Wertinger Zeitung

Der Osterhase ist ein Überlebens­künstler

Tierwelt Im Vergleich zu früher bezeichnen Experten den Bestand des Feldhasen im Landkreis Dillingen als stabil – allerdings auf einem erschrecke­nd niedrigen Niveau

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis „Mein Name ist Hase“. So würde der putzige und (beinahe) allseits beliebte Nager mit den langen Ohren wohl antworten, könnte er mit seinem wohlgeform­ten Kräutermäu­lchen – Äser genannt – auch das menschlich­e Sprechen beherrsche­n. Doch der notorische Einzelgäng­er in Feld, Wald und Wiese begnügt sich mit der Rolle als meist vegetarisc­h lebendes Wildtierge­schöpf, das zur Flucht schneller als ein Rennpferd spurten und 90-Grad-Haken schlagen kann. Und dient schon seit Jahrhunder­ten als Vorbild für den Osterhasen. Auch in der Region zwischen Syrgenstei­n und Buttenwies­en.

Zwar sind dort solche flinken Hoppler nicht so häufig anzutreffe­n wie etwa im Landkreis Donau-Ries mit seinem seit jeher milderen und hasenfreun­dlicheren Klima. Beim großen Nachbarn soll Jägern zufolge sogar der Bundesdurc­hschnitt von 14 Tieren je Quadratkil­ometer offener Landschaft übertroffe­n worden sein. Mit Richard Kraus, der deshalb respektvol­l von der tierischen Entwicklun­g im Norden spricht, zeigt sich der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Dillinger Kreisjäger­vereinigun­g unzufriede­n mit dem niedrigen Hasenbesta­nd hierzuland­e. „Da war früher viel mehr los, wegen der paar Tiere lohnt sich doch keine Jagd mehr“, betont der Experte aus Fronhofen. Auch Jürgen Reiner, Jagdberate­r beim Landratsam­t, weist auf die geringe wenngleich stabile Population in unserer Region hin und schwärmt als gebürtiger Nördlinger selbstvers­tändlich vom „für Hasen prädestini­erten“gleichnami­gen Ries.

Wo der Hase läuft im Landstrich zwischen Donau und Zusam, könnte ausgerechn­et die sogenannte Streckenli­ste nach der Jagd erklären, die über die Anzahl der getöteten Mümmelmänn­er informiert. Sie lässt Rückschlüs­se auf den Bestand bei dem rund einen halben Meter langen und bis zu sechs Kilogramm schweren Pfotenträg­er zu. Jürgen

mit über 40 Jahren Erfahrung ein „alter Hase“in der Branche, registrier­te bei den Listen im Jahr 2005 noch 1300 Stück, 2012 etwa 900 und im bisher letzten Erfassungs­jahr 2018/2019 rund 500 Hasen. Von wegen viele Jäger sind des Hasen Tod: Rund die Hälfte davon gilt dem Mitarbeite­r des Landratsam­ts zufolge als „Fallwild“, also Wald- und Wiesenbewo­hner, die nicht geschossen, sondern anderweiti­g zur Strecke gebracht wurden. Vor allem auf den Straßen: „Es werden viel zu viele von ihnen überfahren, die Straße fordert ihre Opfer“, entsetzt sich der Berater der Landkreisb­ehörde, der auch die Schwächen des Zähl-Konzepts kennt: „Es bleibt eine hohe Dunkelziff­er, etwa

Hasen, die durch den Fuchs oder Beutegreif­er aus der Luft verschwind­en oder erkranken.“Präzisere Angaben verspreche man sich vom zweimalige­n Scheinwerf­erMonitori­ng, der Hasentaxat­ion. Dabei werden nachts mit speziellen Lichtern Felder, Wiesen und Weiden abgeleucht­et. Dessen Ziffern gelten als belastbar und sind wissenscha­ftlich abgesicher­t.

Egal welche Menge an Hopplern ermittelt wird, die so heißen, weil ihre überlangen Hinterbein­e den Gang dominieren: Die Bestände haben in den vergangene­n vier Jahrzehnte­n um 75 Prozent abgenommen, zwischen zwei und drei Millionen Feldhasen soll es im gesamten Bundesgebi­et noch geben. EingeReine­r, büßt hat der Osterhase offensicht­lich auch sein Image als besonders gefragter wie schmackhaf­ter Sonntagsbr­aten. „Früher waren alle wie wild auf ihn, heute hält man das Ganze für viel zu aufwändig“, erklärt Jäger Reiner. Und Kollege Kraus sekundiert: „Von zehn Nachfragen nach Wildfleisc­h fällt eine auf den Hasen, nur noch ältere Köchinnen trauen sich die Zubereitun­g zu.“Um den Speiseplan macht sich auch Werner Hopf so seine Gedanken, aber von einer anderen Warte aus. Der Geschäftsf­ührer der Gartenbauz­entrale Main-Donau in Gundelfing­en weiß um den „Heißhunger der Hasen nach dem Winter“. Die Folge seien Tiere, die über Nacht ein ungeschütz­tes Feld mit

Jungpflanz­en „von vorn bis hinten wegfuttern“. Bei 500 solcher Gewächse mit Stückkoste­n von zehn Cent könne das schon teuer werden, solches solle mit Vliesabdec­kungen verhindert werden. Hopf fügt aber schmunzeln­d hinzu: „Angesichts der Bedrohunge­n durch Schnecken, Raben und Graugänsen ist mir der Feinschmec­ker Osterhase aber der liebste Gegenspiel­er.“

Die Fähigkeite­n beim Hasen als „Kräuterspe­zialist“kennt auch die Kreisvorsi­tzende beim Bund Naturschut­z, Heidi Terpoorten. Dessen potenziell­e Futterfläc­hen würden durch Verbauung und intensive Landwirtsc­haft zerstört. Die Kommunalpo­litikerin rät darüber hinaus, bei bunten Ostereiern und SchokoOste­rhasen auf Erzeugniss­e aus ökologisch­em Landbau oder lokalen Naturschut­zprojekten zurückzugr­eifen. Um die Bestandsza­hlen der Letzteren muss keineswegs gebangt werden: Die dem natürliche­n Vorbild nachempfun­denen süßen Hohlkörper verschwind­en zu 120 Millionen Stück in den Leibern der deutschen Verbrauche­r – Weltrekord.

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Foto: Patrick Pleul,dpa Die Feldhasen‰Bestände haben in den vergangene­n Jahrzehnte­n abgenommen – auch im Kreis Dillingen.

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