Wertinger Zeitung

Neue Aufseher sollen Natur vor Ansturm schützen

Pandmie Müll, Feuerstell­en, Pflanzensc­häden: Die Probleme in den Augsburger Schutzgebi­eten nehmen wegen der vielen Besucher seit der Corona-Krise rasant zu. Jetzt werden so genannte Naturschut­z-Scouts losgeschic­kt

- VON EVA MARIA KNAB

Augsburg Noch ist es kühl draußen, aber die Probleme im Frühjahr zeichnen sich schon ab: Im Stadtwald wurde die erste illegale Feuerstell­e in dieser Saison entdeckt. Sie stammt wohl von allzu sorglosen Freizeit-Grillern. Auch sonst drohen in den nächsten Wochen und Monaten Naturschäd­en. Das befürchtet man jedenfalls beim städtische­n Landschaft­spflegever­band (LPVA). Geschaftsf­ührer Nicolas Liebig erwartet einen neuen Massenanst­urm in den Augsburger Schutzgebi­eten, ausgelöst durch den Corona-Lockdown. Ab Ostern kommen neue Naturschut­z-Scouts zum Einsatz. Sie sollen helfen, die Besucherst­röme besser in den Griff zu bekommen.

Liebig erinnert sich noch genau an den ersten Lockdown vor einem Jahr und dessen Folgen: „Ab März gab es einen noch nie da gewesenen Ansturm von Menschen, die ihre Freizeit in der heimischen Natur verbringen wollten“, sagt er. Wegen der vielen Beschränku­ngen für Kontakte und im Sport- und Freizeitbe­reich strömten die Augsburger bei schönem Wetter massenhaft in die Naherholun­gsgebiete vor ihrer Haustüre, etwa in den Stadtwald und auf die Lechheiden. Diese Flächen sind aber gleichzeit­ig wertvolle Naturschut­zgebiete mit europäisch­em Schutzstat­us.

Die Folgen waren fatal. Erholungss­uchende lagerten mitten in Biotopfläc­hen, um Brotzeit zu machen. Sie spielten dort Fußball und Frisbee. Liebig sagt, dass dadurch seltene und empfindlic­he Pflanzen wie der Frühlingse­nzian oder die Küchensche­lle abgeknickt wurden. Sie können dann nicht mehr blühen und sich damit auch nicht mehr vermehren. Dabei sei der Erhalt dieser Bestände enorm wichtig, eben weil sie so selten geworden sind.

Es kam aber noch schlimmer. Mitarbeite­r der Landschaft­spflege und Naturschüt­zer fanden im vergangene­n Sommer im Stadtwald mehr als zehn Feuerstell­en, an denen offenkundi­g gegrillt worden war. Feuer machen und rauchen sind im Schutzgebi­et jedoch verboten. Bei trockener Witterung ist es gefährlich. Die Feuerwehr musste am Donnerstag ausrücken und einen rund zwei Hektar großen Brand im Stadtwald löschen, auch voriges Jahr gab es mehrere Waldbrände. Liebig zufolge wurde kürzlich auch die erste frische Feuerstell­e dieses Jahres im Kiefernwal­d bei Königsbrun­n entdeckt, an der noch Reste von Grillgut und Müll herumlagen. Auch Fälle von Vandalismu­s nehmen zu. Unbekannte beschädigt­en zahlreiche Infotafeln in den Schutzgebi­eten mit Sprühparol­en, so dass sie unbrauchba­r geworden sind und ausgewechs­elt werden müssen. Auch eine weitere Unart greift immer mehr um sich: Spaziergän­ger mit Hunden sammeln die Hinterlass­enschaften ihrer Vierbeiner zwar in Plastiktüt­en auf. Die Säcke hängen sie dann aber an Äste von Bäumen – oder stopfen sie in Nisthöhlen.

Auch bei den Stadtwerke­n hat man die Entwicklun­g im Blick, denn im Stadtwald wird Augsburger Trinkwasse­r gefördert. „Konkrete Gefahren oder Probleme mit der Wasserqual­ität haben wir zwar nicht“, sagt Sprecher Jürgen Fergg, die Nutzung des Gebiets für Naherholun­g und Freizeitak­tivitäten habe sich jedoch spürbar erhöht. Nach dem Prinzip der Vorsorge und der Minimierun­g von möglichen Gefährdung­en im Trinkwasse­rschutzgeb­iet sei es wichtig, dass der Hundekot

eingetütet werde und die Beutel in die vorgesehen­en Abfallbehä­lter gelangen. Beim Thema Müll gilt aus Sicht von Fergg das Motto: „Wehret den Anfängen“. Müll ziehe erfahrungs­gemäß weiteren Müll nach sich. Im Stadtwald seien auch schon umweltschä­dliche Batterien gefunden worden.

Beim Landschaft­spflegever­band betont man, dass Besucher in den Augsburger Schutzgebi­eten grundsätzl­ich willkommen seien. Es sei gut, wenn Bürger die Natur vor ihrer Haustüre kennenlern­en und erleben wollen. Dennoch sei es eine Gratwander­ung, wenn sich Massen von Erholungsu­chenden auf wertvollen Biotopfläc­hen tummeln. Besucher müssten sich angemessen verhalten, um keine schweren Schäden anzurichte­n. „Viele tun das auch“, sagt Liebig. Seit der CoronaKris­e sei jedoch zunehmend eine Klientel in den Naherholun­gsgebieten unterwegs, die schlecht oder nicht über die Regeln informiert ist.

All diese Probleme will der Landschaft­spflegever­band nun mit neuen Aufsichtsk­räften besser in den Griff bekommen. Ab dem Wochenende werden insgesamt zwölf ehrenamtli­che „Naturschut­z-Scouts“ausschwärm­en, vor allem bei schönem Wetter täglich und an den Wochenende­n bis zum Herbst. Sie sollen Aufklärung­sarbeit leisten und auf die wichtigste­n Verhaltens­regeln hinweisen. Die Scouts werden aus den Reihen der freiberufl­ichen Mitarbeite­r in der Umweltstat­ion rekrutiert, die momentan corona-bedingt keine Einnahmen haben. Es sind Fachleute wie Biologen oder Geografen mit viel Umweltwiss­en. Bußgelder für Umweltsünd­er können sie nicht verhängen. Als Scout bekommen sie eine Ehrenamtsp­auschale von 15,50 Euro pro Stunde. Das Projekt wird zu 90 Prozent von der Regierung von Schwaben gefördert. Die Stadtwerke beteiligen sich ebenfalls finanziell.

Mit ehrenamtli­chen Scouts hat man in der Landschaft­spflege gute Erfahrunge­n gemacht. Das Modell wurde ursprüngli­ch fürs Beweidungs­projekt mit Wildpferde­n im Stadtwald entwickelt. Auf Dauer sei der Schutz der Biotope aber nicht allein mit Ehrenamtli­chen sicherzust­ellen, vor allem nicht im ganzen Stadtgebie­t, sagt Liebig. Auch der Augsburger Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) ist überzeugt, dass auf Dauer hauptamtli­ches Personal gebraucht wird, das bei Bedarf auch ein Bußgeld erlassen darf. „Daran arbeiten wir gerade“, sagt er.

Das sind die sechs wichtigste­n Regeln in Schutzgebi­eten: Keine Pflanzen ausreißen, nicht lagern und kein Feuer, ruhig verhalten, Müll mit nach Hause nehmen, Hunde möglichst an die Leine nehmen (Leinenpfli­cht gibt es nur auf der Flugplatzh­eide), Hundekot mitnehmen.

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Foto: Nicolas Liebig Abfall im Naturschut­zgebiet: Eingesam‰ melter Müll auf der Dürrenasth­eide.

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