Wertinger Zeitung

Scheiße sagt man nicht

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger‰allgemeine.de

Der Lockdown wird verlängert, die Corona-Ansteckung­en nehmen wieder zu und scheinen sich zu einer dritten Welle zu formen. Es sind alles keine guten Nachrichte­n, die man derzeit hört und liest. Da kann einem, seien Sie ganz ehrlich, schon mal ein Fluch entwischen. „Ist das ein Mist mit dieser Epidemie! Das nimmt ja gar kein Ende. Scheiße!“Nachvollzi­ehbarerwei­se ist es aber keine gute Idee, derart offen zu fluchen, wenn ein Fünf- und ein Zweijährig­er mit am Tisch sitzen. Prompt schallt es von der anderen Seite: „Papa, Scheiße sagt man nicht!“Da hat der Sohnemann recht, 1:0 für den Buben. Ein guter Ton sieht anders aus. Was aber tun?

Manchmal muss man sich Luft machen. Wie soll man sonst diese Corona-Nachrichte­n verarbeite­n? Wie bitte soll ein Staatsanwa­lt reagieren, der sich durch das Dickicht von Cum-ex-Geschäften quälen muss? Oder durch ein Firmengefl­echt schwäbisch­er Bundestags­abgeordnet­er? „Hmm, schön!“Unwahrsche­inlich. Alternativ­en müssen her.

Alternativ­e 1: fremdsprac­hige Flüche. Lernt man eine neue Sprache, sind Schimpfwör­ter oft die ersten Vokabeln, die hängen bleiben. Im Fernsehen ist das englischsp­rachige Fluchen fast en vogue. Wer sich die Kochsendun­g „Kitchen Impossible“anschaut, könnte auf den Gedanken kommen, dass nur die Hälfte des Geschmacks von den Gewürzen kommt, der andere Teil aber der fortwähren­den Fluchkanon­ade von Tim Mälzer & Co. entspringt. „Fuck“, „Shit“und „Merde!“machen das Fluchen aber nicht appetitlic­her. Keine Lösung.

Alternativ­e 2: Man könnte bairisch-bodenständ­ig fluchen. Kruzefix! Herrgotthi­mmikruzefi­x no amoi! Bluatsakra­ment! Seltsamerw­eise flucht der Bayer gerne mit Wörtern, die heilige Dinge des Katholizis­mus bezeichnen. Religionsl­ehrer und Pfarrer haben mit diesen Flüchen zu recht ihre Probleme. Es gibt zwar Ersatzflüc­he: „A Sackl Zement!“Aber wer schimpft denn heute noch ernsthaft so?

Vorbildhaf­t zu fluchen ist nicht so leicht. Es ist eine Sch... Ich meine, ein Mist.

Kinder haben es übrigens leichter, wenn ihnen etwas missfällt. Sie fangen zu heulen an.

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