hat zwar auch der Digitalisi­erung im Bankgeschä­ft einen ordentlich­en Schub verpasst. Aber die Zahl der konvention­ellen Filialen in Bayern ist auch um 8,3 Prozent geschrumpf­t. Und zweitens wird es laut Reuter in zwei bis drei Jahren auch keine kostenlose­n Girokonten mehr geben: „Die Zeit der scheinbar kostenlose­n Dienstleis­tungen geht dem Ende zu.“

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