Briefwahl zum Turmbau beantragen: Darum geht’s
Zukunft Die Benachrichtigungen wurden am Wochenende in die Wertinger Haushalte geschickt, damit die Bürger über den geplanten Ärztehaus-Tower von Ulrich Reitenberger abstimmen können. Die wichtigsten Fragen im Überblick
Wertingen Am vergangenen Wochenende fanden die wahlberechtigten Wertinger besondere Post im Briefkasten: die Benachrichtigungen für den anstehenden Bürgerentscheid. Anlass genug, um noch einmal zu rekapitulieren, worum es eigentlich geht.
● Über was wird entschieden? Verkürzt gesagt: Ob der Investor Ulrich Reitenberger auf dem Krankenhausgelände einen Ärztehaus-Turm bauen darf. Es ist nicht, wie teilweise fälschlich angenommen, ein Entscheid über den Erhalt des Krankenhauses.
Gegenüber stehen sich auf dem Wahlzettel das Bürgerbegehren der Initiative „Für das Krankenhaus – Gegen den Tower“, welches den Turmbau ablehnt, und ein Ratsbegehren, welches dem Unternehmer Baurecht gewähren will. So hatte der Stadtrat bereits im Oktober vergangenen Jahres entschieden, das Bürgerbegehren will diesen Entschluss noch kippen.
● Das ist im Turm geplant: Insgesamt sollen nach derzeitigem Planungsstand elf Stockwerke entstehen – allerdings hat die Stadt an den finalen Plänen noch ein Mitspracherecht, da es sich um einen sogenannten „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“handelt. Unabhängig vom Ausgang des Bürgerentscheids könnten sich die finalen Baupläne also noch gravierend ändern.
Derzeit plant der Investor Reitenberger nach eigener Aussage mit folgender Auslastung: Ins Erdgeschoss ziehen Gastronomie, eine Apotheke und eine Bäckerei ein. Die Stockwerke eins bis vier werden von Arztpraxen belegt, ins fünfte kommen eine Physiotherapie und ein medizinischer Dienstleister. Im sechsten Stock ist „medizinischer Einzelhandel“geplant. Die Stockwerke sieben bis zehn sind für Wohnungen vorgesehen – zwei Stockwerke für Mikroapartments, zwei Stockwerke für 1,5bis Dreizimmerwohnungen. Es soll bei der Belegung ein Vorrang für „krankenhausbezogene Nutzung“gewährleistet sein. Außerdem soll es eine zweigeschossige Tiefgarage für rund 120 Fahrzeuge geben.
● Die Argumente gegen den Turm: Die Gegner des Turmbaus im Stadtrat sind, mehr oder weniger geschlossen, die Mitglieder von CSU und der Stadtteilliste CSW sowie SPD-Stadtrat Otto Horntrich. Dazu kommt noch die Bürgerinitiative. Ihrer Meinung nach hätte es für ein solches Projekt eine Ausschreibung geben müssen, anstatt einen einzelnen, konkurrenzlosen Vorschlag voranzutreiben. Außerdem stören sich die Gegner an der Tatsache, dass für das Projekt ein öffentliches, 1500 Quadratmeter großes Grundstück an den Investor verkauft werden müsste und dem Krankenhaus somit die Möglichkeit zur eigenen Weiterentwicklung genommen würde. Bevorzugt solle der Landkreis selbst, als Eigentümer des Krankenhausgeländes, ein solches Projekt verwirklichen.
Außerdem problematisch sehen sie den Umstand, dass durch die Wohnungen neue Nachbarn auf dem Krankenhausgelände einziehen würden, welche dann auf ihre Rechte beharren könnten, etwa im Bereich Lärmschutz. Auch die Verkehrssituation wird von den Kritikern bemängelt, eine Anbindung an die geplante Nord-Ost-Tangente sei noch keineswegs sicher und das Aufkommen werde in einem verkehrstechnisch ohnehin schon problematischen Gebiet noch zusätzlich erhöht. Und schließlich ist da noch der Umstand, dass der Turm eben ein Turm sein soll – und damit nicht ins Stadtbild passen würde.
● Die Argumente für den Turm: Der Turmbau von Ulrich Reitenberger fügt sich in eine geplante generelle Umgestaltung des Krankenhausgeländes ein. Es sollen außerdem noch eine Pflegeschule, ein Seniorenheim und ein Parkdeck auf dem Gelände entstehen. Formell sind diese einzelnen Bauten voneinander unabhängig. In der Praxis würden diese allerdings ineinandergreifen, so die Argumentation der Befürworter. Oft genannte Stichwörter sind hier „kurze Wege“und die „Bündelung von Kompetenzen“. Die Ärzte, die sich im Turm ansiedeln, könnten bei Bedarf sofort im Krankenhaus oder dem Seniorenheim zu Hilfe kommen, wären innerhalb kürzester Zeit greifbar, so die Argumentation. Sie würden gleichzeitig für eine Art „Filteranlage“für die Notaufnahme dienen, indem sie viele Patienten, die eigentlich keine Notaufnahme im Krankenhaus benötigen, übernehmen könnten.
Die Parkplatzsituation würde sich aus Sicht der Befürworter deutlich verbessern: Durch den Abriss des Schwesternwohnheims entstünden auch oberirdisch mehr Parkplätze als zuvor. Die Stadt oder der Landkreis haben aus Sicht der Befürworter – unter anderem sind das Landrat Leo Schrell, die Stadtratsfraktionen der Freien Wähler und der Grünen sowie die Kreistagsfraktion der AfD/Republikaner – weder die Kompetenz oder auch die finanziellen Mittel, um ein solches Projekt zu verwirklichen.
Die Form als Turm sei der Tatsache geschuldet, dass so mehr Nutzfläche geschaffen werden könne, was ganz im Sinne der Reduzierung des Flächenverbrauchs sei.
● Was passiert nach der Abstim mung? Sollte das Bürgerbegehren mehr Stimmen auf sich und dabei mindestens 20 Prozent der stimmberechtigten Bürger auf sich vereinen – es bräuchte also etwa 1440 Stimmen – kann der Turm nicht gebaut werden.
Sollte das zustimmende Ratsbegehren mehr Stimmen erhalten oder das erforderliche Quorum von 20 Prozent nicht erreicht werden, ist das Bürgerbegehren gescheitert und die Planungen laufen weiter. Das heißt allerdings noch nicht, dass der Turm gebaut wird. Denn das Grundstück gehört dem Landkreis, also muss der Kreistag beziehungsweise einer seiner Ausschüsse über den Verkauf entscheiden. Ob es dafür eine Mehrheit unter den Kreisräten gibt, ist unklar.
● Die Abstimmung: Wer nicht per Briefwahl abstimmen will, kann das am Sonntag, 25. April, in dem entsprechenden Wahllokal tun. Laut Auskunft der Stadt wird nach aktuellem Kenntnisstand auch im Falle eines harten Lockdowns eine persönliche Abstimmung von 8 bis 18 Uhr möglich sein.