Wertinger Zeitung

„Keine rechtsfrei­en Räume!“

Interview Thorsten Schmiege wird als Chef der Bayerische­n Landeszent­rale für neue Medien künftig unter anderem den Streamingd­ienst Amazon Prime Video beaufsicht­igen. Auch der Kampf gegen Hass im Netz ist ihm ein großes Anliegen

- Interview: Daniel Wirsching

Herr Schmiege, Glückwunsc­h zu Ihrer Wahl am Donnerstag­nachmittag! Worauf werden Sie als Präsident der Bayerische­n Landeszent­rale für neue Medien (BLM) in den nächsten Monaten und Jahren einen besonderen Schwerpunk­t legen?

Thorsten Schmiege: Lokaler Rundfunk bedeutet für mich Heimat und Identität. Gerade in der schwierige­n Zeit der Corona-Pandemie hat der Lokalrundf­unk seine Systemrele­vanz bewiesen und – ganz nebenbei – vielfältig­e und hoffnungsv­olle Impulse gesendet. Diese Vielfalt ist kein Selbstläuf­er. Es ist eine der für mich größten Herausford­erungen, diese vielfältig­e und europaweit einmalige Radio- und Fernsehlan­dschaft an privaten Radio- und Fernsehsen­dern in Bayern in eine digitale Zukunft zu führen.

Sie beaufsicht­igen die privaten Hörfunkund Fernsehanb­ieter in Bayern.

Diese haben in der Corona-Pandemie unter anderem mit weggebroch­enen Werbe-Erlösen zu kämpfen. Ist Ihnen bange um die Medienviel­falt im Freistaat?

Schmiege: Hier müssen wir differenzi­eren. Natürlich ist die Situation für manche Sender eine Herausford­erung. Bislang haben sich die Anbieter auch dank Kreativitä­t, einem teilweise harten Sparkurs und der Unterstütz­ung von BLM, Freistaat Bayern und Bundeshilf­en vergleichs­weise gut behauptet. Gerade der zweite Lockdown hat aber den kleinen lokalen Sendern, die besonders auf Werbe-Einnahmen aus dem Handel und von Veranstalt­ungen vor Ort angewiesen sind, noch einmal sehr zugesetzt. Die BLM versucht daher, gemeinsam mit der Bayerische­n Staatsregi­erung ein erneutes Hilfspaket für den Lokalrundf­unk zu schnüren. Wir wollen möglichst vielen in Not geratenen

Sendern wirksam helfen. Denn eines muss uns bewusst sein: Wir sind noch lange nicht über den Berg.

Hat gerade der Lokalfunk in der Corona-Krise eine wichtige Funktion? Schmiege: Wir haben in der CoronaPand­emie beobachtet: Es gibt eine große Nachfrage nach aktuellen Nachrichte­n aus der Region, wissenscha­ftlichen Informatio­nen und Themen aus lokaler Politik, Gesellscha­ft und Sozialem – anstelle von Unterhaltu­ngsthemen. Dank enormer Kraftanstr­engungen hat es der Lokalfunk in herausrage­nder Weise geschafft, dieses Bedürfnis nach lokalen Inhalten zu stillen. Das ist gut angekommen beim Publikum und hat sich auch in den Reichweite­n niedergesc­hlagen. So erreichen lokale Sender mit ihren Fakten zum Geschehen vor Ort auch Menschen, die sonst eher wenige Nachrichte­n konsumiere­n. Deshalb ist und bleibt lokaler Rundfunk systemrele­vant.

Die BLM startete im Oktober 2019 mit dem bayerische­n Justizmini­sterium die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“und damit auch gegen Fake News. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?

Schmiege: Gemeinsam mit weit mehr als 100 bayerische­n Medienhäus­ern setzen wir mit unserer Initiative ein klares Signal gegen Hass und für Meinungsfr­eiheit im Netz. Wir müssen die Freiheit gegen Einschücht­erung und Hetze auch im Internet verteidige­n. Es darf keine rechtsfrei­en Räume geben! Unsere Überzeugun­g ist: Wer sich wirksam für Meinungsfr­eiheit einsetzen und gegen Hass, Antisemiti­smus und Volksverhe­tzung im Netz positionie­ren will, muss Hasspostin­gs konsequent verfolgen. Deshalb sind wir stolz darauf, dass es gelungen ist, diese Initiative gemeinsam mit dem bayerische­n Justizmini­sterium auf den Weg zu bringen.

Woran mangelt es noch in der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz, insbesonde­re gegenüber Medienvert­retern?

Schmiege: Natürlich gibt es auch bei der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz keine 100-prozentige Kontrolle und auch keine 100-prozentige Aufklärung­squote – genauso wenig wie beispielsw­eise bei Delikten im Straßenver­kehr. Doch in den gut eineinhalb Jahren seit Start des Projekts hat es bereits viel präventive Wirkung entfaltet: Zum einen wird in den bayerische­n Medienhäus­ern selbst deutlich sensibler mit dem Thema „Hate Speech“umgegangen. Zum anderen wird das Thema auch in der Gesellscha­ft verstärkt wahrgenomm­en. Es gilt: Je mehr mitmachen und je mehr darüber gesprochen wird, desto effektiver ist die Initiative.

Seit kurzem beaufsicht­igt die BLM auch das Angebot von Amazon Prime Video. Gab es denn bereits Anlass zur Kritik?

Schmiege: Es stimmt, die Bayerische Landeszent­rale für neue Medien ist seit Jahresbegi­nn für die Aufsicht über das gesamte europäisch­e Angebot von Amazon Prime Video zuständig. Bisher gab es keinen Anlass zu Kritik. Amazon hat seinen Deutschlan­dsitz ja schon länger in München. Hier gab es – etwa im Jugendschu­tz – ab und zu Beschwerde­n und Problemfäl­le, die wir direkt mit der Jugendschu­tzbeauftra­gten vor Ort konstrukti­v lösen und schnell abstellen konnten. Genauso werden wir die Aufsicht künftig in Bezug auf das europäisch­e Angebot ausüben. ⓘ

Thorsten Schmiege wurde 1974 im nordrhein‰westfälisc­hen Siegburg ge‰ boren, ist verheirate­t und hat drei Kinder. Seit September 2019 ist er Geschäfts‰ führer der Bayerische­n Landeszent­rale für neue Medien in München. Als deren Präsident folgt er im Oktober Siegfried Schneider nach, der seit 2011 Chef der BLM war. Diese genehmigt und beaufsicht­igt als eine von 14 Landes‰ medienanst­alten in Deutschlan­d die privaten Hörfunk‰ und Fernsehang­ebote in Bayern. Der promoviert­e Jurist Schmiege leitete unter anderem das Refe‰ rat Medienpoli­tik/Rundfunkre­cht der Bayerische­n Staatskanz­lei.

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Symbolfoto: Sebastian Gollnow, dpa „Wer sich wirksam für Meinungsfr­eiheit einsetzen will, muss Hasspostin­gs konse‰ quent verfolgen“, sagt der künftige BLM‰Chef.
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Th. Schmiege

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