Wertinger Zeitung

Ist Wertingen ein Uhrmachers­tädtchen?

Unsere Serie mit Schätzen aus dem Heimatmuse­um der Zusamstadt bietet Anlass, über diese Frage nachzudenk­en

- VON CORNELIUS BRANDELIK

Objekt des Monats April

Jeden Monat stellen wir Schätze aus dem Wertinger Heimatmuse­um vor. Das Objekt des Monats April bietet Anlass, über eine eigenwilli­ge These nachzudenk­en.

Wertingen Kann Wertingen gar als Uhrmachers­tädtchen bezeichnet werden? Aus heutiger Sicht trifft diese Aussage kaum zu. Wertingen besitzt die beiden alteingese­ssenen Uhrmacherg­eschäfte Hirn und Kolb, aber deshalb von einer Uhrmachers­tadt zu sprechen, wäre stark übertriebe­n.

Es findet sich allerdings in einem Reiseberic­ht, der kurz vor dem Jahr 1800 entstand, ein interessan­ter Hinweis auf eine solche Handwerksa­nsiedlung: Im Reiseberic­ht des Dr. med. Jonas Ludwig von Heß (1756 bis 1823), der um 1795 entstand, ist folgende Stelle zu lesen: „Drei Stunden

von Dillingen liegt das Städtchen Wertingen, das ganz von Uhrmachern bewohnt ist, die größtentei­ls für Augsburg arbeiten.“Zitiert nach Hildebrand Dussler (Herausgebe­r): Reisen und Reisende in Bayerisch-Schwaben und seinen Randgebiet­en in Oberbayern, Franken, Württember­g, Vorarlberg und Tirol: Reiseberic­hte aus sechs Jahrhunder­ten. Anton H. Konrad Verlag Weißenhorn, 1974.

Der Berichters­tatter kommt von Neresheim, Dischingen und Dillingen nach Wertingen und zieht von dort weiter nach Augsburg. War Wertingen um 1800 doch ein Uhrmachers­tädtchen?

Das Heimatmuse­um Wertingen besitzt jedenfalls drei Taschenuhr­en, die in dieser Zeit in Wertingen entstanden sind. Allen drei Uhren ist gemeinsam, dass sie im Inneren am Uhrwerk die Gravur „Hutner“und „Wertingen“tragen. Allen drei Taschenuhr­en ist außerdem ein emailliert­es Zifferblat­t zu eigen, das eine idyllische Szene darstellt und dem Betrachter heute noch ein Schmunzeln entlockt. Aufgrund der Gravur wurden die Uhren dem Wertinger Museum zum Kauf angeboten: Zwei Uhren boten Privatleut­e dem Heimatmuse­um an (2004 und 2014), die dritte Uhr entdeckte vor Jahren Wolfram Stadler auf dem Flohmarkt am Alten Turnplatz in der Laugnastra­ße. Objekt des Monats April ist die zuletzt erworbene Taschenuhr. Die beiden anderen Uhren werden im Mai vorgestell­t.

Die Taschenuhr mit der Inventarnu­mmer 34025_25-025 besitzt ein emailliert­es Zifferblat­t mit einer Liebesszen­e: Ein junger Mann, auffallend rot und gelb gekleidet, taucht aus dem Gebüsch auf. Er legt seinen Zeigefinge­r auf den Mund: Die Herzdame möge schweigen und ihn nicht verraten. Die junge Dame wiederum blickt verlegen zur Seite. So als warte sie ab, was nun folgt. Die abgebildet­en Personen sind in der Mode der Zeit um 1800 gekleidet. Eingerahmt wird die Szene durch die römischen Ziffern, die die Stunden anzeigen. Die Zeiger sind filigran gearbeitet. Die Uhr wird mit einem kleinen Schlüssel aufgezogen.

Ein „Übergehäus­e“schützt die Taschenuhr vor Beschädigu­ngen. Das metallene Schutzgehä­use leuchtet türkisfarb­en, es dürfte mit Rochenlede­r überzogen sein und verleiht der Uhr einen farbenfroh­en Akzent.

Die Herzdame möge schweigen und ihn nicht verraten

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 ?? Fotos: Cornelius Brandelik ?? Diese schöne Taschenuhr ist Objekt des Monats April im Wertinger Heimatmuse­um. Das Übergehäus­e sollte vor Beschädigu­ngen schützen.
Fotos: Cornelius Brandelik Diese schöne Taschenuhr ist Objekt des Monats April im Wertinger Heimatmuse­um. Das Übergehäus­e sollte vor Beschädigu­ngen schützen.
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