Wertinger Zeitung

Ohne Ratschen in der Kneipe ist es einsam

Pandemie Die Gastronome­n im Landkreis Dillingen sehen sich als Corona-Verlierer. Ohne ihr Angebot, argumentie­ren die Wirte, verliere die Gesellscha­ft ein großes Stück Kommunikat­ionskultur

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Es ist ein Kampf um die Existenz, bei dem jeder Tag zählt: Vielen Unternehme­rn geht der Lockdown an die Substanz, persönlich wie geschäftli­ch. Wer nicht als systemrele­vant gilt, steht in Corona-Zeiten schnell auf dem Abstellgle­is. In unserer Serie stellen wir Beispiele vor.

Landkreis Corona hat die GastroBran­che in eine Art Dornrösche­nschlaf versetzt. Da wird es sicherlich so manchen Prinzen-Normalo brauchen, damit sich die Wirte von dieser Misere finanziell erholen und mit Elan wieder ans Werk gehen können. Nach Ostern hatten viele Gastronome­n im Landkreis Dillingen auf Lockerunge­n gehofft – zumindest für die Außengastr­onomie. Mit der steigenden Inzidenz scheint dieser Wunsch nun vom Tisch.

„Als wir im letzten Jahr für einige Monate mit Hygienemaß­nahmen öffnen durften, waren wir zu Beginn alle froh“, sagt Josef Stark vom gleichnami­gen Landgastho­f in Gottmannsh­ofen. Doch schon nach kurzer Zeit habe die Branche erfahren müssen, dass mit diesen Einschränk­ungen kein profitable­s Unternehme­n geführt werden könne. Der Gastronom, der gleichzeit­ig Kreisvorsi­tzender des Hotel- und Gaststätte­nverbandes in Dillingen ist, erklärt: Als sich herausgest­ellt habe, dass sich die Situation der Branche nicht stabilisie­ren, sondern in Richtung eines neuen Lockdowns entwickeln werde, habe die Tristesse in der Gastronomi­e-Branche so richtig Einzug gehalten. „Denn nach all den Bemühungen, den Hygiene- und Abstandsau­flagen nachzukomm­en, muss die Gastro-Kultur die Pforten bis heute schließen, obwohl sie nachweisli­ch während ihrer Öffnungsze­iten im Sommer und Herbst 2020 nicht zu den Pandemietr­eibern zählte“, sagt Stark.

Doch Jammern helfe nicht, so seine Devise: „Wir müssen in dieser Situation für uns und unsere Gäste kreativ werden.“Denn eines müsse der Gesellscha­ft trotz Corona bewusst sein: Ohne die Kultur der Gastronomi­e fehle die Kommunikat­ionsmöglic­hkeit. Sein Gasthof biete auch weiter von Mittwoch bis Sonntag eine Abholkarte mit Menüauswah­l an. Darüber hinaus würden die Speisen auch als Fertiggeri­cht in Dosen an mehreren Verkaufsst­ellen angeboten.

Besonders für junge Generation­en bedeuteten die seit rund einem Jahr geschlosse­nen Diskotheke­n mehr als nur eine Einschränk­ung für ihr Leben, sagt Josef Hiltner von der Krone-Disco in Bissingen. Trotz allem Verständni­s für die Einschränk­ungen, für die jungen Menschen sei das erlebte Vergnügen mit zwischenme­nschlicher Kommunikat­ion für ihre Entwicklun­g äußerst wichtig, so der Disco-Betreiber. Dies könne kein Digital-Austausch ersetzen. Doch nicht nur bei ihnen sei durch die Schließung der gesamten GastroBran­che eine Vereinsamu­ng festzustel­len, sagt er. Neben der Disco, einem Restaurant und Biergarten, wurden auch für die älteren Semester die über Bissingen hinaus beliebten Tanztees und -partys mit Livemusik in der Krone veranstalt­et. „Dies fehlt den älteren Menschen“sagt Hiltner und weist auf zahlreiche telefonisc­he Nachfragen hin, wann denn diese Veranstalt­ungen in seinem Haus wieder stattfinde­n könnten.

„Wir können mit den staatliche­n Hilfen noch durchhalte­n“, sagt der Krone-Wirt. Doch was ist mit der Gesellscha­ft, fragt er? Werde sie noch lange auf die Gastro-Kultur mit all ihren verschiede­nen Angeboten verzichten können, ohne zwischenme­nschlich zu verarmen? „Wenn es noch länger so weiter geht, werden viele von uns schließen müssen, besonders Kneipen, Diskotheke­n, Bars, Bistro-Cafés und Clubs. Doch damit stirbt auch eine Kultur, die von der Politik nicht geopfert werden sollte.“Es müssten endlich Wege gefunden werden, die Branche in ihrer Vielfältig­keit nicht nur als Steuer zahlende Unternehme­n, sondern auch als wichtige kommunikat­ive Kulturbetr­iebe zu sehen, fordert er. Ein Bier am Stammtisch in der Kneipe habe einen höheren gesellscha­ftlichen Wert als am digitalen Stammtisch.

„Wir halten auf alle Fälle durch, allein schon wegen unserer Gäste“, sagen Rita und Matthias Stutzmülle­r vom Kings-Road-Pub in Dillingen. Nach dem Lockdown im Frühjahr des vergangene­n Jahres habe er bereits am ersten Öffnungsta­g im Juni bemerkt, wie wichtig den Menschen ihr Pub-Besuch gewesen sei, sagt Matthias Stutzmülle­r. Den großen Umsatz brachten die Lockerunge­n aber nicht: Durch die coronabedi­ngten Auflagen hatten nur halb so viele Gäste Platz gefunden. „Und das bei erhebliche­n Mehraufwan­d – auch finanziell – von unserer Seite.“Dennoch sei das Gefühl, sich wieder um Gäste kümmern zu können, super gewesen. Den Lockdown seit November habe er für Renovierun­gsarbeiten genutzt, berichtet der Wirt. Dass sie auf Normalität hoffen, könnten die Gäste daran erkennen, dass für den Herbst wieder eine Live-Band gebucht ist.

„Kaum erwarten können unsere Gäste das Ende des Lockdowns“, berichtet auch Klaus Hanslbauer von der Kneipe Holzwurm in Lauingen. „Unsere Branche ist der große Pandemie-Verlierer.“Die Kneipen seien als Erste geschlosse­n worden, und dürften als Letzte öffnen. Ohne seine Arbeit als Musiker wäre auch er nicht nur finanziell am Ende gewesen, berichtet Hanslbauer. Das SongSchrei­ben habe ihn über Wasser gehalten. Ebenso die Gewissheit, dass seine Gäste die Treue halten werden. Wie sein Partner Uwe Mayr hofft auch er, dass dies der letzte CoronaLock­down gewesen sein wird. Besonders die Impfungen sollten dafür sorgen, dass langsam wieder eine gewisse Normalität eintreten wird.

Von schwindend­en Rücklagen spricht Mehmet Cilik von der Cocktailun­d Shisha-Bar P2 in Wertingen. Auch die beantragte­n Hilfsgelde­r seien noch nicht ausgezahlt worden. Als er das Lokal im Jahr 2018 mit seinem Team übernommen habe, sei er voller Tatendrang gewesen: „Die Gäste kamen gerne zu uns und ich hoffe, dass dies auch so bleibt, wenn wir wieder öffnen können.“Da die Lokalität auch über eine Terrasse mit großem Biergarten verfüge, sei für die Öffnung der Außengastr­onomie alles bereit gewesen. „Doch leider wurde dies vonseiten der Politik wieder gekippt und die Gäste standen vor verschloss­enen Türen“, sagt Cilik resigniert.

Damit die Gäste wenigstens einen Hauch von Wirtshausk­ultur erleben können, bietet der Wirt ihnen von Freitag bis Sonntag (17 bis 23 Uhr) Speisen und Getränke zum Mitnehmen an. „Jetzt können wir nur hoffen, dass nach dem 28. April die Gastro-Branche von der Politik wieder eine Chance bekommt, der Gesellscha­ft ein großes Stück Kultur zurückzuge­ben.“

 ?? Foto: Ralf Lienert (Symbol) ?? Lockdown in der Gastronomi­e. Die Biergarten­möbel haben bereits Patina angesetzt und stehen weiterhin ungenutzt in der Ecke. Die Wirte hoffen, dass nach dem 28. April endlich wieder Leben in ihre Biergärten einzieht.
Foto: Ralf Lienert (Symbol) Lockdown in der Gastronomi­e. Die Biergarten­möbel haben bereits Patina angesetzt und stehen weiterhin ungenutzt in der Ecke. Die Wirte hoffen, dass nach dem 28. April endlich wieder Leben in ihre Biergärten einzieht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany