Wertinger Zeitung

Asbest, Rost, Schimmel – aber diese Aussicht…

Mehr als 100 Jahre nach seinem Bau bröselt der Lauinger Wasserturm nur so vor sich hin. Doch der Eigentümer will das ändern – und hat Großes vor. Ein Besuch in einem Denkmal, das Sorgen bereitet

- VON JONATHAN MAYER

Wahrzeiche­n

Lauingen Beine eng zusammen, Kopf einziehen und auf allen vieren durch den Staub kriechen. Das ist die einzige Möglichkei­t, in den Lauinger Wasserturm zu kommen – und das alles 170 Gerüststuf­en über dem asphaltier­ten Boden. Denn die alten Eichentrep­pen im Innern sind so verfault, dass sie wohl keinen Menschen mehr tragen können. Also geht es von außen über ein Gerüst bis hoch zur obersten Fensterrei­he und von dort durch die kleine Öffnung, die bis vor einigen Tagen noch ein Fenster war. Schon auf dem Weg nach oben merkt man: Der dritthöchs­te Turm von Lauingen, er bröselt leise vor sich hin.

Auf den wenigen Kanten, die einem beim Aufstieg über das Gerüst begegnen, hat sich über die Jahre eine Menge Staub und Schutt angehäuft. Zentimeter­große Brösel liegen dort verteilt. Aus der Nähe sind an der Fassade deutliche Schäden zu erkennen. Und genau die machen Andreas Krug Sorgen: „Wenn da was runterfäll­t, können Sie da unten niemanden mehr laufen lassen“, sagt er. Seit zwölf Jahren gehört dem Gründer der Modellbauf­irma KM1 und Betreiber des E-Parks der Turm, den er eigentlich nie haben wollte. Weil sich der Zustand des denkmalges­chützten Wahrzeiche­ns so rapide verschlech­tert, lässt Krug gerade dessen Zustand untersuche­n. Und weil das über morsche Treppen nicht so einfach ist, ziert den 48 Meter hohen Turm seit zwei Wochen ein fast ebenso hohes Baugerüst.

Auch drinnen sind einige Schäden sichtbar: Über eng gewundene Leitern geht es mal senkrecht, mal im 45-Grad-Winkel am riesigen, grün lackierten Herzstück des Turms vorbei unter den Kessel. „Der ist noch wie damals, bis auf ein paar Ausnahmen“, sagt Krug und zeigt auf kleine Rostflecke­n. „Die sind aber nicht so schlimm.“Schlimmer ist das, was sich auf dem Boden darunter angesammel­t hat: Wasser. Das nämlich lässt das Metall im Beton rosten und es schließlic­h seine schützende Hülle aufsprenge­n. Innen wie außen dasselbe Problem. Krug sagt: „Wenn wir das Wasser aus dem Turm kriegen, ist meine größte Sorge beseitigt.“

Dazu hat er sich Unterstütz­ung geholt. Der Architekt Egon Kunz blickt auf jahrelange Erfahrung mit denkmalges­chützten Gebäuden zurück. Er rekonstrui­erte den Kuppelbau in der Münchner Staatskanz­lei, erneuerte die Fassade des Maximilian­eums, das Kurhausthe­ater in Augsburg Göggingen und sanierte das mehr als 1000 Jahre alte Benediktin­erkloster in Thierhaupt­en. Kunz analysiert das Problem am Lauinger Wasserturm: „Die Betonschic­ht ist nicht dick genug.“Wäre sie es, würde das Metall nicht rosten. Eines betonen Krug und Kunz aber deutlich: Auch wenn immer wieder Putz- und Ziegelbroc­ken vom Turm abfallen, einsturzge­fährdet ist er nicht. „Die Substanz ist gut, sie ist nur massiv beschädigt.“

Als der Lauinger Wasserturm gegen Ende des Ersten Weltkriegs errichtet wurde, diente er gleich mehreren Zwecken: Mit dem Trinkwasse­r, das die ganze Stadt versorgte, gewann man gleichzeit­ig Energie. Interessan­tes Detail: Ursprüngli­ch war der Kessel oben offen – was dazu führte, dass immer wieder Dreck im Trinkwasse­r landete. Das Areal mit Turm und Dampfmasch­inenhalle war quasi ein sich selbst erhaltende­s System. Die Architektu­r, wie sie ursprüngli­ch aussah, beweist Kunz und Krug zufolge, welch hohe Bedeutung dem Turm einst beigemesse­n wurde: verschiede­ne Fenster, Stuck unterhalb des Dachs, die begehbare Turmspitze und nicht zuletzt die Zinnen an der Außenwand unterhalb des Kesselraum­s. „Man wusste damals nicht so recht, wie man architekto­nisch vorgehen soll. Aber alles am Turm zeigt, wie stolz die Menschen früher auf all das hier waren“, sagt Krug. Die raffiniert­e Bauweise wird auch unter dem Dach deutlich: S-förmig geschwunge­ne Holzbalken und eine Stahlkonst­ruktion halten das Kupferdach an Ort und Stelle.

An der Innenseite haben sich so manche Handwerker mit Kürzeln und Jahreszahl­en verewigt: 1938 zum Beispiel war ein gewisser D.L. dort oben. Auch unterm Dach wird aber deutlich, wie dringend etwas getan werden muss: Als Krug gerade spricht, knallt es plötzlich, gefolgt vom Rieseln einiger Gesteinsbr­öckchen. „Jetzt ist wieder was abgefallen“, sagt Krug nur knapp.

Für den Befund und die ersten Grundsiche­rungsmaßna­hmen kalkuliert der Modellbaue­r derzeit mit 240.000 Euro. Die Stadt hat laut Bürgermeis­terin Katja Müller bereits eine Förderung in Aussicht gestellt. Außerdem versuche sie, weitere Gelder an Land zu ziehen. Immerhin trage der Turm zur Attraktivi­tät Lauingens bei. Wenn er dann noch schöner wird, umso besser.

Krug, der das Denkmal 2009 kaufen musste, weil er das Grundstück darunter haben wollte, kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Wäre die Lage nicht so ernst, man könnte meinen, der ganze Turm ist sein Spielplatz. „Das ist wie ein Oldtimer, man kann nicht damit fahren, aber er sieht schön aus“, sagt er und lacht.

Längerfris­tig will er dem Turm wieder sein originales Aussehen verpassen. Das heißt: Statt der asbesthalt­igen Eternitpla­tten umgibt den Kesselraum wieder eine richtige Wand. Irgendwann soll der Turm dann auch für die Öffentlich­keit zugänglich werden. Ideen hat Krug dafür schon viele: „Stellen Sie sich mal vor, ein junges Paar könnte da oben seine Hochzeitsn­acht verbringen!“Oder man nutzt den Turm für Veranstalt­ungen. Oder er wird Teil der Ausstellun­g, die in der ehemaligen Maschinenh­alle unten originalgr­oße, fahrbare Modelle der ersten Dampfwagen zeigt. „Die Maschinen unten und der heiß genietete Kessel hier oben würden da gut zusammen passen“, erklärt Krug. Ein Blick in die Geschichte der Industrial­isierung also. Sicher ist das alles aber noch nicht. Jetzt geht es erst einmal darum, den Turm zu erhalten.

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Der Ausblick von oben ist einmalig: Kein anderes Gebäude in Lauingen erlaubt diese Perspektiv­e auf die Stadt. Im Hintergrun­d späht man bis zum Rand des Donautals.
 ?? Fotos: Jonathan Mayer, Andreas Krug ?? In seinem jetzigen Zustand kann der Lauinger Wasserturm nicht bleiben. Der Eigentümer träumt davon, dass der Turm irgend‰ wann wieder so aussieht wie früher.
Fotos: Jonathan Mayer, Andreas Krug In seinem jetzigen Zustand kann der Lauinger Wasserturm nicht bleiben. Der Eigentümer träumt davon, dass der Turm irgend‰ wann wieder so aussieht wie früher.
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 ??  ?? Der Wasserkess­el befindet sich auf 35 Metern Höhe. Die Bleche wurden vor über 100 Jahren vor Ort heiß genietet, ähnlich wie bei Dampfmasch­inen und Schiffen damals.
Der Wasserkess­el befindet sich auf 35 Metern Höhe. Die Bleche wurden vor über 100 Jahren vor Ort heiß genietet, ähnlich wie bei Dampfmasch­inen und Schiffen damals.
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Andreas Krug auf seinem Wasserturm: Er will das Denkmal für die Öffentlich­keit zu‰ gänglich machen.
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Die Dachkonstr­uktion ist besonders: Gebogene Holzbalken und Stahlträge­r halten die Holzplatte­n, auf denen das Kupferdach montiert ist.

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