Suezkanal: Blockade kann länger dauern
Unglück Trotz aller Bemühungen verstopft ein hochhausgroßes Schiff weiterhin das Nadelöhr des weltweiten Seeverkehrs. Während dutzende Schiffe im Stau stecken, warnen Experten bereits vor den Folgen für die deutsche Wirtschaft
Kairo/Hamburg Das Containerschiff „Ever Given“gilt als eines der größten der Welt. 20 000 Container kann es über die Weltmeere transportieren. Doch das Problem ist: Derzeit fährt es nicht, sondern hängt im Suezkanal fest – und blockiert so ein Nadelöhr des Welthandels. Von der Suezkanal-Behörde veröffentlichte Fotos zeigen Bagger, die Schlamm unter dem Containerschiff wegschaufelten, während zeitweise acht Schlepperboote an ihm zogen. Die Schifffahrt auf der Seestraße ist weiterhin vorübergehend eingestellt. Wie lange die Arbeiten noch dauern könnten, dazu konnte auch die Behörde keine Angaben machen. Ägyptens staatliche Zeitung Al-Ahram zitierte einen Experten, der davon ausgeht, dass der quergestellte Frachter erst in einigen Tagen aus dem Weg geräumt werden kann.
Das 400 Meter lange und fast 60 Meter breite Schiff war am Dienstag auf Grund gelaufen, weil der Kapitän schlechte Sicht wegen eines
Sandsturms hatte. Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Stahlriesen bei Strömung und Seitenwind durch die schmale Schifffahrtsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmischen 40 oder 50 Knoten pro Stunde über den Kanal fegen. Nach Angaben des Seefahrts- und Logistikunternehmens GAC warten derzeit noch rund 70 Schiffe an Ankerplätzen in den Städten Port Said und Suez auf die Weiterfahrt. Der Versicherungskonzern Allianz meldete gar, zunächst seien mehr als 100 Schiffe im Stau gestanden.
Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer. Nach Angaben der Allianz laufen rund zehn Prozent des Welthandels durch diesen Kanal. 2020 durchfuhren nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19 000 Schiffe den Kanal – im Schnitt gut 50 am Tag. Um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum. Den Seeweg von Europa nach Indien verrungen
er um etwa 7000 Kilometer. Das ist wichtig im eng getakteten Welthandel. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hofft daher auf ein möglichst schnelles Ende der Blockade. „Je länger die Sperrung andauert und je länger die Ungewissheit andauert, desto drastischer werden die Auswirkungen dieser Sperrung sein“, sagte Verbandssprecher Christian Denso.
Das Hauptproblem sei, dass niemand wisse, ob sich der fast drei Wochen länger dauernde Umweg um das Kap der Guten Hoffnung lohne. Je länger der Stau dauere, „desto ruhiger wird es im Hamburger Hafen werden“, sagte Denso. Danach kämen die Schiffe dann jedoch geballt. Die „Ever Given“ist in Hamburg keine Unbekannte. Im Jahr 2019 verursachte sie dort eine
Kollision mit einer Fähre. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von rund einer Million Euro. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte vor steigenden Kosten für Unternehmen, die auf Seetransporte angewiesen sind. Lieferketten gerieten unter anderem wegen der unpünktlichen Schiffe ins Stocken, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Die Lage im internationalen Container-Seeverkehr sei ohnehin angespannt, die Blockade verschärfe sie nun noch einmal. Auch für den Ölhandel ist der Suezkanal eine wichtige Transportroute. Der Ölpreis war am Mittwoch kurzzeitig deutlich gestiegen, mittlerweile sind die Preise aber wieder gesunken.
Die Vorstandsvorsitzende des Hamburger Hafenkonzerns HHLA, Angela Titzrath, sagte am Donnerstag: „Wir hoffen natürlich sehr, dass es nicht zu langfristigen Störungen im Kanal kommt – und dann eben zu wirklich dramatischen Verzögekürzt im Fahrplan.“Die HHLA – Betreiberin von drei der vier Containerterminals im Hamburger Hafen mit einem Umschlag von knapp 6,8 Millionen Standardcontainern (TEU) im vergangenen Jahr – sei aber Verspätungen gewohnt. „Keines der Schiffe ist in diesem Jahr pünktlich gewesen.“Bislang hätten jedoch vor allem die Corona-Pandemie, das Wetter oder Streiks in anderen Häfen zu Verzögerungen geführt. Der Konzern könne auch die jetzige Situation handhaben.
Inzwischen hat sich auch die britische Regierung in den Fall eingeschaltet. „Wir sind bereit, jede erdenkliche Hilfe zu leisten“, sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson.
Die von der chinesischen Evergreen Line betriebene „Ever Given“war von China auf dem Weg nach Rotterdam in den Niederlanden und sollte danach Anfang April auch Hamburg anlaufen. Sie fährt unter der Flagge Panamas.
Die „Ever Given“ist in Hamburg keine Unbekannte