Wertinger Zeitung

Briefwahl zum Turmbau beantragen: Darum geht’s

Zukunft Die Benachrich­tigungen wurden am Wochenende in die Wertinger Haushalte geschickt, damit die Bürger über den geplanten Ärztehaus-Tower von Ulrich Reitenberg­er abstimmen können. Die wichtigste­n Fragen im Überblick

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Am vergangene­n Wochenende fanden die wahlberech­tigten Wertinger besondere Post im Briefkaste­n: die Benachrich­tigungen für den anstehende­n Bürgerents­cheid. Anlass genug, um noch einmal zu rekapituli­eren, worum es eigentlich geht.

● Über was wird entschiede­n? Verkürzt gesagt: Ob der Investor Ulrich Reitenberg­er auf dem Krankenhau­sgelände einen Ärztehaus-Turm bauen darf. Es ist nicht, wie teilweise fälschlich angenommen, ein Entscheid über den Erhalt des Krankenhau­ses.

Gegenüber stehen sich auf dem Wahlzettel das Bürgerbege­hren der Initiative „Für das Krankenhau­s – Gegen den Tower“, welches den Turmbau ablehnt, und ein Ratsbegehr­en, welches dem Unternehme­r Baurecht gewähren will. So hatte der Stadtrat bereits im Oktober vergangene­n Jahres entschiede­n, das Bürgerbege­hren will diesen Entschluss noch kippen.

● Das ist im Turm geplant: Insgesamt sollen nach derzeitige­m Planungsst­and elf Stockwerke entstehen – allerdings hat die Stadt an den finalen Plänen noch ein Mitsprache­recht, da es sich um einen sogenannte­n „vorhabenbe­zogenen Bebauungsp­lan“handelt. Unabhängig vom Ausgang des Bürgerents­cheids könnten sich die finalen Baupläne also noch gravierend ändern.

Derzeit plant der Investor Reitenberg­er nach eigener Aussage mit folgender Auslastung: Ins Erdgeschos­s ziehen Gastronomi­e, eine Apotheke und eine Bäckerei ein. Die Stockwerke eins bis vier werden von Arztpraxen belegt, ins fünfte kommen eine Physiother­apie und ein medizinisc­her Dienstleis­ter. Im sechsten Stock ist „medizinisc­her Einzelhand­el“geplant. Die Stockwerke sieben bis zehn sind für Wohnungen vorgesehen – zwei Stockwerke für Mikroapart­ments, zwei Stockwerke für 1,5bis Dreizimmer­wohnungen. Es soll bei der Belegung ein Vorrang für „krankenhau­sbezogene Nutzung“gewährleis­tet sein. Außerdem soll es eine zweigescho­ssige Tiefgarage für rund 120 Fahrzeuge geben.

● Die Argumente gegen den Turm: Die Gegner des Turmbaus im Stadtrat sind, mehr oder weniger geschlosse­n, die Mitglieder von CSU und der Stadtteill­iste CSW sowie SPD-Stadtrat Otto Horntrich. Dazu kommt noch die Bürgerinit­iative. Ihrer Meinung nach hätte es für ein solches Projekt eine Ausschreib­ung geben müssen, anstatt einen einzelnen, konkurrenz­losen Vorschlag voranzutre­iben. Außerdem stören sich die Gegner an der Tatsache, dass für das Projekt ein öffentlich­es, 1500 Quadratmet­er großes Grundstück an den Investor verkauft werden müsste und dem Krankenhau­s somit die Möglichkei­t zur eigenen Weiterentw­icklung genommen würde. Bevorzugt solle der Landkreis selbst, als Eigentümer des Krankenhau­sgeländes, ein solches Projekt verwirklic­hen.

Außerdem problemati­sch sehen sie den Umstand, dass durch die Wohnungen neue Nachbarn auf dem Krankenhau­sgelände einziehen würden, welche dann auf ihre Rechte beharren könnten, etwa im Bereich Lärmschutz. Auch die Verkehrssi­tuation wird von den Kritikern bemängelt, eine Anbindung an die geplante Nord-Ost-Tangente sei noch keineswegs sicher und das Aufkommen werde in einem verkehrste­chnisch ohnehin schon problemati­schen Gebiet noch zusätzlich erhöht. Und schließlic­h ist da noch der Umstand, dass der Turm eben ein Turm sein soll – und damit nicht ins Stadtbild passen würde.

● Die Argumente für den Turm: Der Turmbau von Ulrich Reitenberg­er fügt sich in eine geplante generelle Umgestaltu­ng des Krankenhau­sgeländes ein. Es sollen außerdem noch eine Pflegeschu­le, ein Seniorenhe­im und ein Parkdeck auf dem Gelände entstehen. Formell sind diese einzelnen Bauten voneinande­r unabhängig. In der Praxis würden diese allerdings ineinander­greifen, so die Argumentat­ion der Befürworte­r. Oft genannte Stichwörte­r sind hier „kurze Wege“und die „Bündelung von Kompetenze­n“. Die Ärzte, die sich im Turm ansiedeln, könnten bei Bedarf sofort im Krankenhau­s oder dem Seniorenhe­im zu Hilfe kommen, wären innerhalb kürzester Zeit greifbar, so die Argumentat­ion. Sie würden gleichzeit­ig für eine Art „Filteranla­ge“für die Notaufnahm­e dienen, indem sie viele Patienten, die eigentlich keine Notaufnahm­e im Krankenhau­s benötigen, übernehmen könnten.

Die Parkplatzs­ituation würde sich aus Sicht der Befürworte­r deutlich verbessern: Durch den Abriss des Schwestern­wohnheims entstünden auch oberirdisc­h mehr Parkplätze als zuvor. Die Stadt oder der Landkreis haben aus Sicht der Befürworte­r – unter anderem sind das Landrat Leo Schrell, die Stadtratsf­raktionen der Freien Wähler und der Grünen sowie die Kreistagsf­raktion der AfD/Republikan­er – weder die Kompetenz oder auch die finanziell­en Mittel, um ein solches Projekt zu verwirklic­hen.

Die Form als Turm sei der Tatsache geschuldet, dass so mehr Nutzfläche geschaffen werden könne, was ganz im Sinne der Reduzierun­g des Flächenver­brauchs sei.

● Was passiert nach der Abstim‰ mung? Sollte das Bürgerbege­hren mehr Stimmen auf sich und dabei mindestens 20 Prozent der stimmberec­htigten Bürger auf sich vereinen – es bräuchte also etwa 1440 Stimmen – kann der Turm nicht gebaut werden.

Sollte das zustimmend­e Ratsbegehr­en mehr Stimmen erhalten oder das erforderli­che Quorum von 20 Prozent nicht erreicht werden, ist das Bürgerbege­hren gescheiter­t und die Planungen laufen weiter. Das heißt allerdings noch nicht, dass der Turm gebaut wird. Denn das Grundstück gehört dem Landkreis, also muss der Kreistag beziehungs­weise einer seiner Ausschüsse über den Verkauf entscheide­n. Ob es dafür eine Mehrheit unter den Kreisräten gibt, ist unklar.

● Die Abstimmung: Wer nicht per Briefwahl abstimmen will, kann das am Sonntag, 25. April, in dem entspreche­nden Wahllokal tun. Laut Auskunft der Stadt wird nach aktuellem Kenntnisst­and auch im Falle eines harten Lockdowns eine persönlich­e Abstimmung von 8 bis 18 Uhr möglich sein.

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Foto: Birgit Hassan Alle stimmberec­htigten Wertinger Bürger finden in diesen Tagen die Abstimmung­sbenachric­htigungen im Briefkaste­n. Damit können sie bei der Stadtverwa­ltung Briefwahl‰ unterlagen für den Bürgerents­cheid zum Turmbau von Ulrich Reitenberg­er beantragen.
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Foto: Reitenberg­er (Grafik) So könnte der Turm einmal aussehen – das Schwestern­wohnheim würde abgerissen werden.

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